Politik

Intesa Bank: Italiens Wirtschaft fordert Zusammenarbeit mit Russland

Lesezeit: 5 min
12.11.2017 23:23
Der Russland-Chef der Intesa-Bank sagte: Die italienische Wirtschaft erwartet im Hinblick auf Russland, dass die Politik sich an den Interessen der Nationen orientiert und nicht an Ideologien.
Intesa Bank: Italiens Wirtschaft fordert Zusammenarbeit mit Russland

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Antonio Fallico, Präsident der Vereinigung „Conoscere Eurasia“ und der Intesa Bank in Russland, glaubt, dass der eurasische Wirtschaftsraum enormes Potential hat und hofft auf eine Entspannung der geopolitischen Situation.

 

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Sie haben das FORUM in Verona ins Leben gerufen, das nun bereits zum zehnten Mal stattgefunden hat. Wie ist Ihnen die Idee dazu gekommen?

Antonio Fallico: In meinem Berufsleben war ich oft damit konfrontiert, dass Unternehmer aus Italien nach Russland expandieren wollten. Allerdings hatten sie keine Ahnung, wie sie das anstellen sollten. Es ist wie mit dem Gitarrenspiel. Wenn Sie Gitarre spielen wollen, es aber nie gelernt haben, bleibt es entweder ein Traum – oder Sie setzen sich hin und lernen es. Die ursprüngliche Idee des FORUMS war es also, den italienischen Unternehmern den russischen Markt zu erklären und umgekehrt. Am Anfang war das ein überschaubares Unterfangen, aber mit der Zeit stieß es auf immer größeres Interesse, ja auch auf Enthusiasmus. Nach vier Jahren wurde uns dann klar, dass wir unseren Blickwinkel erweitern mussten. Es ging nun nicht mehr nur um bilaterale Wirtschaftsbeziehungen, sondern um solche in Eurasien. Von Eurasien sprach in diesem Kontext seinerzeit übrigens noch kaum jemand. Auf diese Weise wurde das FORUM zu einer eurasischen Veranstaltung. Damit meine ich das gesamte Eurasien, das sich von Lissabon bis nach Wladiwostok und Singapur erstreckt.

Im Oktober 2017 war das X. Eurasische Wirtschaftsforum in Verona dann die wichtigste, wenn nicht die einzige Plattform in Europa für einen öffentlichen, freien und offenen Diskurs für Wirtschaftsakteure aus diesem Riesenkontinent. Am FORUM haben Persönlichkeiten von Weltrang teilgenommen – Leiter einiger der wichtigsten Konzerne der Welt. 850 Firmen waren vertreten, bei 1200 Teilnehmern aus 25 Ländern, aus China, Südkorea und der Mongolei ebenso wie aus Frankreich, Ägypten oder den USA. Wir würden uns freuen, wenn wir im nächsten Jahr in Verona auch mehr Firmenvertreter und Redner aus Deutschland – dem wirtschaftlich gesehen sicherlich wichtigsten und einflussreichsten Land Europas – begrüßen dürften. Sie dürfen sich an dieser Stelle eingeladen fühlen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Welche Erwartungen knüpft die italienische Industrie und Finanzindustrie an das FORUM?

Antonio Fallico: Bei dem FORUM geht es nicht darum, Geld zu verdienen. Wir danken es den Veranstaltern sehr, dass sie diese Veranstaltung möglich machen. Ziel des FORUMS ist es, einen Dialog zwischen den Wirtschaftsakteuren in Gang zu bringen, im Interesse der italienische Firmen und denen aus den anderen Ländern. Angesichts der aktuellen geopolitischen Lage kommt diesem Punkt noch größere Bedeutung zu. Denn leider besteht heute eine Tendenz zur Isolation. Man reißt Brücken ein anstatt welche zu bauen und zu versuchen, gemeinsam Lösungen für die immer drängender werdenden Probleme zu finden. Dabei versuchen wir in Verona, keine akademischen Debatten zu führen, sondern konkret zu werden: Was können die eurasischen Firmen tun, wie können sie es tun, mit welchen Mitteln und Zielen? Ich denke, wenn ich das in aller Bescheidenheit anmerken darf, dass dies zur Prosperität, Stabilität und Frieden in diesem enormen geografischen Areal beitragen kann. Um das zu erreichen, versucht das FORUM im Rahmen seiner Möglichkeiten alles, Geschäftskontakte zwischen den teilnehmenden Firmen herzustellen. Hierzu dient auch, Jahr für Jahr, das B2B (Business to Business) als einfache und direkte Kontaktform auf dem FORUM.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Haben denn diese „Business to Business“-Kontakte zu konkreten Ergebnissen geführt?

Antonio Fallico: Tatsächlich möchten die Organisatoren vieler derartiger Veranstaltungen, dass auf diesen Verträge oder Absichtserklärungen unterschrieben werden. Wir aber folgen einer anderen Logik. Die Unterzeichnung eines Vertrages steht am Ende von Verhandlungen. Wir hingegen möchten, dass auf dem FORUM in Verona Verhandlungen in Gang gesetzt werden, aus denen dann in Zukunft Verträge erwachsen. Gelingt uns das? Das ist in Zahlen nicht darzustellen. Aber wir stellen fest, dass die Nachfrage nach den B2B-Begegnungen in Verona rapide wächst. Im Übrigen sind auf dem FORUM Verträge unterschrieben worden – auch in diesem Jahr. Für uns, die Organisatoren, ist das natürlich erfreulich, aber es ist nicht unsere Priorität.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Das FORUM stellt die einzige Plattform dar, auf der derartige Begegnungen möglich sind. Ist es also auch eine politische Veranstaltung?

Antonio Fallico: Ich mache keine Politik. Das FORUM in Verona ist vor allem eine Wirtschaftsveranstaltung, die sich hauptsächlich an Firmen aus Eurasien richtet. Allerdings wird die Wirtschaft heute leider zu einem großen Teil von der Politik bestimmt und mehr noch von Ideologien. Nehmen Sie die westlichen Sanktionen gegen Russland und die russischen Gegensanktionen. Die Auswirkungen auf die Volkswirtschaften des Westens waren viel gravierender als die für Russland. Nach Schätzungen der UNO wiegen sie doppelt so schwer. Und sie haben auch nicht dazu geführt, dass Russland seine Politik geändert hätte, jedenfalls nicht so wie es sich die Drahtzieher der Sanktionen gewünscht hätten. Ganz im Gegenteil. Sie haben dazu geführt, dass sich Russland und China einander angenähert haben, politisch wie militärisch – und das entspricht nun ganz und gar nicht den politischen Interessen des Westens. Wir können also sagen, dass diese Sanktionen den Interessen des Westens schaden. Ich hoffe, dass sie aufgehoben werden und dass die Führungsspitzen der europäischen Länder mehr ihre eigenen, nationalen Interessen im Blick behalten. Bis es so weit ist, müssen wir Italiener sie umsetzen. Etwas, das wir mit höchster Gewissenhaftigkeit tun.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Glauben Sie denn, dass die Sanktionen nicht gerechtfertigt sind?

Antonio Fallico: Nein, das sind sie nicht und ich bin auch nicht der einzige, der das denkt. Eine übergroße Mehrheit der Geschäftsleute aus Italien und den übrigen Ländern Europas, allen voran aus Deutschland, teilt meine Auffassung. Ich hoffe, dass die Diplomatie die Politiker endlich dazu bringt, sich an ihren nationalen Interessen und nicht an abstrakten Ideologien zu orientieren, die oft Lichtjahre von der Realität entfernt liegen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Was für eine geopolitische Situation wäre für die italienische Wirtschaft denn erstrebenswert?

Antonio Fallico: Eine Situation der Öffnung, des Dialogs, der fairen Konkurrenz, die nicht beeinträchtigt wird von politischen Vorgaben und ideologischen Beschränkungen – und die sich zudem oft genug auch noch als falsch erweisen. Wir stehen alle vor neuen globalen Herausforderungen, von denen ich den Terrorismus und die unkontrollierten Migrationströme hervorheben möchte. Um diesen Risiken zu begegnen, müssen wir unsere Energien bündeln und nicht jeder für sich und auf widersprüchliche Weise agieren. Das gilt nicht nur für Europa, sondern ganz Eurasien. Sehen Sie sich den Mittleren Osten an, die Türkei, Zentralasien, den indischen Subkontinent, China und den Nordosten Asiens. Das gilt für alle. In einem Umfeld des Dialogs und des Vertrauens würde die italienische Wirtschaft und auch die der anderen Länder schneller wachsen. Dieses Wachstum wäre gesünder und nachhaltiger.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Zum Abschluss des Forums gab es ein Konzert der „Virtuosen aus Moskau“. Wie wichtig sind derartige Kulturveranstaltungen für ein Wirtschaftsforum?

Antonio Fallico: Lassen Sie mich eines sagen: Die Kultur ist von fundamentaler Wichtigkeit, sie hat das Primat über die Politik und die Wirtschaft. Sie könnten jetzt sagen, dass ein Bankier so nicht denken sollte. Aber die Kultur ist das, was uns ausmacht. Sie bestimmt, wie wir uns bewegen, die Welt und uns selbst, wie wir uns in dieser Welt wahrnehmen. Der ganze Rest, die Wirtschaft eingeschlossen, hat in ihr ihren Ursprung. Aus diesem Grund haben wir sehr gerne, zusammen mit unserem Sponsor Gazprombank, die Teilnehmer des Eurasischen Wirtschaftsforums und die Bürger Veronas zu einem großartigen Konzert der „Virtuosen aus Moskau“, dirigiert von dem Meister Vladimir Spivakov, einem der besten der Welt, eingeladen. Auch dies begünstigt den Dialog und wechselseitiges Verständnis. Davon bin ich überzeugt.

***

Antonio Fallico ist Präsident der Vereinigung „Conoscere Eurasia“ und der Intesa Bank in Russland. Er ist einer der Initiatoren des Eurasischen Wirtschaftsforums in Verona.

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