Russland hat nach eigenen Angaben bei einem Angriff in Nordsyrien den Anführer des früheren syrischen Al-Kaida-Ablegers schwer verletzt, berichtet AFP. Abu Mohammed al-Dscholani habe einen Arm verloren und sei in Lebensgefahr, erklärte das russische Verteidigungsministerium am Mittwoch. Zudem seien zwölf Kommandeure seiner Dschihadisten-Gruppe Fateh al-Scham und rund 50 Wachen bei dem Angriff in der nordwestlichen Provinz Idlib getötet worden.
Al-Dscholani habe nach Angaben „verschiedener unabhängiger Quellen“ auch zahlreiche schwere Splitterverletzungen erlitten, erklärte das Verteidigungsministerium in Moskau. Demnach handelte es sich bei dem Angriff um einen Vergeltungsschlag für einen Angriff auf russische Militärpolizisten in der sogenannten Deeskalationszone in Idlib Mitte September.
Dabei waren nach russischen Angaben drei Militärpolizisten verletzt worden. Laut dem Verteidigungsministerium erhielt der militärische Nachrichtendienst am Dienstag Informationen über den Aufenthaltsort der Fateh-al-Scham-Kommandeure. Als sie zu einem Treffen zusammenkamen, hätten Kampfflugzeuge angegriffen, sagte ein Sprecher des Ministeriums.
Al-Dscholani ist der Anführer der Dschihadistengruppe Fateh al-Scham. Sie nannte sich bis vergangenes Jahr Al-Nusra-Front und war der syrische Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida, von dem sich die Gruppe aber inzwischen lossagte. Die USA haben ein Kopfgeld in Höhe von zehn Millionen US-Dollar (8,5 Millionen Euro) auf al-Dscholani ausgesetzt.
Dieses Jahr schloss sich Fateh al-Scham mit anderen Gruppen zum Dschihadistenbündnis Hajat Tahrir al-Scham (HTS) zusammen und brachte große Teile der Provinz Idlib unter ihre Kontrolle, die bis dahin von der rivalisierenden Rebellengruppe Ahrar al-Scham kontrolliert worden waren. Allerdings gibt es Spannungen mit anderen Gruppen und der örtlichen Bevölkerung.
Russland und die USA betrachten Fateh al-Scham trotz der Distanzierung von Al-Kaida weiter als Terrorgruppe. In Idlib und umliegenden Gebieten wurde kürzlich eine Deeskalationszone ausgerufen, in der eine Waffenruhe zwischen Rebellen und Regierungstruppen gilt. Dschihadistengruppen wie Fateh al-Scham sind davon aber ausgenommen.
Russlands Außenminister Sergej Lawrow warf unterdessen den Verbündeten der USA in Syrien „blutige Provokationen“ gegen russische Soldaten vor. In einigen Fällen hätten US-geführte Truppen „andere Terroristen ermutigt“, von der syrischen Armee zurückeroberte Stellungen anzugreifen, sagte Lawrow der saudiarabischen Tageszeitung Aschark al-Awsat.
In anderen Fällen hätten sie „sich absichtlich an blutigen Provokationen gegen unsere Truppen beteiligt“, kritisierte Lawrow. Er bezog sich offenbar auf die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), die von den USA im Norden und Osten Syriens im Kampf gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) unterstützt werden.
Das kurdisch-arabische Bündnis SDF steht kurz vor der Eroberung der IS-Hochburg Raka. Zudem rücken SDF-Einheiten in der ölreichen Provinz Deir Essor vor, die in Teilen von der IS-Miliz kontrolliert wird. Im September warfen die SDF Russland vor, bei Luftangriffen in der Nähe von Deir Essor einen ihrer Kämpfer getötet und mehrere weitere verletzt zu haben.
Die SDF-Kämpfer koordinieren nach eigenen Angaben ihre Einsätze in Deir Essor nicht mit Damaskus oder Moskau. Das Bündnis konzentriert sich bisher auf den Kampf gegen die Dschihadisten, doch könnte es in Deir Essor zunehmend Konflikte mit den syrischen Regierungstruppen und ihren russischen Unterstützern geben.