Finanzen

Italien: Europas Börsen sehen Renzi-Scheitern völlig entspannt

Lesezeit: 2 min
05.12.2016 16:34
Die Börsen in Europa haben auf das Scheitern des Referendums in Italien keinerlei negative Reaktion gezeigt. Nur italienische Bank-Aktien gerieten unter Druck. Doch deren Probleme sind hausgemacht und altbekannt.
Italien: Europas Börsen sehen Renzi-Scheitern völlig entspannt

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Hakan Ersen und Andrea Lentz von Reuters analysieren:

Das befürchtete Börsenbeben nach dem gescheiterten Verfassungsreferendum in Italien ist am Montag ausgeblieben: Nicht einmal der angekündigte Rücktritt von Ministerpräsident Matteo Renzi brachte die europäischen Aktienmärkte aus dem Tritt - im Gegenteil, sie legten sogar zu. "Es zeigt sich einmal mehr: Die Investoren ziehen die Gewissheit eines ungewünschten Ausgangs gegenüber der Unsicherheit vor der Wahl vor", sagte Portfolio-Manager Thomas Altmann vom Vermögensberater QC Partners. Auch an der Wall Street dürfte die Entscheidung der Italiener kaum Spuren hinterlassen.

Der Dax lag am Nachmittag mit 10.641 Punkten 1,2 Prozent höher, der EuroStoxx50 stieg um 0,8 Prozent. Die Mailänder Börse brach zwar zeitweilig um über zwei Prozent ein, halbierte bis zum Nachmittag aber die Verluste. "Viele Investoren hatten auf fallende Kurse gewettet und müssen sich nun wieder mit Aktien eindecken", sagte ein Börsianer.

Der Euro, der im asiatischen Handel zeitweise auf ein 20-Monats-Tief von 1,0508 Dollar gefallen war, verteuerte sich zeitweise auf mehr als 1,07 Dollar und war damit so hoch wie zuletzt Mitte November.

"Vielleicht werden wir alle zunehmend immun gegen solche 'Schocks'", sagte Paul Hatfield, Chef-Anleger des Vermögensverwalters Alcentra. Nach dem Brexit-Referendum Großbritanniens Ende Juni benötigte der Dax noch etwa vier Wochen, um seine anfänglichen Verluste wettzumachen. Bei der überraschenden Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten dauerte es nur wenige Stunden.

Die Börse setze nun auf einen anderen Italiener, sagte Jochen Stanzl, Analyst des Online-Brokers CMC Markets. "EZB-Chef Mario Draghi hat alle Gründe auf seiner Seite, geldpolitisch weiter auf dem Gas zu bleiben." Analysten gehen davon aus, dass die EZB am Donnerstag eine Verlängerung ihrer Wertpapierkäufe von derzeit 80 Milliarden Euro monatlich verkündet. "Draghi ist dafür bekannt, dass er mit geldpolitischen Maßnahmen nicht zögert, wenn Gefahr für die Euro-Zone droht", erklärten die Analysten der Helaba.

Die Italiener lehnten die von Renzi angeschobene Verfassungsreform mit überraschend deutlicher Mehrheit ab. Der Ministerpräsident kündigte an, für eine Übergangsregierung nicht zur Verfügung zu stehen. Als aussichtsreicher Kandidat für seine Nachfolge gilt Wirtschaftsminister Pier Carlo Padoan. Reguläre Parlamentswahlen stehen erst 2018 an, für die von den Reformgegnern geforderte Neuwahl müssten erst die Wahlgesetze geändert werden.

Die Nervosität an den Finanzmärkten hatte sich im Vorfeld auf den Bankensektor konzentriert. Denn die italienischen Geldhäuser sitzen auf faulen Krediten im Volumen von 360 Milliarden Euro. Um drohende Abschreibungen abzufedern, brauchen sie neues Geld. Doch die Investoren könnten wegen der politischen Instabilität knausrig sein.

Allein die HVB-Mutter Unicredit will bis zu 13 Milliarden Euro bei Investoren einsammeln. Ihre Aktien verloren an der Mailänder Börse rund sieben Prozent. Der italienische Banken-Index fiel um 4,4 Prozent. Die Titel der Banca Monte dei Paschi di Siena (BMPS), die fünf Milliarden Euro benötigt, fielen um 4,3 Prozent. "Wir denken, das Nein-Votum macht es für Monte dei Paschi schwieriger, einen Ankerinvestor zu finden", sagten die Analysten der US-Investmentbank Morgan Stanley. Die Zweifel an einer Sanierung der Bank schickte auch die nachrangigen Anleihen der Bank auf Talfahrt.

Investoren sollten zudem die Bonitätsnote Italiens nicht aus den Augen verlieren, mahnten die Analysten der Rabobank. Sollte die kanadische Rating-Agentur DBRS die Kreditwürdigkeit herabstufen, müssten italienische Geschäftsbanken mehr Sicherheiten hinterlegen, um an frisches Notenbankgeld zu kommen. DBRS bezeichnete den Ausgang des Referendums als Belastungsfaktor für das Rating. Der US-Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) zufolge hat das Votum dagegen keinen direkten Einfluss auf die Bonität. Vor diesem Hintergrund zogen sich Investoren aus italienischen Staatsanleihen zurück. Dies trieb die Rendite der zehnjährigen Titel auf rund zwei von 1,90 Prozent am Freitagabend.

An der Wall Street dürfte es mit den Kursen ebenfalls nach oben gehen. Die US-Futures signalisierten kurz vor Handelsbeginn ein Plus von etwa 0,4 Prozent. Dabei stützte allerdings der Anstieg der Ölpreise die US-Kurse, da viele Ölfirmen an der Wall Street gelistet sind.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  
Europa >

DWN
Immobilien
Immobilien Immoscout: Vorsichtige positive Signale auf dem Immobilienmarkt
19.03.2024

Stark ansteigende Kreditzinsen und Baukosten haben den Kauf eines Eigenheims für viele in den vergangenen Jahren unerschwinglich gemacht....

DWN
Finanzen
Finanzen Fundamentale Aktienanalyse - so bewertet man Wertpapiere richtig
18.03.2024

Die fundamentale Aktienanalyse ist ein unverzichtbares Instrument für jeden Investor, der Wertpapiere nicht nur verstehen, sondern auch...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Umfrage: Sehr viele Deutsche sorgen sich vor weiteren Energiepreissprüngen
18.03.2024

Die Menschen in Deutschland haben einer Umfrage zufolge Sorgen vor weiteren Energiesprüngen und allgemeinen Preissteigerungen - trotz der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Airbus-Jubiläum: 50 Jahre Linienflüge im Airbus - Boeing hat Wettkampf quasi verloren
18.03.2024

Kein Hersteller baut so gute und so viele Flugzeuge wie Airbus. Eine Erfolgsgeschichte, an die sich Frankreich und Deutschland gerade in...

DWN
Finanzen
Finanzen Bankenaufsicht: Mehrzahl der Geldinstitute kann kräftigen Gegenwind überstehen
18.03.2024

In Deutschland und Europa ist das Gros der Geldhäuser gut kapitalisiert. Die Krise an den Märkten für Büro- und Handelsimmobilien...

DWN
Technologie
Technologie Verhandelt Apple mit Google über KI-Technologie?
18.03.2024

Gibt es bald Googles KI auf Apples iPhones? Laut gut informierten Kreisen verhandelt Apple angeblich mit Google über die Integration von...

DWN
Panorama
Panorama ifo-Institut und EconPol Europe: Wirtschaftsforscher fordern mehr Energie-Zusammenarbeit in Europa
18.03.2024

Wirtschaftswissenschaftler appellieren an die EU, im Zusammenhang mit ihrer Energiepolitik aus der aktuellen Energiekrise zu lernen und mit...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Arbeiten ohne Grenzen: Was beim Homeoffice im Ausland zu beachten ist
18.03.2024

Arbeiten über Grenzen hinweg: Ein Trend, der immer beliebter wird - und große Chancen bietet, wenn Sie steuer- und...