Politik

Flüchtlinge: EU hat keine Lösung, Merkel lehnt Obergrenzen ab

Lesezeit: 2 min
26.10.2015 12:52
Der EU-Gipfel zur Flüchtlingskrise war ein Flop. Die betroffenen Staaten sind restlos überfordert, die Nerven liegen blank. Es ist zu erwarten, dass alle versuchen werden, so viele Flüchtlinge als möglich nach Deutschland zu schicken. Denn Angela Merkel lässt weiter verkünden, dass es keine Obergrenze gäbe.
Flüchtlinge: EU hat keine Lösung, Merkel lehnt Obergrenzen ab

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Der Brüsseler Flüchtlingsgipfel wird von der deutschen Bundesregierung als Flop interpretiert: Entwicklungshilfeminister Gerd Müller warnte am Montag im Südwestrundfunk, die entlang der Balkanroute geplanten 100.000 Aufnahmeplätze für Flüchtlinge dürften nicht nur auf dem Papier stehen. Die Koordinierung müsse jetzt am besten EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker selbst in die Hand nehmen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete die Beratungen der Regierungschefs als wichtigen Zwischenschritt zur Lösung der Flüchtlingskrise. Kanzleramtsminister Peter Altmaier wertete die nächtlichen Beschlüsse des Sondergipfels lediglich als ersten Schritt, um die mit der hohen Zuwanderungszahl verbundenen Probleme zu lösen.

Dennoch bleibt Merkel bei ihrer generellen Linie, die Grenzen trotz der ungelösten Probleme offenzuhalten: Altmaier lehnt eine Obergrenze zur Verminderung des Flüchtlingszustroms in Deutschland weiter ab. „Das haben wir immer gesagt, das ist richtig“, sagte er dem ZDF am Montag. Dennoch müsse man die praktischen Probleme lösen, die mit der hohen Zuwandererzahl nach Europa verbunden seien.

Doch angesichts der chaotischen Lage in den meisten europäischen Ländern hat diese Aussage nur deklaratorischen Charakter. Sie wird allerdings dazu führen, dass alle andere europäischen Staaten weiter ihre Flüchtlinge nach Deutschland schicken.

An dem Treffen nahmen die Regierungschefs von zehn EU-Staaten und drei Nicht-EU-Ländern des Westbalkans, die EU-Kommission sowie das Flüchtlingshilfswerk UNHCR teil. Von den 100.000 Plätzen für ankommende Flüchtlinge sollen 50.000 in Griechenland entstehen. Müller warnte davor, dass dem Vorhaben das gleiche Schicksal drohen könnte wie dem Beschluss zur Verteilung von 120.000 Flüchtlingen auf die EU-Staaten. Realität ist, dass davon bis heute erst 900 verteilt seien.

Slowenien soll binnen einer Woche 400 Grenzschutzbeamte aus anderen EU-Staaten erhalten. Das Land sieht sich mit einem Ansturm von Flüchtlingen konfrontiert, seit Ungarn seine eigenen Grenzen für Migranten abgeriegelt hat. Sloweniens Ministerpräsident Miro Cerar hat vor einem Auseinanderbrechen der EU gewarnt.

Die Teilnehmer des Spitzentreffens verpflichteten sich zudem darauf, die Politik des Durchwinkens von Flüchtlingen zu beenden: Das ist allerdings eine rein theoretische Verpflichtung, weil sie von niemandem kontrolliert werden kann. In Salzburg hat die Polizei am Samstag 1.000 Flüchtlinge nach Deutschland geleitet, angeblich, um eine Panik zu verhindern. Am nächsten Tag erklärte Salzburg, dass das bisherige Transit-Quartier am Hauptbahnhof nicht winterfest sei und daher nicht mehr wie gewohnt genutzt werden könne. Zuvor hatten Land und Bund über die Räumung gestritten. Es ist unklar, wer sie veranlasst hat.

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras sicherte zu, bis Jahresende fünf Erstaufnahmezentren (Hotspots) fertigzustellen. Wenn man an die bisherigen Zusage Griechenlands in der Euro-Krise denkt, ist es nicht auszuschließen, dass es hier zu Verzögerungen kommen könnte. Zudem will die EU die Abschiebung von Menschen aus Afghanistan, Pakistan und anderen asiatischen Ländern forcieren.

Nach Ansicht des CDU-Innenpolitikers Wolfgang Bosbach war die Sitzung auf europäischer Ebene nur bedingt erfolgreich. Es müsse eine grundsätzliche Entscheidung getroffen werden: „Wenden wir unser geltendes Asylrecht konsequent an, ja oder nein.“ Indirekt warf er CDU-Chefin Merkel vor, vom geltenden Recht abgewichen zu sein. Kritik kam auch von Unions-Fraktionsvize Hans-Peter Friedrich. Es müsse jetzt in die Herkunftsländer das Signal gesendet werden, „dass diejenigen, die kein Recht haben, hierherzukommen, sichtbar und rasch abgeschoben werden“. Dies sei schon längst fällig, sagte der CSU-Politiker im Deutschlandfunk. „Die Kanzlerin muss jetzt handeln. Dafür ist sie Regierungschefin.“ Der Zustrom müsse „gebremst oder am besten gestoppt werden“. Dies fordern auch die deutschen Sicherheitsdienste mit einiger Vehemenz.

In der Union wird Merkel wegen ihrer Haltung mittlerweile offen kritisiert: CSU-Mann Hans-Peter Friedrich stellte sich zugleich hinter Äußerungen von CSU-Chef Horst Seehofer, wonach ohne Handeln die Existenz der CDU und so auch der CSU gefährdet sei. „Ich sehe die dringende Notwendigkeit, dass in der CDU Meinungsbildungsprozesse, die in der Basis stattfinden, auch ankommen in der Spitze“, sagte der frühere Innenminister.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Politik
Politik Festnahmen in Bayern: mutmaßliche Agenten mit Russlandverbindungen
18.04.2024

Die zwei Männer sollen für einen russischen Geheimdienst spioniert haben. Einer der beiden soll sich auch zur Durchführung von...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Fachkräftemangel bedroht Mittelstand mehr als teure Energie
18.04.2024

Ein Mangel an geeignetem Personal ist für viele Firmen in Deutschland Alltag. Im Mittelstand ist der Fachkräftemangel laut einer neuen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Mercedes trotzt dem Trend: Jetzt soll sogar ein Maybach-Van die Besserverdiener locken
18.04.2024

Das Interesse an Elektro-Fahrzeugen in Deutschland ist verhalten. Während VW und Tesla das bei den Zulassungszahlen bemerken, nutzen die...

DWN
Politik
Politik Warum Kürzungen in der Flüchtlingspolitik nicht hilfreich sind
18.04.2024

Immer mehr Politiker und Wirtschaftsexperten fordern eine Neuanpassung der Asylpolitik. Aktuell finden kontroverse Maßnahmen wie...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Iran-Israel-Konflikt: Führt das Krisentreffen in Israel mit Baerbock und Cameron zur Deeskalation?
17.04.2024

Bei Gesprächen mit israelischen Politikern bemühen sich Annalena Baerbock und David Cameron, einen möglichen Vergeltungsschlag gegen den...

DWN
Politik
Politik Günstlingswirtschaft und Gefälligkeiten: Stephan Weil in Niedersachsen am Pranger
17.04.2024

In Berlin steht Kai Wegner (CDU) unter Verdacht, seine Geliebte mit einem Senatorenposten bedacht zu haben. Ursula von der Leyen (CDU)...

DWN
Technologie
Technologie Fluch oder Segen? – Was man aus Müll alles machen kann
17.04.2024

Die Welt ist voller Müll. In den Ländern des globalen Südens gibt es teilweise so viel davon, dass Menschen auf Abfallbergen ihr Dasein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Insolvenzrekorde im März: Nachwehen der Coronahilfen
17.04.2024

Deutsche Unternehmen klagen aktuell viel über die Umstände – und die Unternehmensinsolvenzen sind auch auf Rekordniveau. Ein Grund...