Gemischtes

Bundesregierung ordnet massiven Rückruf für Daimler-Autos an

Lesezeit: 2 min
11.06.2018 22:29
Die Bundesregierung verschärft die Gangart gegen Daimler.
Bundesregierung ordnet massiven Rückruf für Daimler-Autos an

Mehr zum Thema:  
Auto >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Auto  

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat Daimler im Streit über Manipulationen bei Diesel-Autos zu einem weiteren umfangreichen Rückruf verpflichtet. Der Bund werde für deutschlandweit 238.000 Fahrzeuge wegen "unzulässiger Abschalteinrichtungen" einen amtlichen Rückruf anordnen, erklärte Scheuer am Montag nach einem Treffen mit Daimler-Chef Dieter Zetsche in Berlin.

In Europa seien insgesamt 774.000 Mercedes-Fahrzeuge betroffen, die auf der Straße zuviel Stickoxid (NOx) ausstoßen. Der Autobauer bestätigte den Rückruf, hält die in verbaute Abgassteuerung aber für rechtskonform und will diesen Streitpunkt im Widerspruchsverfahren klären. Ein milliardenschweres Ordnungsgeld sei indes vom Tisch, sagte Zetsche beim Verlassen des Ministeriums.

Neben dem schon zurückgerufenen Transporter Vito müssen laut Ministerium um Modelle der C-Klasse und des Geländewagens GLC in die Werkstätten. Zetsche sagte weiter, das Unternehmen werde sich unverzüglich um ein Software-Update kümmern. Die Schwaben hatten sich im vergangenen Jahr bereiterklärt, freiwillig rund drei Millionen Diesel-Autos nachzubessern.

Nach dem Volkswagen-Konzern ist Daimler der zweite deutsche Autobauer, dem amtlich Abgasmanipulation bescheinigt wird. Die Wolfsburger hatten erst nach massivem Druck der US-Umweltbehörden 2015 zugegeben, Dieselabgaswerte durch eine Abschalteinrichtung manipuliert zu haben. Das "Defeat Device" erkennt, ob sich ein Auto auf einem Prüfstand befindet, und reduziert nur dann den Stickoxidausstoß. Auf der Straße sind die Abgaswerte sehr viel höher. Die Wiedergutmachung des Abgasskandals kostete bei mehr als elf Millionen Pkw kostete Volkswagen bislang über 25 Milliarden Euro.

Zetsche hatte kurz nach Bekanntwerden der Manipulation bei VW im September 2015 betont, bei Daimler sei keine Software zur Abgasmanipulation zum Einsatz gekommen. Doch schon länger ermitteln die Staatsanwaltschaft in Deutschland und Behörden in den USA, ob auch bei Mercedes-Pkw höhere Dieselwerte die Folge gezielter Manipulation sind. Viele US-Autobesitzer fordern Schadenersatz. Der Konzern hat für die Rechtsrisiken nicht näher bezifferte Rückstellungen gebildet.

Scheuer hatte Zetsche bereits Ende Mai zu einer Krisensitzung einbestellt, nachdem das KBA einen Rückruf von rund 4900 Exemplaren des Mercedes-Kleintransporters Vito wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei der Abgasreinigung angeordnet hatte. Nach bisheriger Ansicht von Daimler sind diese aber nicht rechtlich unzulässig. Nach Darstellung des Autobauers sind die Funktionen dazu da, "eine robuste Abgasreinigung bei unterschiedlichen Fahrbedingungen und über die Nutzungsdauer eines Fahrzeugs" sicherzustellen.

Nach einem Bericht von "Bild am Sonntag", den das Unternehmen nicht kommentieren wollte, hat das KBA fünf Abschaltfunktionen gefunden. Danach schaltet die Abgasreinigung zum Beispiel nach einer Zeitspanne von 20 Minuten herunter. Nach EU-Recht kann die Abgasreinigung gedrosselt werden, um den Motor zu schützen. Nach einer ersten Untersuchung hatte das KBA im Frühjahr 2016 dem Stuttgarter Autobauer und anderen Herstellern vorgeworfen, diese Regel über Gebühr ausgenutzt zu haben.

Die neuesten Vorwürfe gegen Daimler erschütterte auch das Vertrauen der Belegschaft in die Konzernleitung, erklärte der Betriebsratschef des Aggregatewerks Untertürkheim, Wolfgang Nieke, gegenüber "Stuttgarter Zeitung" und "Stuttgarter Nachrichten" (Dienstagausgaben). Zetsche habe zu Beginn des Dieselskandals den Mitarbeitern gesagt, es sei nicht betrogen worden. "Die Belegschaft ist sich nicht mehr sicher, ob sie den Erklärungen, dass es bei Daimler keine Defeat Devices gibt, noch länger glauben kann", ergänzte Nieke.

***

Für PR, Gefälligkeitsartikel oder politische Hofberichterstattung stehen die DWN nicht zur Verfügung. Bitte unterstützen Sie die Unabhängigkeit der DWN mit einem Abonnement:

Hier können Sie sich für einen kostenlosen Gratismonat registrieren. Wenn dieser abgelaufen ist, werden Sie von uns benachrichtigt und können dann das Abo auswählen, dass am besten Ihren Bedürfnissen entspricht. Einen Überblick über die verfügbaren Abonnements bekommen Sie hier.


Mehr zum Thema:  
Auto >

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Technologie
Technologie Petrochemie: Rettungsleine der Ölindustrie - und Dorn im Auge von Umweltschützern
24.04.2024

Auf den ersten Blick sieht die Zukunft des Erdölmarktes nicht rosig aus, angesichts der Abkehr von Treibstoffen, wie Benzin und Diesel....

DWN
Politik
Politik Sunak in Berlin: Antrittsbesuch bei Kanzler Scholz - strategische Partnerschaft in Krisenzeiten
24.04.2024

Rishi Sunak besucht erstmals Berlin. Bundeskanzler Scholz empfängt den britischen Premierminister mit militärischen Ehren. Im Fokus...

DWN
Finanzen
Finanzen Bundesbank-Präsident: Zinssenkungspfad unklar, digitaler Euro erstrebenswert
24.04.2024

Spannende Aussagen von Bundesbank-Präsident Joachim Nagel: Ihm zufolge wird die EZB nach einer ersten Zinssenkung nicht unbedingt weitere...

DWN
Technologie
Technologie Habeck sieht großes Potenzial in umstrittener CO2-Einlagerung
24.04.2024

Die Technologie "Carbon Capture and Storage" (CO2-Abscheidung und -Speicherung) ist in Deutschland ein umstrittenes Thema. Inzwischen gibt...

DWN
Panorama
Panorama Fahrraddiebe nehmen vermehrt teure E-Bikes und Rennräder ins Visier
24.04.2024

Teure E-Bikes und Rennräder sind seit Jahren immer häufiger auf den Straßen zu sehen - die Anzahl von Diebstählen und die...

DWN
Technologie
Technologie KI-Hype in Deutschland: Welle von neuen Startups formiert sich
24.04.2024

Obwohl die Finanzierung von Jungfirmen allgemein ins Stocken geraten ist, werden in Deutschland gerade unzählige KI-Startups gegründet....

DWN
Politik
Politik USA kündigen massive Waffenlieferungen in die Ukraine an - Selenskyj äußert Dank
24.04.2024

Der US-Kongress hat die milliardenschweren Ukraine-Hilfen gebilligt. Jetzt könnte es laut Pentagon bei der ersten Lieferung sehr schnell...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Preiskrieg in China: Volkswagen im harten Wettbewerb der Elektroauto-Branche
24.04.2024

Volkswagen, lange Zeit der unangefochtene Marktführer in China, sieht sich nun einem intensiven Wettbewerb um den Elektroautomarkt...