Deutschland

Deutsche Banken: EZB-Politik ist Wettbewerbsnachteil gegenüber US-Banken

Die Deutsche Bank fordert einen Kurswechsel der EZB bei der expansiven Geldpolitik.
06.09.2017 17:00
Lesezeit: 3 min

+++Werbung+++

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Am Tag vor der nächsten Zinsentscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) hat Deutsche-Bank-Chef John Cryan ein Ende der niedrigen Zinsen in Europa gefordert, berichtet Reuters. „Die Zeit des billigen Geldes in Europa sollte enden – trotz des starken Euro“, sagte Cryan am Mittwoch in Frankfurt. Es sei zwar unbestritten, dass die ultraniedrigen Zinsen den Finanzmärkten, den Staaten und auch den Banken aus der Finanzkrise geholfen hätten. „Die lockere Geldpolitik führt aber auch zu immer größeren Verwerfungen“, sagte Cryan. „Wir sehen inzwischen Anzeichen von Blasen an immer mehr Stellen des Kapitalmarkts.“

Außerdem führten die niedrigen Zinsen der EZB zu „einer erheblichen Wettbewerbsverzerrung“ im Finanzsystem, bemängelte Cryan. Dies gelte vor allem zwischen Banken in Europa und Banken in den USA, die es wegen der langsamen Abkehr der dortigen Notenbank, der Federal Reserve, von den Niedrigzinsen besser hätten als ihre Konkurrenten hierzulande. „Alleine im ersten Halbjahr 2017 ist der Zinsüberschuss amerikanischer Banken um acht Prozent gestiegen – in Europa ist er dagegen um zwei Prozent gefallen“, sagte Cryan. Damit trage die Geldpolitik der EZB direkt dazu bei, dass die Erträge der europäischen Banken zurückgingen. „Verglichen mit der Zeit vor der Finanzkrise beträgt das Minus ganze 23 Prozent.“

Eine Umfrage der Bundesbank hatte unlängst ergeben, dass die niedrigen Zinsen in der Euro-Zone kleineren Geldhäusern langsam das Wasser abgraben. So gehen die rund 1500 untersuchten Sparkassen und Volksbanken auf Sicht von fünf Jahren davon aus, dass ihr Vorsteuergewinn gemessen an ihrer Bilanzsumme um 16 Prozent schrumpfen wird.

Die veränderten Wettbewerbsbedingungen zwischen Banken aus Europa und den USA sind auch ein wichtiger Grund für den Streit beider Lager bei den laufenden Verhandlungen zum Vertragswerk „Basel IV“, bei dem es um die Mindestreserveanforderungen von Banken geht.

Im Ringen um die geplante Reform der weltweiten Kapitalvorschriften fordert Commerzbank-Chef Martin Zielke Augenmaß. „Hier müssen die Regulierer und Aufseher dafür sorgen, dass die europäischen Banken nicht weiter ins Hintertreffen geraten“, sagte Zielke. Der Rahmen für die Banken müsse so kalibriert werden, „dass sie ihre Kernfunktionen auch weiter verlässlich wahrnehmen können“.

Der Streit über die Reform der weltweiten Kapitalvorschriften zieht sich seit längerem hin. Wichtigster Streitpunkt ist die Frage, wie weit Großbanken die Risiken in ihren Bilanzen mit eigenen internen Modellen herunterrechnen dürfen, um Kapital zu sparen. Umstritten ist vor allem der Vorschlag, dass der nach internen Modellen errechnete Kapitalbedarf nicht unterhalb von 75 Prozent des nach dem Standard-Modell ermittelten Werts fallen sollte. Frankreich, Deutschland und die Niederlande lehnten dies zuletzt ab. Europas Banken befürchten, dass ihr Eigenkapitalbedarf stark steigen wird, wenn sie nur wenig Spielraum beim Einsatz interner Modelle erhalten.

Auch aus der Politik kommen Stimmen, die als Plädoyer für eine Normalisierung gedeutet werden können. So spricht sich etwa Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble für eine rasche Abkehr von der Politik des billigen Geldes aus. Es sei eine außergewöhnliche Politik, die die Europäische Zentralbank verfolge, sagte Schäuble am Mittwoch. „Und deswegen wünscht sich jeder weltweit, dass wir möglichst bald zur Normalisierung kommen“, fügte er hinzu. Inzwischen sei man dieser Normalisierung sehr viel nähergekommen, als es die meisten Pessimisten noch vor einem Jahr für möglich gehalten hätten. „Wir haben eine ausgesprochen gute wirtschaftliche Entwicklung in der Euro-Zone insgesamt,“ sagte Schäuble.

Die EZB entscheidet am Donnerstag das nächste Mal über ihren geldpolitischen Kurs. Beobachter erwarten noch keine Abkehr von den Niedrigzinsen. Der Leitzins liegt aktuell bei null Prozent. Die Zentralbank erhebt zudem einen Strafzins von 0,4 Prozent von Banken, die Geld bei ihr parken anstatt es als Kredit an Kunden weiterzureichen.

Da die Konjunktur in der Euro-Zone inzwischen wieder vergleichsweise gut läuft, rückt für die EZB eine Abkehr von der expansiven Geldpolitik näher. Einen ersten vorsichtigen Schritt dahin hatte sie im Juni gewagt, als sie die Option auf noch tiefere Schlüsselzinsen aus ihrem geldpolitischen Ausblick strich. Nun erwarten Volkswirte weitere Trippel-Schritte in diese Richtung, zumal das auf 2,3 Billionen Euro angelegte Anleihen-Kaufprogramm ohnehin nur noch bis Ende Dezember laufen soll. EZB-Präsident Mario Draghi muss daher den Finanzmärkten bald ein Signal geben, wie es danach weitergehen soll.

Der Ausstieg ist allerdings mit beträchtlichen Risiken behaftet, weil Teile der Finanzmärkte und auch die Staaten in weiten Teilen von der expansiven Geldpolitik profitieren, etwa bei der Schuldenaufnahme, und faktisch vom günstigen Geld abhängig wurden.  

Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon forderte, die EZB dürfe die Entscheidung, ihre extrem expansive Geldpolitik wieder zurückzudrehen, „nicht immer wieder auf Wiedervorlage setzen“, sondern müsse jetzt endlich eine Entscheidung treffen. Er wünsche sich, dass die Notenbank „in kleinen Schritten anfängt“, die Zinsen zu normalisieren. Der Chef des Verbandes der Volks- und Raiffeisenbanken, Uwe Fröhlich, erklärte, die rund 1.000 kleinen Institute, die seinem Verband angeschlossen seien, würden händeringend darauf warten, dass die EZB sich endlich bewege: „Uns allen ist wohl klar, dass die EZB langsam überzieht.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie Meta trainiert KI mit Ihren Daten – ohne Ihre Zustimmung. So stoppen Sie das jetzt!
09.05.2025

Ab dem 27. Mai analysiert Meta öffentlich sichtbare Inhalte von Facebook- und Instagram-Nutzern in Europa – zur Schulung seiner...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Silicon Valley wankt: Zölle, Zoff und zerplatzte Tech-Träume
08.05.2025

Während Europa auf seine Rezession zusteuert und China seine Wirtschaft auf staatlicher Kommandobasis stabilisiert, gibt es auch im sonst...

DWN
Panorama
Panorama Verkehrswende: Ariadne-Verkehrswendemonitor zeigt Entwicklung auf
08.05.2025

Wie sich die Verkehrswende in Deutschland aktuell entwickelt, ist nun auf einer neuen Onlineplattform des Potsdam-Instituts für...

DWN
Finanzen
Finanzen Inflation bewältigen: 7 Strategien für finanzielle Stabilität, weniger Belastung und einen nachhaltigeren Lebensstil
08.05.2025

Wer die eigenen Ausgaben kennt, kann gezielt handeln. So behalten Sie die Kontrolle über Ihr Geld. Mit Budgetplanung und klugem Konsum...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Maschinenbau: Bedeuten die Trump-Zölle das Ende einer deutschen Schlüsselindustrie?
08.05.2025

Der Maschinenbau befindet sich seit Jahren im Dauerkrisenmodus. Nun droht die fatale Zollpolitik des neuen US-Präsidenten Donald Trump zum...

DWN
Politik
Politik Anti-Trump-Plan: Halbe Milliarde Euro für Forschungsfreiheit in Europa
08.05.2025

Während US-Präsident Trump den Druck auf Hochschulen erhöht, setzt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf gezielte Anreize...

DWN
Technologie
Technologie Bitkom-Umfrage: Deutsche kritisieren Abhängigkeit von KI-Anbietern aus dem Ausland
08.05.2025

Die Bevölkerung in Deutschland verwendet zunehmend Anwendungen auf Basis künstlicher Intelligenz. Gleichzeitig nimmt die Sorge über eine...

DWN
Politik
Politik Migrationspolitik: Wie die Neuausrichtung an den deutschen Außengrenzen aussehen könnte
08.05.2025

Das Thema illegale Migration und wer bei irregulärer Einreise an deutschen Landesgrenzen zurückgewiesen wird, beschäftigt die Union seit...