Politik

Pentagon weist Bericht über US-Deal mit dem IS zurück

Lesezeit: 4 min
18.11.2017 01:39
Die BBC berichtet über einen Deal der Amerikaner mit der Terror-Miliz IS. Das Pentagon weist den Bericht als falsch zurück.
Pentagon weist Bericht über US-Deal mit dem IS zurück

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Die BBC hat eine umfangreiche Recherche zum Abzug der Terror-Miliz ISIS aus Rakka durchgeführt.

Im September 2017 soll die von den USA und Großbritannien geführte Anti-ISIS-Allianz einem Konvoi aus ISIS-Kämpfern und ihren Familienangehörigen aus Rakka freies Geleit gegeben haben. Um diesen Vorfall aufzudecken, hat die BBC nach eigenen Angaben mit Dutzenden von Personen gesprochen, die entweder Teil des Konvois gewesen, oder an den Verhandlungen mit ISIS beteiligt gewesen sind.

Der Konvoi soll einen Umfang von etwa 4.000 Personen - einschließlich Kinder und Frauen - gehabt haben. Nach Angaben von Lkw-Fahrern, die für die Evakuierung der ISIS-Kämpfer zuständig gewesen sind, soll der Konvoi sechs bis sieben Kilometer lang gewesen sein. Es soll sich dabei um 50 Lkw, 13 Busse und etwa 100 ISIS-Fahrzeuge gehandelt haben. Oberst Ryan Dillon, Sprecher der Anti-ISIS-Allianz bestätigte BBC, dass die ISIS-Kämpfer freies Geleit bekommen haben. Die BBC wörtlich: “Die Koalition bestätigt nun, dass ihr militärisches Personal zwar nicht am Boden war, aber den Konvoi aus der Luft überwachte”. Während der Verhandlungen mit ISIS sei zwar ein “westlicher Offizier” anwesend gewesen, doch er habe nicht an den Verhandlungen zur Evakuierung teilgenommen. Die Verhandlungen hätten lokale syrische Vertreter geführt.

Die Syrer hätten die Entscheidung über derartige Prozesse zu fällen, da sie es seien, die im Kampf gegen ISIS sterben und damit alles aufs Spiel setzen. Im Rahmen der Verhandlungen sollen die Kurden-Milizen der “Syrischen Demokratischen Kräfte” (SDF) eine wichtige Rolle gespielt haben. Der britische Sender fand während der Recherchen heraus, dass ein großer Teil der evakuierten ISIS-Kämpfer aus dem Ausland gestammt haben soll. Es seien Kämpfer aus Frankreich, Tunesien, Saudi-Arabien, China der Türkei, Pakistan, Jemen, Europa, Usbekistan und weiteren Staaten und Regionen gewesen sein.

Nach Angaben eines Menschenschmugglers namens “Imad” sollen die ISIS-Kämpfer versuchen, in die Türkei zu gelangen. Doch das sei mittlerweile schwierig, da die Türkei ihre Grenzkontrollen verschärft hat. “In den vergangenen Wochen gab es viele Familien, die Rakka verlassen haben, um in die Türkei zu gelangen. Ich habe bisher 20 Familien in die Türkei gebracht. Viele von ihnen waren Ausländer, doch es gab auch Syrer”, so “Imad”. Er sagte der BBC, dass er pro Person 600 Dollar und pro Familie 1.500 Dollar für den Schmuggel nehme.

Eric Pahon, Sprecher des Pentagon, sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten:

"Wir weisen die Behauptung von Quentin Sommerville von der BBC, wonach die Anti-ISIS-Koalition an einem ,Geheimabkommen’ mit ISIS beteiligt gewesen sein soll, zurück. Nichts ist weiter von der Wahrheit entfernt. Meldungen der Anti-ISIS-Koalition sind in dieser Frage klar und eindeutig. Die Koalition macht keine Abmachungen mit Terroristen. Am 14. Oktober veröffentlichte die CJTF-OIR (einsehbar auf der Webseite von inherentresolve.mil) eine Pressemitteilung, in der mitgeteilt wurde, dass die Anordnung des Bürger-Rats von Rakka anerkannt wird. Dem Rat zufolge sollte es Zivilisten ermöglicht werden, die Stadt Rakka vor ihrer Befreiung zu verlassen.

Ein Vertreter der Koalition war bei den Verhandlungen in Rakka anwesend, beteiligte sich aber nicht aktiv an den Verhandlungen zwischen dem Bürger-Rat von Rakka und den arabischen Stammesältesten. Diese stimmten trotz der ausdrücklichen Ablehnung durch die Koalition darüber überein, bewaffnete ISIS-Terroristen aus Rakka abziehen zu lassen. Brigadegeneral Jonathan Bragas, Operationschef des Militärbündnisses, Aussage in einer Pressemitteilung des CJTF-OIR vom 14. Oktober, die die Evakuierung und die Befreiung der Stadt Rakka behandelt, lautet: ,Wir dulden keine Vereinbarung, die es den ISIS-Terroristen erlaubt, aus Rakka zu entkommen, ohne dass sie sich der Gerechtigkeit stellen. Wir sind weiterhin besorgt über die tausenden Zivilisten in Rakka, die weiterhin der Grausamkeit von ISIS ausgesetzt sind. ISIS-Terroristen haben sich drei Jahre lang hinter Frauen und Kindern versteckt und wir sind gegen jegliche Vereinbarungen, die ihnen das weiterhin erlauben’.

 Wir sehen uns dazu verpflichtet, ISIS eine dauerhafte Niederlage zu bereiten.”

Alleine in der vergangenen Woche haben türkische Polizeikräfte in der Hauptstadt Ankara  Razzien in 250 Häusern und Wohnungen durchgeführt. Dabei wurden 220 Personen unter dem Verdacht der ISIS-Mitgliedschaft festgenommen, berichtet die Zeitung Aydinlik. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft von Ankara sollen bisher 800 ISIS-Mitglieder aus Syrien in die Türkei gereist sein, um sich auf Selbstmordanschläge vorzubereiten.

Die französische Zeitung Le Monde berichtet von einem Konflikt zwischen der Türkei und der Anti-ISIS-Koalition, die von den USA und Großbritannien angeführt wird. Das türkische Außenministerium habe demnach am 14. Oktober die Vereinbarung scharf kritisiert, wonach die Anti-ISIS-Allianz ISIS-Kämpfern aus Rakka im Oktober freies Geleit gegeben hatte. Aus einer Mitteilung des türkischen Außenministeriums geht hervor, dass dieser Schritt „schwerwiegend” und „beispiellos” gewesen sei. Es sei auch bedauerlich, dass die Anti-ISIS-Koalition die Vereinbarung nicht geleugnet, sondern sogar bestätigt habe. Das Ziel der Kurden-Milizen der PKK/YPG sei nicht der Kampf gegen ISIS, sondern die Eroberung von Territorien, um die demografische Landkarte zu verändern. Die PKK/YPG habe sich in Rakka mit ISIS geeinigt, was wiederum bestätige, dass Terrororganisationen miteinander kooperieren, wenn es ihren Zielen nur dienlich sei.

Le Monde führt weiter aus, dass die evakuierten ISIS-Kämpfer aus Rakka in die Türkei und nach Europa zögen, um dort Anschläge zu verüben. Das Blatt wörtlich: „Die Türkei war wiederholt das Ziel von blutigen Angriffen, die ISIS zugeschrieben oder vorgeworfen wurden. Der jüngste Anschlag hatte sich in der Silvesternacht in einem gehobenen Nachtclub in Istanbul ereignet und dabei 39 Menschen getötet. Seitdem haben die Behörden im ganzen Land Operationen gegen ISIS-Zellen vervielfacht. Nach Angaben des türkischen Innenministeriums wurden seit Anfang des Monats 438 Personen festgenommen. Es wird vermutet, dass sie Verbindungen zu ISIS haben sollen. Darunter sollen sich viele Ausländer befinden. Alleine im Oktober wurden 450 Personen festgenommen.”

Ein Sprecher der Anti-ISIS-Allianz sagte zwar, dass unter den Personen, die aus Rakka evakuiert wurden, nur 300 aktive ISIS-Kämpfer gewesen sein sollen, doch wirklich sicher sei er sich auch nicht. „Ich kann nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass auch jeder ISIS-Kämpfer, der Rakka verließ, identifiziert wurde”, so der Sprecher.

Nach Angaben der Zeitung Cumhuriyet wurden in der vergangenen Woche in Istanbul 82 Personen unter dem Verdacht der ISIS-Mitgliedschaft festgenommen. Bei den festgenommenen Personen soll es sich um “ausländische terroristische Kämpfer” handeln, die zuvor in die Türkei eingereist sein sollen. Zuvor wurden Razzien in den Istanbuler Stadtvierteln Bağcılar, Beykoz, Fatih, Küçükçekmece, Pendik, Sancaktepe und Şişli durchgeführt.

Die türkischsprachige Ausgabe der Deutschen Welle bestätigt die Razzien und meldet, dass alleine in Istanbul, Trabzon, Adana und Izmir im Verlauf der Anti-ISIS-Razzien 109 Personen festgenommen wurden.

Aufgrund der türkisch-amerikanischen Spannungen hatte der ehemalige US-Botschafter in Ankara, John Bass, im Oktober kurz vor seiner Versetzung nach Afghanistan gesagt: “Seit neuneinhalb Monaten führt ISIS keine Anschläge in der Türkei aus. Das liegt nicht daran, dass ISIS aufgegeben hat. Das ist das Ergebnis unserer (der türkisch-amerikanischen, Anm. d. Red.) Kooperation”, zitiert die Zeitung Sözcü Bass. Die türkischen Medien und Politiker deuteten diese Worte als Drohung gegen die Türkei an und rechneten damit, dass es bald zu Anschlägen in der Türkei kommen könnte.

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