Der Abschuss eines russischen Kampfflugzeuges durch das Nato-Mitglied Türkei hat an den Ölmärkten am Dienstag Spekulationen Vorschub geleistet. Versogungsengpässe können allerdings nicht das Problem sein, weil alle Lager randvoll sind. Viele Käufer haben die niedrigen Ölpreise genutzt, um sich einzudecken. Eher dürfte die Sorge eine Rolle spielen, dass die Lage außer Kontrolle geraten könnte.
Nordseeöl der Sorte Brent verteuerte sich in der Spitze um 3,7 Prozent auf 46,50 Dollar je Barrel (159 Liter). US-Leichtöl WTI kostete mit 43,46 Dollar 4,1 Prozent mehr. "Die Nachricht vom Abschuss hat die Anleger an die immer noch beträchtlichen Risiken im Nahen Osten erinnert", erklärte Rohstoff-Analyst Bjarne Schieldrop von der SEB in Oslo. Schon am Morgen hatten Anleger angesichts von Aussagen Saudi-Arabiens zur künftigen Politik auf ein schrumpfendes Überangebot gewettet.
Die Nato berief noch für Dienstag eine Sondersitzung der Botschafter ein. Die Türkei sollte dabei die Partner über den Abschuss informieren. Der russische Präsident Wladimir Putin warf der Türkei vor, mit dem Abschuss Russland in den Rücken gefallen zu sein. Das Flugzeug sei nicht über türkischem Hoheitsgebiet abgeschossen worden.
Den Preisanstieg am Morgen schon vor Bekanntwerden des Zwischenfalls an der türkisch-syrischen Grenze hatten Händler vor allem mit Aussagen Saudi-Arabiens begründet, nun doch mit Opec- und Nicht-Opec-Staaten zusammenarbeiten zu wollen, um die Ölpreise zu stabilisieren. Darauf zu handeln, sei verfrüht, schrieben die Analysten der Commerzbank: "Die Aussage Saudi-Arabiens stellt das offizielle Mantra dar und ist keine neue Nachricht."
Der Schieferölboom in den USA hatte den Ölpreis schon im vorigen Jahr belastet. Anders als in früheren Jahren hat die Opec unter Führung von Saudi-Arabien bislang aber nicht mit einer Förderkürzung gegengesteuert. Im Gegenteil: Das Königreich pumpt derzeit so viel Rohöl aus dem Boden wie nie zuvor. Gleichzeitig gewährt es Kunden hohe Rabatte, um seinen Marktanteil zu verteidigen. Dabei setzen die Saudis darauf, dass der fallende Ölpreis die Förderung für viele Konkurrenten unrentabel macht.
Börsianer schauten mit Spannung auf das Opec-Treffen am 4. Dezember. Zudem standen nach wie vor die Lagerdaten aus den USA im Fokus, die am Mittwoch wieder auf den Terminkalendern stehen. Händler in London verwiesen zudem auf das lange Thanksgiving-Wochenende in den USA. Einige Anleger stellten ihre Positionen glatt, was die Preise stark schwanken lasse. Derzeit notiert Brent nahe am Jahrestief von 42,23 Dollar, das der Kontrakt am 24. August markiert hatte. Von dem Anfang Mai erreichten Jahreshoch von 68,40 Dollar ist er noch weit entfernt.