Politik

Syrien: Stellvertreter-Krieg verlagert sich in die Wüste

Lesezeit: 3 min
04.06.2017 01:23
Die Verlagerung der Syrien-Krieges in die Wüste birgt die Gefahr einer direkten Konfrontation zwischen den USA und der syrischen Armee.
Syrien: Stellvertreter-Krieg verlagert sich in die Wüste

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Nach einer Analyse des Washington Institute for Near East Policy (WINEP) stellen die Luftschläge gegen syrische und pro-syrische Truppen am 18. Mai 2017 einen Wendepunkt im Syrien-Konflikt dar. Die Situation an der Grenze zum Irak-Jordanien-Syrien berge nun die Gefahr einer direkten Konfrontation zwischen amerikanischen und syrischen Streitkräften.

Al-Tanf werde seit März 2016 von US-Spezialeinheiten und amerikanisch unterstützten Söldnern besetzt gehalten. Mittlerweile würden Baschar al-Assad und seine Verbündeten der Meinung sein, dass Washington in Ost-Syrien eine dauerhaftere Präsenz einrichten will, um seine lokalen Verbündeten zu stärken, Druck auf Damaskus auszuüben und das Regime daran zu hindern, in das Euphrat-Tal zurückzukehren.

Diese Sorge der Regierung von Damaskus spiegele den „regionalen Wettbewerb“ wider, wonach eine östlich-westliche „schiitische Achse“ vom Iran zum Libanon errichtet werden soll. Die USA hätten wiederum das Interesse, eine nord-südliche „sunnitische Achse“ von den Golfstaaten über Jordanien bis in die Türkei zu errichten. Die zentrale und südliche Wüstenregion (die Badia) werde deshalb eine wichtige Rolle bei der Gestaltung dieser Dynamik spielen.

Seit 2011 hat sich die syrische Militärüberwachung über die Badia allmählich auf einige wichtige Kommunikationswege, Öl- und Gasressourcen reduziert. Das Shaer-Gasfeld ist besonders wertvoll für die Stromerzeugung. Die syrische Regierung ließ die Miliz „Wüsten-Falken“ (Suqur al-Sahara) gründen, um dieses Gasfeld schützen zu lassen. Die Gruppe verfügt über 7.000 Kämpfer.

Die meisten syrischen Truppen wurden nach der Niederlage von Palmyra im Mai 2015 aus der Badia vertrieben. Derzeit befinden sich in dem Wüstengebiet Syriens fast nur noch die „Wüsten-Falken“, so WINEP. Der Großteil des Wüstengebiets stehe nicht mehr unter der Kontrolle der syrischen Regierung. Die Terror-Miliz ISIS habe einen erheblichen Vorteil in der Badia, die es noch kontrolliert. Seine Kämpfer sind in kleinen, mobilen Gruppen organisiert, die bei der Erstürmung von isolierten Garnisonen wirksam seien. Seit Jahren waren die arabischen Stämme der Badia, vor allem im Süden, der Regierung gegenüber feindlich gesinnt. Doch die Gräueltaten von ISIS haben dazu geführt, dass die Stämme sich der Regierung zuwandten. So sei es auch dem Stamm Sheitat ergangen, der sich in Deir Ezzor befindet. Tausende Mitglieder des Stammes wurden im August 2014 von ISIS massakriert.

Bis 2015 sei die syrische Armee zwangsläufig darauf ausgerichtet gewesen, die Großstädte und die Damaskus-Homs-Aleppo-Achse zu schützen, die das Rückgrat ihres Kommunikationssystems bildete. Doch die russische Intervention im September 2015 führte dazu, dass die Regierung ihr Zentrum verstärkte und ihre Aufmerksamkeit auf die Randgebiete Syriens richtete. Die Rückeroberung Palmyras sei der erste Schritt gewesen, um in die Badia zurückzukehren. Palmyra sei der Hauptstützpunkt der syrischen Regierung, um Operationen in Zentralsyrien durchzuführen.

In diesem Zusammenhang stellen die Söldner, die derzeit in Al-Tanf stationiert sind, eine Gefahr für die syrische Regierung dar. Denn diese würden versuchen, die Rückkehr der syrischen Armee in das ölreiche Wüstengebiet und in das Euphrattal zu verhindern. Die Söldner-Gruppe „Lions of the East Army“ stoße relativ schnell nach Norden und Osten vor. Bald könnte die Gruppe Sukhna, eine wichtige Oase in der Nähe von Palmyra, sowie Baktal, die Ölpipeline-Kreuzung in der Nähe von Abu Kamal, einnehmen. Das offizielle Ziel dieser Söldner-Offensiven ist es, das Territorium von ISIS zu befreien, um die Stämme am Euphrat gegen ISIS zu mobilisieren. Allerdings würden die Söldner auch die laufende syrische Armeeoffensive auf Deir Ezzor blockieren.

Die syrische Regierung sei sehr besorgt über die Expansion der Söldner gen Südsyrien. Nachdem die pro-syrischen und syrischen Truppen aufgrund der US-Luftschläge aus al-Tanf vertrieben wurden, nutzten sie drei Stützpunkte, um die Söldner anzugreifen. Die Stützpunkte würden sich in Damaskus, Palmyra und Jabal al-Druze befinden. Syrische Truppen würden sich mittlerweile sehr rasch entlang der Grenze zu Jordanien zusammenziehen, um Söldner-Verbände einkreisen zu können. Mittlerweile habe die syrische Armee den östlichen Qalamoun-Bereich zwischen Palmyra und Damaskus umzingelt, um sowohl ISIS-Kämpfer als auch Söldner zum Rückzug zu zwingen. Al-Busairi, die Kreuzung für zwei Hauptrouten – Palmyra nach Damaskus und al-Qaryatain nach al-Tanf – war das Hauptziel dieser Offensive. Die syrische Armee befreite dieses Gebiet am 25. Mai 2017.

Die syrische Armee wollte an dieser Kreuzung vor allem die wichtigen Wasser-Ressourcen zurückerobern – beispielsweise das Wasserreservoir al-Zalaf, führt WINEP aus. Die Präsenz der syrischen Armee an der Grenze zu Jordanien unterstreiche den Wunsch von Damaskus, in die Badia zurückzukehren und die militärische Kapazität der Söldner in al-Tanf zu neutralisieren.

Die südliche Grenze Syriens habe sich zu einem Hauptkonflikt-Gebiet entwickelt. Von al-Tanf bis in das Sindschar-Gebirge würden sich zahlreiche bewaffnete „Stellvertreter“-Gruppen tummeln, die im Namen ihrer „Sponsoren“ das Gebiet unter ihre Kontrolle bringen sollen. Das neue Schlachtfeld nach dem Sieg über ISIS werde vorbereitet. Jenes Schlachtfeld werde sich entlang der schiitischen Ost-West-Achse und der sunnitischen Nord-Süd-Achse abspielen, meint WINEP. Doch die eigentlich große Gefahr bestehe darin, dass die USA und Russland über ihre Stellvertreter im Syrien-Konflikt in eine Konfrontation in der syrischen Wüste gezogen werden.

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