Politik

US-Raketen für das Schwarze Meer: Rumänien kauft Patriot-System

Lesezeit: 5 min
16.07.2017 21:06
Rumänien, das zweitärmste Land der EU, kauft in einem Milliarden-Deal US-Raketen zur Stationierung am Schwarzen Meer.
US-Raketen für das Schwarze Meer: Rumänien kauft Patriot-System

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Das US-Außenministerium hat grünes Licht für den Verkauf von Flugabwehrsystemen an Rumänien gegeben. Mit den Patriot-Raketen werde das Land seine Fähigkeit stärken, sich "gegen Aggressionen zu verteidigen", erklärte das State Department am Dienstag laut AFP. Das Geschäft hat ein Volumen von 3,9 Milliarden Dollar (3,4 Milliarden Euro). Der US-Kongress muss dem Verkauf noch zustimmen.

Rumänien spielt seit einiger Zeit eine immer wichtigere Rolle in der Gesamtstrategie des Pentagon und der Nato, was sich auch durch die aktive Teilnahme an Militärübungen zeigt.

Eine Sprecherin des Pentagon (CENTCOM) sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten:

„Kontinuierliche Übungen und Interaktionen zwischen partnerschaftlichen Kräften wie Rumänien und den USA ermöglichen es uns, als Team zusammenzuarbeiten, um Sicherheitsbedrohungen zu lösen und es allen Teilnehmern zu ermöglichen, einen Beitrag für die internationalen Koalitionen zu leisten. Die Teilnahme an multinationalen Übungen wie Saber Guardian verstärkt unsere professionellen Beziehungen und verbessert die Gesamtkoordination mit verbündeten und partnerschaftlichen Militärs in Zeiten der Krise. Wir sind unserem Verbündeten und NATO-Partner Rumänien für den Aufbau der partnerschaftlichen Kapazitäten und Fähigkeiten in dieser Region und die Zusammenarbeit dankbar.“

Ein Sprecher der NATO sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten:

„Rumänien ist ein wichtiger und geschätzter Verbündeter, der einen wichtigen Beitrag zur NATO und zur Erhaltung der euro-atlantischen Sicherheit leistet. Rumänien hat seine Unterstützung für die NATO-geführten Missionen im Kosovo (über KFOR) und in Afghanistan (über ISAF bis Ende 2014 und seit Anfang 2015 durch die Resolute Support Mission) gezeigt und bei der Unterstützung und Ausbildung von afghanischen Sicherheitskräften und Institutionen mitgewirkt. In Afghanistan trägt Rumänien auch zum afghanischen National Army Trust Fund bei. Darüber hinaus beherbergt Rumänien ein wichtiges NATO-Kommando - Multinational Division South-East Headquarters - sowie eine NATO Force Integrated Unit (NFIU), beide in Bukarest.

Das Land spielt eine konstruktive Rolle bei der Sicherstellung der Stabilität in der Schwarzmeerregion, die für unsere Sicherheit wichtig ist, unter anderem durch die Führung einer landgestützten multinationalen Rahmenbrigade zur Unterstützung einer verstärkten NATO-Präsenz in der Schwarzmeerregion. Darüber hinaus beherbergt Rumänien eine wichtige NATO-Ballistic Missile Defense-Basis in Deveselu, die die europäischen Alliierten vor Raketen-Bedrohungen, die von außerhalb des euro-atlantischen Gebiets ausgehen, schützt.

Rumänien hat – mit Unterstützung aller politischen Parteien – ein großes Engagement gezeigt, um die Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent des BIP zu erhöhen. Das Land spielt auch eine Schlüsselrolle bei der Projektion der Stabilität über unsere Grenzen hinaus in Moldawien, Georgien und in der Ukraine, einschließlich der Finanzierung des NATO-Treuhandfonds für die Cyber-Verteidigung für die Ukraine. Die NATO bekennt sich bedingungslos an die Sicherheit Rumäniens.“

Die USA hatten am in der vergangenen Woche für ein Nato-Manöver erstmals Patriot-Raketen in Litauen stationiert. An der Nato-Übung „Tobruq Legacy 2017“ im Baltikum nehmen bis zum 22. Juli Soldaten aus Litauen, Polen, Großbritannien und den USA teil. Weitere Teile der Übung finden in Tschechien und Rumänien statt.

Auch Polen hat nach den Worten von Verteidigungsminister Antoni Macierewicz die US-Raketen gekauft. Eine entsprechende Absichtserklärung sei unterzeichnet worden, sagte Macierewicz am vor einigen Tagen laut Reuters. Die polnische Regierung hatte im März erklärt, bis zu 7,6 Milliarden Dollar für acht Patriot-Raketenabwehrsysteme des US-Konzerns Raytheon auszugeben. Sie sieht dies als einen wichtigen Baustein für die Modernisierung der Armee an.

Der US-Konzern Raytheon betriebt in der EU massive Lobbyarbeit. Unter anderem schaltete das Unternehmen Werbung in Newslettern, die sich an Entscheider in der EU wenden.

In Rumänien werden die Patriot in einer vorbereiteten Lage stationiert werden können: Im Dorf Deveselu befindet sich seit dem vergangenen Jahr ein betriebsbereites US-Raketenabwehrsystem. Doch das Pentagon will das Land weiter modernisieren. Geopolitical Futures führt in einer Analyse aus, dass das Raketenabwehrsystem in Rumänien eine oder mehrere Raketen abfangen kann. Das System wurde im Dezember installiert, musste aber in das größere BMD-Framework der NATO integriert werden, bevor es in Betrieb genommen werden konnte. Raketenabwehr-Systeme sind in Europa ebenso ein politisches Symbol wie eine Waffe geworden.

„Das System ist so konzipiert, dass es eine oder wenige (die genaue Zahl ist wahrscheinlich unbekannt) Raketen auf eine große Fläche gerichtet abfängt. Gegenüber Russland wäre das ineffektiv, wenn Russland sich dazu entscheidet, einen Atom-Angriff auf Europa durchzuführen. Denn das Raketenabwehrsystem würde durch eine kleine Anzahl an Raketen nicht mehr abwehrfähig werden. Wenn eine andere Macht einen Angriff mit wenigen Raketen starten würde, wäre das System wahrscheinlich funktionstüchtig“, so Geopolitical Futures.

Das Journal of Defence Sciences des türkischen Militärs berichtet, dass die Raketenabwehrsysteme in Polen und Rumänien gleichwertig wichtig seien für die USA und die Sicherheit Europas. Wenn beispielsweise von Nordkorea oder einem Land des Nahen Ostens eine Rakete in Richtung der westlichen Hemisphäre geschossen wird, wird zunächst versucht, jene Rakete im Rahmen des Boost-Phase Defense unmittelbar nach dem Start abgefangen. Sollte dies nicht gelingen, werden Raketenabwehrsysteme auf Meeresplattformen zum Einsatz kommen. Wenn auch dies fehlschlagen sollte, sollen die Raketenabwehrsysteme in Polen, Rumänien und Bulgarien zum Einsatz kommen. Scheitert auch dieser Plan, sollen die Raketenabwehrsysteme des Ziellands eingesetzt werden.

Das türkische Militär-Journal liefert auch Informationen zum zeitlichen Rahmen eines Raketenangriffs. Wenn beispielsweise Nordkorea eine Interkontinental-Rakete in die westliche Hemisphäre abfeuert, wird sie eine Flugzeit von 30 Minuten haben, bis sie an Ziel gelangt. Drei bis fünf Minuten fallen dabei auf die Antriebsphase (Boost Phase), nach 300 Kilometern wird sie im Weltraum sein. Dort wird sie eine Flugphase von 20 bis 25 Minuten haben, bevor sie erneut in die Erdatmosphäre eindringt und innerhalb von vier bis sechs Minute das Ziel trifft.

Die Raketenabwehrsysteme in Polen und Rumänien sind vorzüglich darauf ausgelegt, Raketenbedrohungen (Interkontinental-Raketen) gegen die USA abzuwehren. Das Raketenabwehrsystem ist zudem unter anderem darauf ausgelegt, Raketenbedrohungen (Mittelstrecken-Raketen) auf Frankreich und Deutschland abzuwehren, so das Journal.

Die NATO-Radarstation in der türkischen Stadt Kürecik spielt an dieser Stelle eine wichtige Rolle. Im Falle eines feindlichen Raketenangriffs werden die Koordinaten der feindlichen Rakete an die Raketenabwehrsysteme in Europa aus Kürecik weitergeleitet.  Allerdings befindet sich die Radarstation unter US-Kontrolle. Auch türkische Militärs haben keine Kontrolle über die Radarstation. Die USA und die NATO haben vertraglich geregelt, dass das Pentagon Koordinaten auch an Nicht-NATO-Mitglieder weitergeben kann.

Nach einer Aufstellung von Missile Defense Advocacy befinden sich in der Pazifik-Region zehn, an der US-Ost- und Westküste 17 und in Europa und im Nahen Osten 15 US-amerikanische Raketenabwehrsysteme.

In einer Analyse des privaten US-Informationsdienstes Stratfor wird festgestellt, dass der Westen auf die außenpolitische Entscheidungsfindung Rumäniens nur dann maßgeblichen Einfluss ausüben könne, wenn die Korruption reduziert werde. „Verständlicherweise sind die Förderung der Stabilität in Rumänien und die Verringerung des russischen Einflusses die wichtigsten Ziele der USA (…) Für die EU ist auch ein stabiles Rumänien, das gegen den politischen Einfluss Russlands immun ist, eine Priorität. Wie die USA, sieht die EU Rumänien als ein sehr strategisches Nato-Mitglied.“

Rumänien spielt aus Sicht der NATO und der USA auch aufgrund seiner Stellung als Anrainerstaat des Schwarzen Meeres eine wichtige Rolle. Rumänien stimmte am 19. Oktober 2013 zu, dass das US-Militär den Flugplatz Mihail Kogalniceanu (MK) in der Nähe des Schwarzen Meeres als Schlüssellogistikdrehscheibe für die Versorgung von Truppen in Afghanistan nutzen darf. Der Stützpunkt liegt etwa fünf Meilen entfernt von Constanta, Rumäniens größtem Hafen und zweitgrößter Stadt, so Global Security.

Rumänien dient auch der Nato als wichtiges Land, um die Präsenz des Bündnisses im Schwarzen Meer auszubauen. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte im Oktober 2016: „Heute diskutierten wir auch über die Fortschritte bei der Stärkung der Präsenz der Nato in der Schwarzmeerregion - mit einer rumänisch geführten multinationalen Rahmenbrigade zu Land. Kanada, Deutschland, die Niederlande, Polen, die Türkei und die USA haben ihre Pläne zur Entsendung von Truppen nach Rumänien zur Stärkung der NATO-Präsenz im Schwarzmeergebiet  bestätigt. Wir arbeiten an weiteren Maßnahme in der Luft und zur See. Und ich freue mich, zu bestätigen, dass mehrere Nationen ihre Bereitschaft zur Unterstützung unserer Präsenz in der Schwarzmeerregion, zu Lande, zu Wasser und in der Luft angegeben haben.“

Die Erhöhung der militärischen Kapazitäten am Schwarzen Meer begründete Stoltenberg unter anderem damit, dass Russland gegen Georgien und die Ukraine mit einer drohenden Rhetorik ausgefallen sei. Russland hat für September großangelegte Militärmanöver in Weißrussland und der russischen Exklave Kaliningrad angekündigt, die an Litauen und Polen grenzt. Im vergangenen Jahr hatte Russland Iskander-Raketen, die Atomsprengköpfe tragen können, bei Kaliningrad stationiert.

Mit einem jährlichen durchschnittlichen Bruttoinlandsprodukt von 18,635 Dollar ist Rumänien das zweitärmste Land der EU. Schlechter geht es nur noch den Bulgaren. Aus beiden Ländern versuchen daher zahlreiche Menschen ihr Glück in Westeuropa. Großbritannien will sich gegen Arbeitsmigranten aus diesen Ländern abschotten, wie auch andere EU-Staaten.

Auch die zahlreichen Transferzahlungen der EU nach Rumänien haben die Lage der Bevölkerung nicht verbessert. Insbesondere die Korruption verhindert ein transparentes Wirtschaftssystem. 

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutsch-chinesische Beziehung: So reagiert China auf Scholz’ Besuch
16.04.2024

Die Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz nach China hat in den vergangenen Tagen die chinesischen Medien beschäftigt. Zum Abschluss seiner...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft IWF-Wachstumsprognose 2024: Deutschland bleibt weltweites Schlusslicht
16.04.2024

Für Deutschland hat der IWF in seiner neuen Prognose keine guten Nachrichten: Sie dürfte auch 2024 unter allen Industriestaaten am...

DWN
Politik
Politik Modernste Raketenabwehrsysteme: So schützt sich Israel gegen Luftangriffe
16.04.2024

Hunderte Raketen und Kampfdrohnen hatte der Iran am Wochenende nach Israel gefeuert. Dass dieser Angriff vergleichsweise glimpflich...

DWN
Politik
Politik 365 Tage Schwarz-Rot in Berlin - weder arm noch sexy!
16.04.2024

Niemand war wohl mehr überrascht als Kai Wegner (CDU), dass er vor genau einem Jahr wie „Kai aus der Kiste" Regierender Bürgermeister...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Stellenabbau wegen KI: Jetzt trifft es auch die Hochqualifizierten
16.04.2024

Der zunehmende Einsatz von KI verändert viele Branchen grundlegend und wird in Zukunft eine Reihe von Berufen überflüssig machen. Davon...

DWN
Politik
Politik Engpass bei Stromversorgung: Oranienburg zeigt Deutschland die Grenzen auf
16.04.2024

Noch ist es ein Einzelfall: Die Kleinstadt Oranienburg, nördlich von Berlin, kommt dem Bedarf ihrer Kunden nicht mehr umfänglich nach....

DWN
Politik
Politik Scholz in China: Deutliche Worte bei Xi zum Ukraine-Krieg und Klimaschutz
16.04.2024

Auf der letzten Etappe seiner China-Reise traf Bundeskanzler Scholz seinen Amtskollegen Präsident Xi Jinping. Bei ihrem Treffen in Peking...

DWN
Finanzen
Finanzen Börsenrückgang: DAX im Korrekturmodus - Was Anleger wissen müssen
16.04.2024

Der DAX hat die Woche mit einer Erholung gestartet, doch diese wurde schnell zunichte gemacht. Die Unsicherheit an den Börsen erreicht ein...