Politik

Russland will Söldnern in Syrien entscheidenden Schlag versetzen

Lesezeit: 5 min
28.04.2018 18:53
Russland und die Türkei bereiten eine Offensive gegen Söldner in Idlib vor. Frankreich warnt vor einem solchen Schritt.
Russland will Söldnern in Syrien entscheidenden Schlag versetzen

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Die extremistische Söldner-Truppe Hayat Tahrir al-Sham (HTS), die die Nachfolgeorganisation der Al-Nusra-Front ist, und die Söldner-Truppen der Freien Syrischen Armee (FSA) und diverser anderer bewaffneter Gruppen, die sich in der Provinz Idlib befinden, haben dem Fernsehsender Al Mayadeen zufolge am Freitag in der Provinz Idlib einen Waffenstillstand vereinbart.

Der Waffenstillstand wurde nach einer mehr als zweimonatigen Fehde ausgerufen. Dem Bericht zufolge starben bei den Zusammenstößen und Terroranschlägen etwa 1.000 Söldner und 3.000 weitere wurden verletzt. Die Militäraktionen trafen auch die benachbarten Provinzen Aleppo und Hama.

HTS-Chef Abu Mohammad al-Julani stimmte dem Waffenstillstand unverzüglich zu, da 750 HTS-Söldner getötet worden sein sollen. Die Gegner von HTS hatten sich zuvor der Syrischen Befreiungsfront, einer Söldner-Truppe, die von der Türkei unterstützt wird, angeschlossen, berichtet die Tass. Dies war offenbar ausschlaggebend für die schweren Schläge gegen HTS. Die Türkei ist neben Russland und Iran einer der Garanten der Waffenstillstände in Syrien.

Allerdings wurde der Waffenstillstand am Freitag mehrmals durch schwere Explosionen im Provinzzentrum Idlibs, etwa 320 km von Damaskus entfernt, verletzt. Während dieser Explosionen wurden Feldkommandeure beider Seiten getötet.

Die türkische Online-Zeitung Haber Yirmi berichtet, dass HTS verantwortlich sein soll für die Verletzung des Waffenstillstands. Nach dem Waffenstillstand sei HTS dazu übergegangen, gezielte Attentate auf Kommandeure der FSA auszuführen. Dabei sollen 14 FSA-Kommandeure ums Leben gekommen sein.

Die Türkei hat bisher im Rahmen des Friedensabkommens von Astana in der Provinz Idlib neun von zwölf Beobachterposten errichtet. Während die Türkei die Provinz vom Norden her isoliert hat, wird die südliche Grenze von Russland und Syrien kontrolliert. Russland erwartet, dass die Türkei ihre Operation im Norden Syriens auf Idlib ausweitet. Al-Monitor führt aus: „Jetzt, da das syrische Regime und seine Verbündeten die Kontrolle über Ost-Ghouta und einen Großteil von Douma erlangt haben, scheint es, dass Idlib als nächstes in der Schusslinie steht (…) Die UN schätzt, dass 2,5 Millionen Syrer (einheimische und ausländische Söldner und ihre Familien, Anm d. Red.) in Idlib leben (…) Die Äußerungen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan im März zeigen, dass Ankara beabsichtigt, seine Operation Olivenzweig, die in Afrin begann, auf Idlib auszuweiten. Auch Ali Akbar Velayati, ein Top-Berater des iranischen Obersten Führers Ayatollah Ali Khamenei, bestätigte am 13. April, dass das syrische Regime beabsichtigt, Idlib als nächstes anzugreifen (…)Die Beziehungen zwischen der Türkei und Russland in Bezug auf Syrien basieren auf der Gewährleistung der Interessen beider Parteien. Beide haben ihre Bereitschaft erklärt, die Einheit und territoriale Integrität Syriens zu bewahren“.

Basel al-Haj Jasem, ein Forscher bezüglich die russisch-türkischen Beziehungen, sagte Al-Monitor: „Heute braucht Russland mehr denn je die Türkei, um in vielen syrischen Gebieten Waffen-Chaos abzuwehren, um sich auf zukünftige politische Entwicklungen vorzubereiten. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den politischen und wirtschaftlichen Angriff des Westens auf Moskau. Außerdem ist die militärische Präsenz der Türkei in Syrien die einzige Garantie, die iranische Präsenz auszugleichen“.

Solange sich HTS, die international als Terror-Gruppe eingestuft wird, eine Präsenz in Idlib habe, werde die Provinz das Ziel mehrerer Staaten sein.

Al-Haj Jasem weist darauf hin, dass Russland und die Türkei beide Frieden in der Region brauchen: „Dies ist ein wichtiger gemeinsamer Punkt zwischen den beiden. Moskau ist sich bewusst, dass es einige regionale und internationale Parteien gibt, die die russische Militärintervention in Syrien schrittweise in einen Sumpf verwandeln wollen und dass die Fortsetzung des Krieges mehr Verluste in den Reihen der russischen Soldaten, die Verbreitung von Terrorismus und Separatismus in der Region bedeutet“.

Frankreich hat davor gewarnt, dass ein militärisches Unterfangen in der Provinz Idlib zu einer „Katastrophe“ führen könnte. Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian schlug am 15. April für Syrien eine „Selbstbestimmung durch einen politischen Prozess vor, der die Entwaffnung von Milizen einschließt“, berichtet der englischsprachige Dienst von Reuters. Frankreich will verhindern, dass Russland, Syrien und die Türkei eine gemeinsame Operation in Idlib durchführen. Le Drian meint, die Priorität müsse auf der Bekämpfung von ISIS im Osten Syriens liegen.

Der Syrien-Beauftrage der UN, Jan Egeland, hatte ebenfalls zuvor davor gewarnt, dass eine Militäroperation in Idlib eine „humanitäre Katastrophe“ auslösen würde. Der Guardian zitiert Egeland: „Mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Idlib von zwei Millionen ist bereits vertrieben worden, manchmal mehrfach, so dass es ein verhandeltes Ende für den Konflikt in Idlib geben muss. Man kann keinen Krieg mitten in der größten Gruppe von Flüchtlingslagern und Vertriebenen auf der Welt führen (…)Meine Befürchtung ist, dass die syrische Regierung sagen wird, dass der Ort voller 'Terroristen' ist und man deshalb Krieg führen kann wie während der Belagerungen in Aleppo und Ost-Ghouta (…) Ja, es gibt bösen Jungs, die Bärte tragen, aber es gibt viel mehr Frauen und Kinder und sie verdienen Schutz. Du kannst keinen Krieg führen, als ob jeder ein Terrorist wäre, sonst wird es ein Albtraum sein“.

Seine Ausführungen wurden vom Sonderbeauftragten der UN für Syrien, Staffan de Mistura, wiederholt. Er sagte, er hoffe, dass Idlib zu einem neuen Aleppo und einem, neuen Ost-Ghouta werde.

Anzahl der Söldner in Idlib

Reuven Erlich, Chef des Meir Amit Intelligence and Terrorism Information Center (ITIC), sagte den Deutschen Wirtschaftsnachrichten, dass sich die Anzahl der Söldner in Idlib schätzungsweise auf 30.000 Personen belaufe.

Nach Angaben des syrisch-türkischen Analysten Hüsnü Mahalli befinden sich in Idlib mindestens 30.000 extremistische Söldner. Etwa 15.000 sollen ausländische Söldner sein. Davon seien wiederum etwa 5.000 Tschetschenen und etwa 7.000 Uiguren aus China. Die restlichen ausländischen Kämpfer würden aus anderen Staaten stammen. Diese Aussage traf Mahalli am 10. Oktober 2017 im Rahmen einer Sendung auf KRT TV.

Aufgrund der Evakuierungen der Söldner nach Idlib soll die Anzahl der militanten Söldner in Idlib mittlerweile auf 80.000 bis 90.000 angestiegen sein. Das berichtet Mahalli in einem Beitrag der Zeitung Yurt Gazetesi.

Die Anzahl der Mitglieder der Freien Syrischen Armee (FSA), die sich in den von der Türkei kontrollierten Gebieten - Al-Bab, Dscharabulus und Afrin - befinden, belaufe sich auf etwa 100.000, so Mahalli in einem Artikel der Zeitung Sözcü.

Im März 2018 hatte die TASS berichtet, dass aus Arbin in Ost-Ghouta 31.915 Söldner und Familienangehörige der Söldner nach Idlib evakuiert wurden.

Al-Monitor berichtete am 20. April 2018: “Nach einem UN-Bericht gingen 48.222 von den aus Ost-Ghouta Evakuierten nach Idlib und 7.395 nach Dscharablus (...) In den vergangenen eineinhalb Jahren wurden Zehntausende von Kämpfern, die aus Aleppo, Homs, Hama, dem ländlichen Damaskus und der libanesisch-syrischen Grenze evakuiert wurden, in verschiedenen Teilen von Idlib angesiedelt”. Die Söldner und ihre Familien der Gruppe Dschaisch al-Islam wurden nach Dscharabulus und die restlichen Söldner und ihre Familien nach Idlib evakuiert. Die in Idlib operierende Söldner-Truppe Hayat Tahrir al-Scham (HTS) und Dschaisch al-Islam sind verfeindet. Im vergangenen Jahr fanden in Ost-Ghouta zwischen beiden Gruppen bewaffnete Auseinandersetzungen statt.

Die Gruppe White Helmets sind hauptsächlich in der Provinz Idlib tätig. Dort betätigen sie sich in den Gebieten der Extremisten-Organisation Hayat Tahrir al-Scham (HTS) als Zivilschutzorganisation. Die White Helmets wurden 2013 James Le Mesurier, einem ehemaligen britischen Offizier, gegründet und erhalten finanzielle Unterstützung aus Großbritannien. Die Gruppe besteht aus 3.000 Ehrenamtlichen, wie das Bundesministerium des Auswärtigen vor einiger Zeit bestätigte. Die White Helmets erhalten Millionen von den deutschen Steuerzahlern sowie den Regierungen der USA und Großbritanniens.

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