Das Stahlwerk des österreichischen Produzenten Voestalpine in der Steiermark gilt als Beispiel dafür, wie in Zukunft in Europa Stahl hergestellt werden wird. Das Werk im Örtchen Donawitz produziert im Jahr rund eine halbe Million Tonnen Stahldraht mit nur 14 Mitarbeitern, berichtet Bloomberg.
Überwacht wird der Produktionsprozess an einer 700 Meter langen Produktionsstraße von nur 3 Mitarbeitern, die hauptsächlich damit beschäftigt sind, Parameter des vollautomatisierten Betriebes wie Druck oder Temperatur zu überwachen und bei Bedarf einzuschreiten. Die Effizienz des Werkes ist erstaunlich – in einem in den 1960er Jahren gebauten Stahlwerk wären etwa 1000 Mitarbeiter nötig, um eine halbe Million Tonnen Stahl im Jahr herzustellen. Die Gänge neben den Produktionsanlagen sind verwaist, niemand arbeitet dort mehr.
Zu bedenken ist allerdings, dass andere Mitarbeiter von Voestalpine in einem nahegelegenen Schmelzofen den Rohstahl herstellen, der im Werk automatisch zu Stahldrähten unterschiedlicher Größe geformt wird. Andere betreiben das werkinterne Eisenbahnsystem oder kümmern sich um die Logistik. Insgesamt arbeiten so rund 300 Mitarbeiter am Standort Donawitz – aber nur 14 davon in der eigentlichen Herstellung.
Voestalpine reagierte mit der weitgehend automatisierten Produktion auf die Tatsache, dass man mit den niedrigen Arbeitskosten bei Anbietern aus Asien und den daraus folgenden tieferen Stahlpreisen nicht mehr mithalten konnte. Nur weil das Unternehmen in Donawitz das Nischenprodukt Stahldraht mit einem hohen Automatisierungsgrad fertigt, ist es profitabel, sagt der Vorstandsvorsitzende Wolfgang Eder.
Die Auswirkungen auf die Anzahl der Arbeitsplätze sind freilich gravierend. „Wir dürfen in Zukunft nicht mehr damit rechnen, dass die Stahlbranche viele Arbeitsplätze hervorbringen wird. Auf lange Sicht werden wir die meisten der klassischen Stahlarbeiter verlieren, diejenigen Leute also, die die schwere Arbeit an den Schmelzöfen und Stahlpressen verrichten. Das wird alles automatisiert werden.“ Was in Zukunft wichtig werde seien wenige, aber dafür gut ausgebildete und spezialisierte Mitarbeiter.
Die Stahlbranche befindet sich in der gesamten westlichen Welt in der Defensive. Zahlreiche chinesische Hersteller und riesige Konzerne wie ArcelorMittal oder Nippon Steel haben den Weltmarkt mit günstigen Produkten geflutet. Die EU führte auf Druck der europäischen Unternehmen bereits mehrere Strafzölle gegen chinesische Fabrikate ein. Zwischen 2008 und 2015 gingen in der europäischen Stahlbranche rund 84.000 Arbeitsplätze verloren – etwa 20 Prozent des Gesamtbestandes. Die Regierungen Frankreichs und Großbritanniens haben mehrfach darüber nachgedacht, Stahlfirmen zu verstaatlichen, um die Arbeitsplätze zu schützen und damit faktisch zu subventionieren. US-Präsident Donald Trump hat die amerikanische Industrie wiederholt als Quelle des Reichtums des Landes bezeichnet und eine protektionistische Handelspolitik zu ihrem Schutz eingeleitet. „Wie wird die Stahlproduktion der Zukunft ausschauen?“, fragt Eder. „Das gute ist, dass diejenigen Arbeitsplätze, die übrigbleiben, sehr attraktiv sein werden.“