Politik

Ein Riss geht durch Europa: Rumänien als Spielball zwischen Ost und West

Lesezeit: 5 min
10.02.2017 22:28
In Rumänien zeigt sich, dass wieder ein Riss durch Europa geht. Die EU-Fördergelder haben die Korruption angefacht - nun ist das Land ein Spielball der politischen und militärischen Interessen aus Ost und West.
Ein Riss geht durch Europa: Rumänien als Spielball zwischen Ost und West

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Die Massenproteste gegen die Regierung in Rumänien haben einen weiteren Minister zum Rücktritt bewegt: Justizminister Florin Iordache erklärte am Donnerstag in Bukarest seinen Amtsverzicht. Iordache begründete seinen Schritt damit, dass er die Öffentlichkeit nicht von dem unter seiner Mitwirkung entstandenen Dekret zur Lockerung der Anti-Korruptionsgesetze habe überzeugen können. Der Erlass hatte in Rumänien die größten Proteste seit dem Ende des Kommunismus ausgelöst.

Iordache verteidigte bei seiner Rücktrittsankündigung die inzwischen zurückgenommene Maßnahme. Sie sei "legal und verfassungsmäßig" gewesen. "Die öffentliche Meinung hat dies aber nicht als ausreichend erachtet, und deshalb habe ich mich entschieden, meinen Rücktritt anzubieten", erklärte der 56-jährige Politiker.

Iordache hatte das Dekret maßgeblich vorangetrieben und immer wieder gegen Kritik verteidigt. Ende Januar peitschte die Regierung es im Eilverfahren durch, am Wochenende nahm sie den Erlass dann als Reaktion auf die Proteste wieder zurück.

Am Sonntag gingen landesweit etwa 500.000 Menschen gegen die Regierung auf die Straße. Auch nach Rücknahme des Dekrets gingen die Kundgebungen weiter, die Demonstranten fordern nun den Rücktritt der gesamten Regierung.

Am Mittwoch hatte der rumänische Regierungschef Sorin Grindeanu ein Misstrauensvotum im Parlament überstanden. Vergangene Woche war bereits der Handelsminister zurückgetreten. Er hatte erklärt, er könne der Regierung wegen des Dekrets aus Gewissensgründen nicht mehr angehören. Der Erlass hätte die Ahndung von Amtsmissbrauch und Korruption in Rumänien deutlich erschwert.

Der Kampf um die Korruption hat eine nicht zu unterschätzende, außenpolitische Dimension. Sie zeigt, dass Europa immer noch gespalten ist. Der Antagonismus zwischen Russland und dem Westen war durch den Fall der Mauer und des Eisernen Vorhangs nur vorübergehend aufgehoben. heute geht es wieder um Einflusssphäre wie zu Zeiten des Kalten Krieges.

Der private US-Informationsdienst Stratfor führt in einer Analyse aus: „Auch die internationale Gegnerschaft gegen die Reform hat begonnen. Deutschland, die USA, Frankreich, die Niederlande, Belgien und Kanada haben am 1. Februar eine gemeinsame Erklärung gegen das Dekret zur Strafminderung bei Korruption veröffentlicht. Rumänien gefährde mit dem Dekret nicht nur seine Reputation, sondern auch seine EU- und NATO-Mitgliedschaft gefährdet. Die EU und die USA wollen seit Jahren, dass Rumänien mehr in den Anti-Korruptionskampf investiert, um Rumänien zum regionalen Führungsland zu machen. Sie wollen auch die Fähigkeit Russlands, rumänische Politiker und Wirtschaftsentscheider zu gewinnen, beschränken.“

In einer weiteren Analyse kommt Stratfor zu dem Schluss, dass der Westen auf die außenpolitische Entscheidungsfindung Rumäniens nur dann maßgeblichen Einfluss ausüben könne, wenn die Korruption reduziert werde. „Gleichzeitig bedeutet reduzierte Korruption, dass wichtige öffentliche Persönlichkeiten weniger wahrscheinlich bestochen, erpresst oder gezwungen werden. Das verringert die Fähigkeit einiger ausländischer Regierungen, wie Russland, über bestimmte Politiker und Wirtschaftsmachtkräfte die Kontrolle zu erringen (…) Verständlicherweise sind die Förderung der Stabilität in Rumänien und die Verringerung des russischen Einflusses die wichtigsten Ziele der USA (…) Für die EU ist auch ein stabiles Rumänien, das gegen den politischen Einfluss Russlands immun ist, eine Priorität. Wie die USA, sieht die EU Rumänien als ein sehr strategisches Nato-Mitglied.“

Eines der größten Probleme Rumäniens besteht darin, dass der EU-Beitritt mit dem Segen an Fördergeldern die Korruption erst recht zu Blühen brachte.

Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) hatte im September 2016 berichtet, dass 556 Projekte in Rumänien, die zwischen 2007 und 2013 aus EU-Mitteln finanziert wurden, unter Betrugsverdacht stehen, berichtet die Regional Anti-Corruption Initiative (RAI). OLAF arbeitete bei der diesbezüglichen Untersuchung gemeinsam mit der Direktion für Antikorruption (DNA) und der Direktion für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität und des Terrorismus (DIICOT). Die Betrugssumme beläuft sich auf etwa 231 Millionen Euro. Der Gesamtwert aller EU-Projekte in Rumänien zwischen 2007 und 2013 beläuft sich auf 1,3 Milliarden Euro.

Die DNA berichtet, dass Erzbischof Teodosie Petrescu, der Kopf der orthodoxen Kirche in Constanta in Ost-Rumänien, angeklagt wird, weil es Dokumente gefälscht haben soll, um EU-Gelder zu erhalten, berichtet der Romania Insider. Nach Informationen der DNA sollen Teodosie und fünf weitere Personen zwischen 2010 und 2016 gefälschte Dokumente bei der Agentur für Zahlungen und Intervention in der Landwirtschaft (APIA) eingereicht haben, um EU-Gelder erhalten zu können. In den Dokumenten sollen sie fälschlicherweise behauptet haben, dass die EU-Gelder auf einigen Grundstücken für die Kultivierung von Trauben genutzt werden soll, obwohl diese Kulturen nicht existieren. Darüber hinaus sollen der Erzbischof und die weiteren Verdächtigen behauptet haben, sie hätten die Agrar- und Umweltbedingungen (GAEC) eingehalten. Doch die betroffenen Grundstücke waren voller Unkraut. Nach Angaben der DANN sollen die Verdächtigen etwa 300.000 Euro aus EU-Mitteln unrechtmäßig erhalten haben.

Im Juni 2016 deckte OLAF einen Betrugsfall in Rumänien auf, bei dem 31 Personen EU-Gelder für „agrarwirtschaftliche Maschinen“ erschlichen hatten. Die Verdächtigen hatten Scheinfirmen gegründet. Das Personal bestand aus den eigenen Verwandten. Der Schaden beläuft sich nach Angaben der EU-Kommission auf 2,7 Millionen Euro.

Einer Analyse des London School of Economics (LSE) zufolge bestand die Aufgabe von Präsident Iohannis seit dem Jahr 2015 lediglich darin, die rumänische Außenpolitik in Richtung EU und USA auszurichten. Iohannis habe die rumänische Politik an die USA und die EU „ausgelagert“. Er habe regelrechtes „Outsourcing“ der rumänischen Außenpolitik betrieben. „Die nationalen Interessen Rumäniens waren gleichbedeutend damit, als Vertreter der westlichen Partnerländer des Landes zu handeln. Zum Beispiel war Präsident Iohannis ein eifriger Unterstützer von TTIP, und er folgte der harten Linie der US-amerikanischen Russland-Politik, während er der Regierung in der Ukraine und der EU-Politik gegenüber Kiew seine bedingungslose Unterstützung zusagte“, so die LSE.

Der rumänische Präsident Klaus Iohannis stand selbst kurz vor seiner Wahl zum Staatspräsidenten im Jahr 2015 unter Korruptionsverdacht. Die rumänische Direktion DNA hatte auch bereits Untersuchungen gegen Iohannis eingeleitet. Vor der DNA hatte sich die DIIC um den Fall gekümmert und ihn dann im Jahr 2008 abgegeben. Iohannis, seine Frau und drei weiteren Personen, die aus dem engen Kreis von Iohannis stammen, sollen sich in Sibiu unrechtmäßig mehrere Immobilien angeeignet haben. Bei dem Verdacht geht es um Fälschung und rechtswidrige Restitution bei mehreren Gebäuden. Das investigative rumänische Blatt Rise Project hat diesbezügliche Originaldokumente veröffentlicht, um die Vorwürfe gegen Iohannis zu untermauern.

Die Originaldokumente zur Korruptionsuntersuchung sind ebenfalls veröffentlicht worden:

Nach Angaben von Rise hat Iohannis auf eine Anfrage zu dem Fall nicht geantwortet. Während seiner gesamten Amtszeit als Präsident genießt Iohannis Immunität. Die aktuelle Generalstaatsanwältin der DNA, Laura Codruta Kövesi, wurde im Februar 2016 von Präsident Iohannis zum Generalstaatsanwalt der DNA ernannt. Damit begann sie ihre zweite Amtsperiode als Generalstaatsanwältin der DNA. Ihre erste Amtszeit führte sie von 2013 bis 2016 aus.

Ein besondere Lage im Tauziehen zwischen Ost und West spielt auch die militärische Komponente.

Auf dem Militärflugplatz Dveselu befindet sich seit dem Jahr 2015 ein US-Raketenschild der Klasse Standard Missile-3 (SM-3) des US-Rüstungskonzerns Raytheon. Das Raketenschild wurde im Mai 2016 in Betrieb genommen. Das System hat einen Wert von 800 Millionen Dollar. „Sie bewegen sich in die Schusslinie. Das sind nicht nur 100, sondern 200, 300, 1.000 Prozent gegen uns. Es geht nicht um den Iran, sondern um Russland mit seinen nuklearen Fähigkeiten“, zitiert Global Security den ehemaligen Kommandeur der russischen Schwarzmeerflotte, Admiral Wladimir Komoyedow.

Rumänien stimmte am 19. Oktober 2013 zu, dass das US-Militär den Flugplatz Mihail Kogalniceanu (MK) in der Nähe des Schwarzen Meeres als Schlüssellogistikdrehscheibe für die Versorgung von Truppen in Afghanistan nutzen darf. Der Stützpunkt liegt etwa 5 Meilen entfernt von Constanta, Rumäniens größter Hafen und zweitgrößte Stadt, so Global Security.

Das Black Sea Rotational Force (BSRF) Ist eine jährliche multilaterale Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich zwischen dem US Marine Corps und den Partnerstaaten im Schwarzen Meer, in den Balkan- und Kaukasus-Regionen, um die kollektive militärische Kapazität der Teilnehmer zu stärken, regionale Stabilität zu fördern und dauerhafte Beziehungen zu Partnerländern aufzubauen. Die fast 350 Marine Corps und U.S. Navy Mitarbeiter von BSRF operieren als Special-Purpose Marine Air-Ground Task Force, berichtet die US-Armee in Europa. Das BSRF befindet sich auf dem Stützpunkt MK. Auf dem Flugplatz MK sind weiterhin die Sustainment Task Force 16, das 780. Expeditionary Airlift Squadron der US-Luftwaffe und die rumänische Luftwaffe stationiert.

Die US-Botschaft in Bukarest berichtet weiter, dass die Militärstützpunkte Babadag, Cincu und Smardan ebenfalls von der US-Luftwaffe und dem US-Heer genutzt werden.

Rumänien dient auch der Nato als wichtiges Land, um die Präsenz des Bündnisses im Schwarzen Meer auszubauen. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte im Oktober 2016: „„Heute diskutierten wir auch über die Fortschritte bei der Stärkung der Präsenz der Nato in der Schwarzmeerregion - mit einer rumänisch geführten multinationalen Rahmenbrigade zu Land. Kanada, Deutschland, die Niederlande, Polen, die Türkei und die USA haben ihre Pläne zur Entsendung von Truppen nach Rumänien zur Stärkung der NATO-Präsenz im Schwarzmeergebiet bestätigt. Wir arbeiten an weiteren Maßnahme in der Luft und zur See. Und ich freue mich, zu bestätigen, dass mehrere Nationen ihre Bereitschaft zur Unterstützung unserer Präsenz in der Schwarzmeerregion, zu Lande, zu Wasser und in der Luft angegeben haben.“

Die Erhöhung der militärischen Kapazitäten am Schwarzen Meer begründet Stoltenberg unter anderem damit, dass Russland gegen Georgien und die Ukraine mit einer drohenden Rhetorik ausgefallen sei.

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