Politik

Merkel schwenkt ein: Ohne Russland kann es keine Lösung für Syrien geben

Lesezeit: 2 min
12.09.2015 21:24
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat am Samstag den Kurs ihres Außenministers bestätigt: Merkel sagte, dass eine Lösung des Syrien-Konflikts nur gemeinsam mit den Russen möglich sei. Merkels neue Linie könnte auch mit aktuellen UN-Prognosen zusammenhängen: Demnach könnte bis zum Jahresende eine weitere Million Syrer vertrieben werden.
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Die Bundesregierung setzt bei den Bemühungen um ein Ende des syrischen Bürgerkriegs nun überraschend massiv auf eine Beteiligung Russlands. Um den Konflikt beizulegen und den Kampf gegen die Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) zum Erfolg zu führen, "brauchen wir sowohl die Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten von Amerika, aber auch die Zusammenarbeit mit Russland, sonst wird es keine Lösung geben", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Samstag in Berlin. "Auch dafür setzt sich Deutschland sein", betonte sie. Erstmals erwähnte Merkel im Zusammenhang mit den Flüchtlingen den Krieg, den es zu beenden gelte: "Wir müssen die Ursachen von Krieg (...) beseitigen", sagte Merkel am Samstag in Berlin bei einem Kongress der CDU.

Zuvor hatten bereits Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, Horst Seehofer und Ursula von der Leyden gefordert, Russland bei einer Syrien-Lösung einzubeziehen.

In der EU unterstützen Österreich und Spanien offiziell die russische Position und halten es für sinnvoll, Assad in einer Art Übergangsregelung nicht, wie von den USA geplant, zu stürzen.

Die USA lavieren in der Frage: Die Falken der Neocons wollen unter keinen Umständen mit Russland kooperieren. Die Obama-Administration dagegen will, wie in der Ukraine, eine Eskalation vermeiden.

US-Präsident Barack Obama hatte bei seinem ersten Versuch einer direkten militärischen Intervention in Syrien eine empfindliche Niederlage erlitten: Die eigenen Generäle verweigerten im den Gehorsam, weil ihnen nicht klar war, wie die US-Armee aus einem Krieg in Syrien sinnvoll wieder aussteigen hätte können.

Am Abend wollte Außenminister Frank-Walter Steinmeier in Berlin mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow zusammentreffen. Im Zentrum der Beratungen stand der Ukraine-Konflikt. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes sollte die Entwicklung in Syrien aber ebenfalls Thema sein.

Russland hatte am Freitag die USA zu einer Militärkooperation aufgerufen, um "unbeabsichtigte Zwischenfälle" zu vermeiden. Zuvor hatten die USA die Russen ihrerseits gewarnt, unbeabsichtigte Zwischenfälle zu vermeiden. Steinmeier rief zu einem gemeinsamen Vorgehen auf: "Es darf nicht mehr sein, dass jeder auf eigene Faust in Syrien herumfuhrwerkt", sagte er. In einem Beitrag für die "New York Times" forderte er zudem den Aufbau einer Kontaktgruppe für Syrien, an der dann auch Staaten der Region wie der Iran eingebunden sein müssten. Der Iran ist neben Russland Hauptunterstützer der syrischen Regierung und gilt auch als Schutzpatron radikaler Gruppen der Region wie Hamas und Hisbollah.

Hintergrund ist das verstärkte russische militärische Engagement in Syrien. Ob die Russen am Ende Präsiden Baschar al-Assad unterstützen werden, ist unklar. Moskau hatte in den vergangenen Wochen intensive Gespräche mit Vertretern der syrischen Opposition geführt. Einen "regime change", wie von den USA ausgerufen und von der EU lange unterstützt, lehnen die Russen jedoch ab. Zuletzt hatten sich Österreich und Spanien der russischen Position angeschlossen und mitgeteilt, dass sie einen Frieden in Syrien nur unter Mitwirkung von Assad für realistisch halten.

Frankreich und Großbritannien wollen ihre Luftangriffe auf IS-Stellungen in Syrien ausweiten. Die Russen haben die unter Führung der US-Armee laufende Militäroperation für gescheitert und sich bereit erklärt, sich am Kampf auch militärisch zu beteiligen.

Die USA hatten sich in den vergangenen Tagen mehrfach besorgt über die wachsende Militärpräsenz Russlands in Syrien geäußert. Die russische Marine begann am Freitag vor der syrischen Küste, wo das Land eine Militärbasis unterhält, ein Militärmanöver. Am Samstag trafen nach syrischen Angaben zwei russische Transportflugzeuge in Syrien ein, die 80 Tonnen Hilfsgüter an Bord hatten.

Der UN-Hilfskoordinator Jakub al-Hillo warnte im Reuters-Interview, dass durch den anhaltenden Bürgerkrieg in Syrien bis Jahresende eine weitere Million Menschen zu Flüchtlingen würden. "Wenn nicht etwas Großes geschieht, um den Konflikt politisch zu lösen, wird der Zug der Menschen aus Syrien heraus noch viele Monate lang anhalten", sagte er. Allein seit Jahresanfang hätten eine Million Syrer ihre Häuser verlassen. Seit Beginn des Bürgerkrieges 2011 wurden eine Viertelmillion Menschen getötet. Die Hälfte aller Syrer verließ ihre Häuser, vier Millionen Menschen flohen ins Ausland, 7,6 Millionen sind innerhalb Syriens auf der Flucht. Der größte Teil der Syrer, die sich im Land aufhalten, befinde sich in den Gebieten im Westen, die von der Regierung gehalten werden.

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