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Studie: Deutsche Jugendliche zeigen wenig Leidenschaft für die EU

Lesezeit: 2 min
19.11.2016 01:47
Für eine überraschend hohe Zahl an Jugendlichen ist Europa nur der Name eines Kontinents.
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In zahlreichen europäischen Staaten sind laut dpa nationale und antieuropäische Tendenzen deutlich spürbar. So bewerteten in Österreich 21 Prozent und in den Niederlanden 19 Prozent den steigenden Nationalismus in Europa als positiv.

Auch bei den jungen Deutschen gibt es einer aktuellen Studie zufolge keine große Leidenschaft für die EU. Nur 26 Prozent sehen darin das einzig wahre Projekt für Europa. Dagegen sagten 36 Prozent, Europa sei in erster Linie ein notwendiges Konstrukt.

Für 18 Prozent ist Europa sogar nicht mehr als nur der Name eines Kontinents. Jeweils neun Prozent betrachten Europa als historische Illusion oder als ein System der Herrschaft.

Die jungen Menschen in Deutschland machen sich zum klar überwiegenden Teil Sorgen über einen zunehmenden Nationalismus in Europa. Weitgehend unabhängig von Alter, Geschlecht und Bildung nehmen 75 Prozent der 18- bis 34-Jährigen solch einen Nationalismus wahr und bewerten diesen negativ, wie die europaweite Studie "Generation What?", deren deutschen Abschlussbericht der Bayerische Rundfunk am Mittwoch vorstellte, ergab.

Demnach können nur zwölf Prozent keine entsprechenden Tendenzen erkennen. Ebenfalls zwölf Prozent und damit mehr als jeder neunte junge Deutsche beobachtet aber nicht nur solch einen steigenden Nationalismus, sondern findet ihn auch positiv.

Unter den Befürwortern des Primats der Nation vor der Union ist der Anteil bei den jungen Männern doppelt so hoch wie bei den Frauen (16 Prozent gegenüber acht Prozent). Bei den Niedriggebildeten ist er doppelt so hoch wie bei den Hochgebildeten (14 Prozent gegenüber sieben Prozent).

Der Grund für die EU-Skepsis dürfte auch darin liegen, dass das EU-Spitzenpersonal bei den Jugendlichen keine besondere Rolle spielt. Dies hängt auch damit zusammen, dass Politiker EU-Jobs oft nicht als Berufung, sondern als Sprungbrett verstehen oder mit Jobs versorgt werden.

Jüngstes Bespiel: Im Machtkampf um Brüsseler Spitzenposten soll EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker seine eigene Zukunft daran gekoppelt haben, dass EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) sein Amt behalten darf. Andernfalls «kann ich für meine Zukunft als Kommissionspräsident nicht mehr garantieren», zitierte das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» am Freitag eine Äußerung, die Juncker im kleinen Kreis gemacht haben soll.

Zurzeit wird über einen Wechsel des SPD-Politikers nach Berlin spekuliert. Schulz ist laut Medienberichten sowohl als Nachfolger von Außenminister Frank-Walter Steinmeier als auch als möglicher SPD-Kanzlerkandidat anstelle von Parteichef Sigmar Gabriel im Gespräch.

Eine Sprecherin Junckers erklärte zum «Spiegel»-Bericht auf Anfrage: «Wir kommentieren Leaks nicht, da sie immer eine selektive, einseitige und daher stets falsche Sicht der Realität wiedergeben.» Der Christdemokrat Juncker hat sich auch öffentlich dafür ausgesprochen, dass Schulz im Januar erneut zum Parlamentspräsidenten bestimmt wird. Damit stellt sich Juncker gegen sein eigenes politisches Lager, die Christdemokraten der EVP-Fraktion, die das Spitzenamt im Parlament selbst besetzen wollen.

Sollte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Sonntag bekanntgeben, dass sie sich um eine vierte Kanzlerkandidatur bewirbt, müsste auch die SPD bald Farbe bekennen und sagen, mit welchem Spitzenkandidaten sie in den Bundestagswahlkampf ziehen will. Der österreichische EVP-Abgeordnete Othmar Karas sagte dem «Spiegel»: «Ich erwarte von Herrn Schulz, dass er sich erklärt: Tritt er als Präsident des Europaparlaments noch mal an?»

Das Geschacher in Brüssel erklärt sich aus einer recht verworrenen Vorgeschichte. Zu Beginn der Legislaturperiode 2014 vereinbarten die EVP als größte Fraktion und die Sozialdemokraten als Nummer zwei im EU-Parlament eine Art große Koalition und eine Ämterrotation: Der schon seit 2012 amtierende Schulz sollte dem Parlament bis 2017 vorstehen und dann für einen Christdemokraten Platz machen. Darauf pocht die EVP nun.

Die Sozialdemokraten halten dagegen, mit Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk besetzten die Christdemokraten bereits zwei andere zentrale EU-Posten. Drei auf einmal seien zu viel. Sollte auch der Parlamentschef von den Christdemokraten gestellt werden, könnten die Sozialdemokraten möglicherweise eines der beiden anderen Spitzenämter, das von Juncker oder Tusk, reklamieren.

Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Knut Fleckenstein drohte vor wenigen Tagen damit, die Zusammenarbeit mit Juncker und den Christdemokraten aufzukündigen. Wenn Juncker weiter die Unterstützung der Sozialdemokraten haben wolle, hätten die Christdemokraten «keine andere Möglichkeit», als einer Wiederwahl von Schulz zuzustimmen, sagte Fleckenstein.


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