Finanzen

Sterling steigt nach Ankündigung von Londons Bruch mit der EU

Lesezeit: 3 min
17.01.2017 14:01
Das britische Pfund profitiert von der Ankündigung Londons, einen harten Bruch mit der EU voranzutreiben. In Schottland regt sich inzwischen Widerstand gegen die Pläne.
Sterling steigt nach Ankündigung von Londons Bruch mit der EU

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Mit Erleichterung haben Anleger am Dienstag auf die Brexit-Rede der britischen Premierministerin Theresa May reagiert, berichtet Reuters. Ihre Aussagen zur EU seien weniger ablehnend ausgefallen als befürchtet, sagten Börsianer. Das Pfund Sterling beschleunigte daraufhin seinen Erholungskurs und steuerte auf den größten Tagesgewinn seit drei Jahren zu. Es verteuerte sich zweitweise um rund drei US-Cent auf 1,2347 Dollar.

Dax und EuroStoxx50 drehten vorübergehend ins Plus und notierten am Nachmittag jeweils 0,2 Prozent im Minus bei 11.536 und 3288 Punkten. Der Londoner Auswahlindex FTSE weitete sein Minus dagegen auf 0,8 Prozent aus, weil die Aufwertung des Pfund Waren britischer Firmen auf dem Weltmarkt weniger wettbewerbsfähig macht.

„Premierministerin Theresa May hat sich in ihrer Rede sehr verhandlungsbereit gezeigt“, sagte Jochen Stanzl, Analyst des Online-Brokers CMC Markets. Dies schüre bei Investoren Hoffnungen, dass Großbritannien und die Europäische Union bei den Verhandlungen über ihr künftiges Verhältnis einen tragfähigen Kompromiss fänden. Commerzbank-Analystin Esther Reichelt urteilte ähnlich. „May hat einen freundlichen Ton gegenüber der EU angeschlagen. Es hat natürlich schon geholfen, dass die kritischen Punkte wie Austritt aus Binnenmarkt und Zollunion schon vorher bekannt waren.“

May betonte unter anderem, dass ihr Land ein verlässlicher Partner der EU bleiben wolle. Sie strebe eine gleichberechtigte Partnerschaft an. Einer Teilmitgliedschaft oder eine Assoziierung erteilte sie eine Absage. Großbritannien werde zwar nicht mehr zum EU-Binnenmarkt gehören, das Königreich wolle aber größtmöglichen Zugang zur EU. Darüber hinaus wolle sie das Brexit-Abkommen dem britischen Parlament zur Abstimmung vorlegen. „Dies könnte Anleger vermuten lassen, dass der 'harte' Brexit etwas sanfter ausfallen könnte“, sagte Carlo Alberto De Casa, Chef-Marktanalyst des Brokerhauses Activtrades.

Die Briten hatten im vergangenen Juni für den Ausstieg des Vereinigten Königreichs aus der EU gestimmt und damit ein Börsenbeben ausgelöst. Die Finanzmärkte erholten sich aber schnell von dem Schock und gingen wieder zum Tagesgeschäft über.

Großbritannien wird seinem Brexit-Minister David Davis zufolge auch bei einem Nein des Parlaments zum Austritt die Europäische Union verlassen. „Das Referendum im vergangenen Jahr hat zu einer Situation geführt, in der Großbritannien die EU verlassen wird“, sagte Davis am Dienstag vor dem Parlament. Er zeigte sich zuversichtlich, dass sein Land auch nach dem Schritt weiter einen Zugang zum EU-Markt erhalten werde. „So ungefähr jedes Land, das nicht mit Sanktionen belegt wurde, hat Zugang zum Binnenmarkt.“ Die Frage sei nur, zu welchen Bedingungen. Das Vorgehen seiner Regierung stelle keine Rosinenpickerei dar. Es gehe vielmehr darum, „eine Vereinbarung zu erreichen, die zu den Zielen beider Seiten passt“.

Der von der britischen Premierministerin Theresa May ankündigte harte Bruch mit der EU wäre nach Ansicht der schottischen Regierung für das Königreich eine „wirtschaftliche Katastrophe“. Schottland habe nicht für den Kurs gestimmt, den May nun vorgegeben habe, beklagte Regierungschefin Nicola Sturgeon am Dienstag. Die Regierung in London dürfe Schottland nicht aus der EU oder den Binnenmarkt reißen, ohne dass die Schotten über eine andere Zukunft entscheiden könnten. Die Stimme Schottlands werde bisher aber nicht gehört.

Sturgeon hatte wegen des Brexit-Votums bereits ein neues Referendum zur Loslösung Schottlands vom Königreich ins Gespräch gebracht. Die Schotten hatten im vergangenen Jahr anders als Engländer und Waliser mit einer klaren Mehrheit für den Verbleib in der EU gestimmt.

Bei den deutschen Aktienwerten verhalfen Fusionsfantasien der Lufthansa zum größten Kurssprung seit drei Monaten. Die Papiere der Fluggesellschaft stiegen um bis zu 7,3 Prozent. Der italienischen Zeitung „Il Messaggero“ zufolge will der arabische Konkurrent Etihad, der Großaktionär bei Air Berlin und Alitalia ist, zunächst bis zu 40 Prozent der Lufthansa übernehmen. In einem zweiten Schritt sei dann eine vollständige Fusion möglich. Eine Sprecherin der deutschen Fluggesellschaft lehnte einen Kommentar ab. Etihad war zunächst nicht erreichbar.

In London legten Rolls-Royce in der Spitze sogar 8,1 Prozent zu. Der Anbieter von Flugzeugtriebwerken und Schiffsmotoren hatte am Montagabend für 2016 einen Gewinn über Markterwartungen in Aussicht gestellt. Analysten rechneten bislang im Schnitt mit einem operativen Ergebnis von 686 Millionen Pfund (780 Millionen Euro). Außerdem besiegelte die Firma einen Vergleich mit den USA, Großbritannien und Brasilien wegen angeblicher Bestechung gegen eine Zahlung von umgerechnet 762 Millionen Euro.

Ermutigende Geschäftszahlen der US-Bank Morgan Stanley gaben den Finanzwerten Auftrieb. Der europäische Branchenindex legte bis zu ein Prozent zu. Morgan Stanley verdoppelte dank florierender Börsengeschäfte im Zuge des Wahlsiegs von Donald Trump den Gewinn im Schlussquartal 2016 auf 1,51 Milliarden Dollar. Die Aktien des Instituts legten im vorbörslichen US-Geschäft 0,9 Prozent zu.


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Finanzen
Finanzen Feiertagszuschlag: Was Unternehmer an den Mai-Feiertagen beachten sollten
25.04.2024

Feiertagszuschläge sind ein bedeutendes Thema für Unternehmen und Arbeitnehmer gleichermaßen. Wir werfen einen genauen Blick auf die...

DWN
Finanzen
Finanzen Teurer Anlegerfehler: Wie der Blick in den Rückspiegel fehlgeht
25.04.2024

Anleger orientieren sich an den Renditen der vergangenen drei bis zehn Jahre, um Aktien oder Fonds auszuwählen. Doch laut Finanzexperten...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Kommunikation im Wandel – Was es für Unternehmen in Zukunft bedeutet
25.04.2024

In einer Ära schneller Veränderungen wird die Analyse von Trends in der Unternehmenskommunikation immer entscheidender. Die Akademische...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lieferdienste in Deutschland: Bei Flink, Wolt und anderen Lieferando-Konkurrenten geht es um alles oder nichts
25.04.2024

Getir, Lieferando, Wolt, UberEats - es fällt schwer, in deutschen Großstädten beim Angebot der Essenskuriere den Überblick zu...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Familienunternehmer in Sorge: Land verliert an Wettbewerbsfähigkeit
25.04.2024

In einer Umfrage kritisieren zahlreiche Familienunternehmer die Politik aufgrund von übermäßiger Bürokratie und Regulierung. Besonders...

DWN
Finanzen
Finanzen So wählt Warren Buffett seine Investments aus
25.04.2024

Warren Buffett, auch als „Orakel von Omaha“ bekannt, ist eine Ikone der Investment-Welt. Doch worauf basiert seine Investmentstrategie,...

DWN
Technologie
Technologie KI-Chips trotz Exportbeschränkungen: China sichert sich US-Technologie durch die Hintertür
25.04.2024

Trotz der US-Exportbeschränkungen für Hochleistungsprozessoren scheint China einen Weg gefunden zu haben, sich dennoch mit den neuesten...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Russlands Kriegswirtschaft: Putin geht das Geld nicht aus
25.04.2024

Russlands Wirtschaft wächst weiterhin, ist aber stark von der der Kriegsproduktion abhängig. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius...