Finanzen

Chinas Regierung verschärft Jagd auf „böswillige Spekulanten“

Lesezeit: 3 min
04.08.2015 01:34
Chinas Behörden vestärken den „Kampf gegen Marktmanipulation“ und nehmen dabei Händler in Singapur und Hongkong ins Visier. Sie wollen alle Händler identifizieren, die vom weiteren Kursverfall profitieren würden. Die Regierung in Peking war maßgeblich am Aufblähen der Spekulationsblase beteiligt und ist nun auf der Suche nach einem Sündenbock.
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Die chinesische Börsenaufsicht verlangt von Wertpapierhändlern die Herausgabe ihrer Aufzeichnungen zum Börsenhandel. Die Behörden wollen alle Händler mit Netto-Verkaufspositionen im Portfolio identifizieren, die von einem weiteren Kursturz profitieren würden. Das berichtet Reuters unter Berufung auf Insider bei chinesischen und ausländischen Broker-Unternehmen. Die Marktteilnehmer vermuten, dass die Behörden so den weiteren Verkauf chinesischer Aktien unterbinden wollen.

Ein Sprecher der Börsenaufsicht CSRC (China Securities Regulatory Commission) sagte auf einer Pressekonferenz, dass es normal sei, im Falle von Ermittlungen mit allen „relevanten Parteien“ in Kontakt zu treten. Er dementierte allerdings Medienberichte, denen zufolge die Behörden alle Vorstände führender Broker-Unternehmen zu Gesprächen nach Peking und Guangzhou zitiert hätten. Ein Insider einer ausländischen Broker-Firma mit Sitz in Hongkong bestätigte gegenüber Reuters, dass die Börsenaufsicht Anfragen bei seinem Unternehmen gestellt hat. Zwar sei es üblich im Falle von Ermittlungen auch ausländische Behörden zu Rate zu ziehen, doch die Firmen direkt zu kontaktieren sei äußerst unüblich. Die Firmen seien jedoch darauf bedacht, so gut es geht mit den chinesischen Behörden zusammenzuarbeiten.

„Wenn die CSRC ein Angebot macht, kann man das nicht ablehnen“, so der Insider. „Die implizierte Drohung der Börsenaufsicht lautet: 'Alles was kein Absicherungsgeschäft ist, ist verboten'.

Eine weitere Quelle sagte der Nachrichtenagentur, dass die Börsenaufsicht per Telefon Auskünfte zu den Kunden einer Maklerfirma forderte. Dabei interessierten sich die Behörden für alle Netto-Verkaufspositionen und wollten wissen, ob Leerverkäufe über das Unternehmen abgewickelt wurden. Als ein Unternehmenssprecher verneinte, verlangte die CSRC die Herausgabe aller Daten.

„Es gab eine Reihe von Anfragen in den letzten zwei Wochen. Sie [die Behörden, Anm.] gehen jeder Handelsaktivität nach, die irgendeinen Bezug zu China hat“, sagte der CEO einer internationalen Broker-Firma aus Hongkong gegenüber Reuters.

Die Jagd auf „böswillige Spekulanten“ ist Teil der Regierungsmaßnahmen, um einen weiteren Kurseinbruch zu verhindern. Binnen drei Wochen verlor der Shanghaier Aktienmarkt rund 30 Prozent an Wert. Der Technologie-Index ChiNext brach im selben Zeitraum sogar um 42 Prozent ein. Vorangegangen war eine monatelange Börsenrallye, bei der vor allem Kleinanleger in den Markt eingestiegen sind. Die Regierung hatte den Aktienmarkt über Zeitungen und Fernsehkanäle hochgejubelt und war damit maßgeblich am Aufblähen der Blase beteiligt. Am Ende könnte der Crash bis zu 3,5 Billionen Dollar ausgelöscht haben.

Die chinesische Regierung ergriff weitreichende Maßnahmen, um die Folgen des Börsencrashs einzudämmen. Der Handel von etwa 40 Prozent der börsennotierten Firmen wurde ausgesetzt und alle Börsengänge in China auf Eis gelegt. Über Stützungskäufe versuchten die Behörden den Markt zu stabilisieren – mit geringem Erfolg. Auch die Ankündigung milliardenschwerer Konjungturpakete konnte die Anleger nicht beruhigen. Schließlich verabschiedeten die Behörden drakonische Gesetze, um weitere Panikverkäufe zu verhindern. Anleger müssen ihre Anteile nun ein halbes Jahr halten, wenn sie mehr als fünf Prozent der Aktien eines Unternehmens besitzen. Zudem kündigten die Behörden an, entschieden gegen „böswillige Leerverkäufe, Markmanipulation und die Verbreitung von Gerüchten“ vorzugehen.

Neben Leerverkäufen haben es die Behörden auch auf die Praktik des „Spoofing“ (Englisch: „Vortäuschung“) abgesehen. Dabei täuscht ein Händler Interesse an einer Aktie vor, indem er eine Kauf- oder Verkaufs-Order platziert und wenig später wieder storniert. Er erzeugt so die Illusion einer Nachfrage, um eine entstprechende Preisbewegung auszulösen. Wenn die übrigen Marktteilnehmer den Preis durch ihr Verhalten dann beeinflusst haben, kauft oder verkauft der „Spoofer“ zum neuen Preis und erzielt dadurch seinen Profit. Die Behörden vermuten hinter 24 Accounts der Börsen in Shanghai und Shenzhen solche „Spoofer“, wie Bloomberg berichtet.

„Die Öffentlichkeit ist nicht glücklich über den Kurseinbruch, deshalb müssen die Behörden als Antwort darauf einige Maßnahmen ergreifen. Das ist ein Teil des Plans der Regierung, um den Markt zu stützen. Ob das wirkungsvoll ist, wird sich zeigen“, sagte Zhang Haidong, Analyst bei Jinkuang Investment Management in Shanghai, gegenüber Bloomberg.

Während „Spoofing“ zum Preiseinbruch beigetragen haben könnte, sehen Aktienhändler einen anderen Hauptgrund für den Kursturz. Investoren, die zuvor Aktien mit geliehenem Geld gekauft haben, hätten sich schlagartig aus dem Markt zurückgezogen und so den Sturz der Kurse ausgelöst. Grund ist die Nachschuss-Pflicht bei Wertpapiergeschäften mit Fremdkapital. Die Kennzahl für Aktienkäufe auf Kredit – Margin Debt – fiel seit Ausbruch der Börsenturbulenzen um 40 Prozent. Für Michael Evry Chef der Research-Abteilung der Rabobank in Hongkong lenken die Anschuldigungen der Börsenaufsicht nur davon ab, dass chinesische Aktien um ein vielfaches überteuert sind und der Markt nun die überfällige Korrektur durchlebe. Die durchschnittliche Aktie auf dem chinesischen Festland werde zum 66-fachen des Gewinns pro Aktie gehandelt. An keinem anderen Aktien-Index der Welt seien Wertpapiere so teuer, sagte Evry gegenüber Bloomberg.

„Spoofing funktioniert in beide Richtungen, es ist also interessant, dass es nur ein Problem darstellt, wenn es die Aktienpreise zum Fallen bringt. Ich denke, dies ändert nichts an der fundamentalen Dynamik, dass die Kurs-Gewinn-Verhältnisse unrealistisch hoch sind und dies in einer sich abkühlenden Wirtschaft, in der es Sorgen um Profite gibt“, so Evry.


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