Politik

Libyen: Neuer Stellvertreter-Krieg um Öl und Pipelines

Lesezeit: 5 min
17.01.2017 00:27
Nach Syrien droht nun in Libyen ein Stellvertreter-Krieg um Öl und Pipelines. Das Land ist gespalten zwischen Söldner-Verbänden, die von verschiedenen ausländischen Staaten in den Kampf geschickt werden.
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In Libyen gibt es derzeit fünf Organisationen, die den internen Konflikt austragen. Der „Council of Deputies“, dessen Zentrale sich in Tobruk befindet. Der Vorsitzende der Organisation ist Aguila Saleh Issa. Der militärische Arm der Gruppe wird angeführt von General Khalifa Haftar, der von Russland aktiv unterstützt wird, berichtet Bloomberg. Doch auch Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate unterstützen Haftar, berichtet der Guardian. Ihm sind etwa 17.000 bis 20.000 Soldaten und Söldner unterstellt, so das Civil-Military Fusion Centre.

Nach Angaben von Al Jazeera unterstützten auch die USA General Haftar. Der General war in Libyen über Jahre hinweg als „CIA-Posten“ aktiv, berichtet die Washington Post. Er nahm maßgeblich am Umsturz des libyschen Präsidenten Muammar al-Gaddafi teil. Nach seiner Annäherung an die Russen, distanzierten sich die Amerikaner von Haftar. Die Washington Post berichtete im August 2016: „Die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten wissen nicht mehr, was sie mit Khalifa Haftar, dem libyschen General dessen Weigerung, eine fragile Einheitsregierung zu unterstützen, die Hoffnungen auf Stabilität in einem von Konflikten geplagten Land gefährdet hat.“ Von den USA wird Haftar mittlerweile als unkalkulierbare Persönlichkeit eingestuft, während die Russen zufrieden sind mit dem libyschen General. Die USA hätten nicht die Fähigkeit, Haftar zu marginalisieren, aber auch nicht die Fähigkeit ihn in die US-Pläne nach dem Sturz Gaddafis zu integrieren. „Er war dieses freie Elektron“, so die Washington Post.

„Das Council of Deputies“ gilt zudem als Frankreich-kritisch. Als Frankreich im vergangenen Jahr direkt militärisch in den Konflikt intervenierte, kritisierte die libysche Regierung diese „Verletzung der nationalen Souveränität“, berichtet Al Jazeera. Es bildeten sich Massenproteste in Libyen, die den Abzug der Franzosen forderten. Großbritannien ist ebenfalls militärisch und politisch in dem Land aktiv. Nach Angaben von Daily Mail sollen sich offiziell etwa 1.000 britische Spezialsoldaten in Libyen befinden, die den „Council of Deputies“ unterstützen.

Das „Government of National Accord“, das weitgehend die aktuelle Regierung stellt, wird von den USA und der UN unterstützt, so der Guardian. Doch auch Italien unterstützt aktiv, also auch militärisch, die Regierung, berichtet Defense News. Der Premierminister ist Fayez al-Sarraj. Fayez al-Sarraj kam erst mit Unterstützung des Westens am 30. März 2016 nach Libyen, um al-Ghweil zu stürzen und die Regierung zu übernehmen. Seitdem hat sich die Lage in Libyen verschlechtert, da die Regierung unter al-Sarraj, die im Westen auch Einheitsregierung genannt wird, nur einen kleinen Teil des Landes unter Kontrolle hat und vom Volk nicht unterstützt wird. Doch auch beim Großteil des libyschen Parlaments findet der „pro-westliche“ al-Sarraj keine Unterstützung, berichtet Reuters in seinem englischsprachigen Dienst. Der Militärchef und Verteidigungsminister ist Oberst Al-Mahdi Al-Barghathi. Al-Barghathi ist ein politischer Verbündeter des Milizenführers Ibrahim Jadran. Jadran führt die Miliz Petroleum Facilities Guard (PFG) an und gilt als Kontrahent von General Haftar, berichtet das Carnegie Endowment for International Peace. Nach Angaben news.com.au hat die PFG etwa 27.000 Kämpfer.

Der „General National Congress“ (GNC), der seine Zentrale in Tripolis hat, und dessen Vorsitzender Chalifah al-Ghawi ist, wird von der Türkei unterstützt. Im Jahr 2015 besuchte al-Ghawi die Türkei, m sich mit dem damaligen türkischen Premier Ahmet Davutoğlu zu treffen, berichtet TRT Haber. Nach Informationen der New York Times unterstützt nicht nur die Türkei, sondern auch das Emirat Katar den GNC. Der militärische Arm des GNC ist die Organisation „Libya Dawn“, über dessen Kampfstärke keine Angaben vorliegen – weder in Türkisch, noch in Deutsch, Englisch oder Russisch. „Libya Dawn“ ist eine Allianz aus diversen Milizen und Söldnern, die hauptsächlich aus Mistrata kommen. Sie stehen ideologisch den Muslimbrüdern nahe.

Zudem gibt es den „Shura Council of Benghazi Revolutionaries“. Diese Organisation wurde im Jahr 2014 als Reaktion auf General Haftar gegründet, um diesen zu bekämpfen. Es handelt sich dabei um eine islamistische Söldner-Truppe, die aus 4.500 Mann besteht, berichtet AP.

Auch die Terror-Miliz ISIS nahm ihre Aktivitäten in Libyen erst im Jahr 2014 auf, so die CNN. Nach Angaben des Business Insiders soll die Gruppe zwischen 5.000 bis 6.000 Kämpfern in Libyen haben.

Das Besondere am libyschen Stellvertreterkrieg ist, dass die einzelnen Gruppen jeweils verschiedene staatliche Institutionen kontrollieren und sich so als Konkurrenten gegenüberstehen. Einer Analyse des privaten US-Informationsdiensts Stratfor zufolge geht es beim Stellvertreterkrieg in Libyen um die Kontrolle der Ölfelder und Pipelinerouten. Aktuell rivalisieren folgende Energiekonzerne in Libyen: ENI (Italien), Total SA (Frankreich), Repsol YPF (Spanien), Waha Oil Co. (Ein US-Joint Venture), BP (Großbritannien), ExxonMobil (USA), Statoil (Norwegen), Royal Dutch/Shell (Niederlande(Großbritannien), Gazprom (Russland), RWE (Deutschland).

Wie erbittert um die Kontrolle der Ölfelder gekämpft wird, geht aus einem Analysestück von Stratfor hervor: „Eine lose Koalition der libyschen Milizen hat einen Angriff gegen die Streitkräfte des Feldmarschalls Khalifa Haftar, die gestartet, die viele der Ölterminals in der Region des Öl-Halbmonds des Landes kontrollieren. Am 7. Dezember schlossen sich die Benghazi-Verteidigungsbrigaden von Mustafa al-Sharkasi, die eng mit dem in Tripolis ansässigen General National Congress – und Gruppen, die mit dem Verteidigungsminister des Government of National Accord, Mahdi al-Barghathi, verbündet sind, schlossen sich Ibrahim Jadrans Petroleum Facilities Guards an, um die Städte Bin Jawad und Nofaliya anzugreifen. Die Operation scheiterte jedoch, und die libysche Armee entfernte nach Berichten die Kämpfer sehr schnell aus den Städten.“

Die EU muss sich im Gegensatz zu den USA und Russland mehr Gedanken um Libyen machen, da eine neue Flüchtlings-Bewegung in Richtung Europa die Folge sein könnte. Während alle Konfliktparteien und ihre Unterstützer einen Anteil am Krieg in Libyen haben, beschränkt sich die EU mit ihrer Kritik auf General Haftar.

Nach Aussagen des maltesischen Außenministers George Vella könnte der Haftar mit seiner Armee einen neuen Flüchtlingsstrom in Richtung der EU auslösen, berichtet der EU Observer. Haftar werde von Russland unterstützt, wodurch nach Ansicht von Vella die Russen eine Mitschuld an der aufkommenden neuen Flüchtlingskrise hätten. „Haftar bewegt sich mit seiner Armee allmählich von Osten nach Westen, um sich möglicherweise mit seinen Kollegen aus dem Westen  - aus Zintane – zusammenzuschließen, um wiederum in einer Zangenbewegung auf die Regionen Bani Walid, Misrata und Tripoli vorzurücken (…) Das wäre katastrophal, denn dies würde Bürgerkriege schaffen, und mehr Flüchtlinge würden aus Libyen kommen“, so Vella. Russland habe ein strategisches Interesse daran, im zentralen Mittelmeer Fuß zu fassen, weshalb das Land Haftar finanziere. „Es ist schwer zu prognostizieren, was passieren wird. Mir ist nicht wohl dabei. Wir alle wissen, dass der Traum der Russen immer gewesen ist, Militärbasen im Mittelmeer zu errichten“, meint der maltesische Außenminister. Vergangene Woche besuchte Haftar den russischen Flugzeugträger Admiral Kuznetsov und führte ein Video-Gespräch mit dem russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu, so der EU Observer. Die russische staatliche Nachrichtenagentur Sputnik bestätigt den Besuch und fügt hinzu, dass Haftar und Schoigu über ihren gemeinsamen Kampf gegen den internationalen Terrorismus gesprochen hätten.

Doch auch ohne Haftar hätte es die EU schwer, die Situation in Libyen unter Kontrolle zu bekommen. Zuvor hatte Khalifa Ghwell von der GNC einen Putsch gegen die Regierung in Tripoli ausgeführt. Das zeigt, wie zerrissen das Land ist. „Libyen steht kurz davor, ein gescheiterter Staat zu werden“, sagt Vella. Der EU-Diplomat sagt, dass die Regierung in Tripoli und Vertreter der italienischen Regierung Gespräche zur Abwickelung eines Flüchtlingsdeals geführt hätten. Doch beide Seiten hätten sehr gegensätzliche Positionen gehabt. Allerdings könnte nicht nur in etwa der Krieg in Libyen der Auslöser einer neuen Flüchtlingsbewegung sein, sondern die Regierung selbst. Denn sie hat nur wenig Rückhalt bei der heimischen Bevölkerung. Die EU erwägt, den Aufbau von „Inhaftierungseinrichtungen“ in Libyen, berichtet die AFP. Das gehe aus einem 17-seitigen Dokument des Europäischen Auswärtigen Dienstes hervor.

Vella traf sich am Donnerstag mit dem libyschen Premier Fayez Sarraj. Am Montag sollen beim EU-Außenministertreffen in Brüssel vor allem über den Krieg in Syrien und den Nahostfriedensprozess sprechen. Ein EU-Diplomat sagte dem EU Observer: „Es wird eine Debatte über die Rolle Russlands im syrischen Konflikt geben (…) Aber keine spezifische Debatte über Russland selbst.“ Das Thema Libyen „sollte“ deshalb im Februar ausdiskutiert werden. Am Freitag sagte der US-Botschafter in der EU, Anthony Gardner, dass Russland kein Partner für den Westen sei. „Zu denken, dass Russland irgendwie versucht, unsere gemeinsame Agenda zu fördern, ist Torheit“, sagte er.

Er fügte unter Bezugnahme auf die EU- und US-Wirtschaftssanktionen hinzu, dass es „unvorstellbar und beschämend wäre, wenn wir die Abmilderung von Sanktionen gegen Russland in Erwägung ziehen würden.

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