Politik

Ökonom: Der Dollar ist als Waffe stumpf geworden

Lesezeit: 6 min
20.08.2018 01:22
Der Ökonom Folker Hellmeyer erkennt einen schleichenden Bedeutungsverlust des US-Dollar. Europa kann davon aber nur profitieren, wenn es mit einer Stimme spricht.
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Für den Ökonomen Folker Hellmeyer wird der US-Dollar in Zukunft an Bedeutung verlieren. Dadurch würden die machtpolitischen Optionen der USA eingeschränkt. Für Kontinentaleuropa ist es Hellmeyer zufolge an der Zeit, sich aus der amerikanischen Umklammerung zu lösen und die Potentiale, die im eurasischen Wirtschaftsraum liegen, zu heben.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Welche Rolle spielt der US-Dollar bei der Durchsetzung amerikanischer Machtinteressen?

Folker Hellmeyer: Nach wie vor ist der Dollar eine Waffe. Der USD ist ein entscheidender Katalysator des US-Hegemonialstatus. In Bretton Woods wurde 1944 das bis heute etablierte Organigramm mit dem IWF, der Weltbank und auch dem Leitwährungsstatus des USD verankert.

Der USD ist bis heute die bedeutendste Transaktionswährung in der Weltwirtschaft. Die USD-Märkte und US-Börsen bieten die höchste Liquidität und sind als Leitbörsen zumindest noch elementar für die Funktionalitäten der Weltwirtschaft.

Doch die USA nutzen den Leitwährungsstatus aus, um egozentrische Geopolitik („America first“) zu betreiben. Anders ausgedrückt verbinden die USA den Gebrauch ihrer Währung im Zweifelsfall mit dem Anspruch auf Willfährigkeit gegenüber ihren politischen Zielen.

Dabei ist der Anspruch, dass US-Recht supranational Wirkung erzielt, faktisch totalitär und steht den so genannten westlichen Werten diametral gegenüber. Perspektivisch kann dies den Status des USD nur schwächen.

Denn genau diese US-Politik ist ein Katalysator, der Drittländer dazu veranlasst, wenn nicht sogar zwingt, sich neu auszurichten. Die USA stellen eben nur noch circa 15% des Welt-BIP bei weiter fallender Tendenz. Die anderen 85% machen die entscheidende Musik und auch Strukturpolitik.

Zudem sollte eine Weltleitwährung grundsätzlich eine voll umfassende Konvertibilität aufweisen. Gerade das ist in jüngerer Zeit nicht mehr gewährleistet. Das Beispiel Iran darf hier angeführt werden.

Auch dieser Mangel umfassender Konvertibilität unterminiert schlussendlich die Schärfe der Waffe des Dollars perspektivisch. Was jetzt als Stärke wahrgenommen wird, ist implizit Ausdruck zukünftiger Schwäche.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Der Dollar wird also an Bedeutung verlieren?

Folker Hellmeyer: Ja, es wäre oberflächlich den Status des USD von 1945 oder 1955 mit dem Status 2018 auf ein Niveau zu setzen. Die Welt hat sich insbesondere nach dem Fall des Kommunismus um 1990 massiv verändert.

Die aufstrebenden Länder unter Führung Pekings standen 1990 für circa 20 Prozent des Welt-BIP. Sie stehen heute für 68 Prozent der Weltwirtschaftsleistung. Mehr noch stehen die aufstrebenden Länder für 88 Prozent der Weltbevölkerung und sie kontrollieren circa 70 Prozent der Weltdevisenreserven.  Sie wachsen pro Jahr mit 4 Prozent bis 5 Prozent, während der Westen es auf 1,5 Prozent bis 2,5 Prozent bringt.

China konnte seinen Anteil seit 1980 von 1,9 Prozent auf 18,7 Prozent des Welt-BIP erhöhen, während der Anteil der USA von 26,1 Prozent im Jahre 1980 auf 15,1 Prozent per 2018 sank (Daten Statista).

Die finanzökonomische Machtachse hat sich massiv zu Lasten der USA und zu Lasten des Westens verschoben. Damit wird die Waffe des USD unter fundamentalen Gesichtspunkten schwächer.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Welche Folgen wird diese Veränderung haben?

Folker Hellmeyer: Die Veränderung der finanzökonomischen Machtachse erfordert eine Neuausrichtung des in Bretton Woods verankerten Organigramms zu Gunsten der aufstrebenden Länder. Dazu ist der Westen aber bisher nicht bereit gewesen. Man hat viel versprochen und die Versprechen gegenüber diesen Ländern gebrochen! So viel zu vermeintlichen westlichen Werten.

Dieser Mangel der Neujustierung der politischen Machtachse hat die aufstrebenden Länder dazu veranlasst, sich vom westlich dominierten Organigramm zu emanzipieren. Damit wird der westliche Machtanspruch zumindest zu nennenswerten Teilen faktisch unterlaufen.

Es wurden mit der AIIB eine Alternative zur Weltbank, mit der New Development Bank ein eigener IWF und mit CIPS eine Alternative zum SWIFT-Zahlungssystem geschaffen. China startete das in der Welt einmalige supranationale Projekt „One Belt – One Road“, zu dem die Neue Seidenstraße gehört.

Es ist das größte Infrastrukturprojekt in der Geschichte der Menschheit, das übrigens im Westen immer wieder klein geschrieben wird, obwohl eine kleine Schar von Personen, ich zähle mich dazu, seit circa fünf Jahren dieses Thema nach Berlin und in die Öffentlichkeit getragen hat, um bis vor kurzem politisch und medial nahezu vollständig ignoriert zu werden. Das ist heute nicht mehr möglich, aber Europa hat einen zeitigen Einstieg in dieses supranationale, in dieses friedensfördernde Projekt sehenden Auges dank der Intervention der Transatlantiker verpasst. Ja, Wirtschaftspolitik ist Friedenspolitik. Auch die Ostannäherung hatte ihre Anfänge in der Wirtschaftspolitik (u.a. Otto Wolff von Amerongen).

Aber es passiert viel mehr im Hintergrund. Die aufstrebenden Länder vereinbaren zunehmend, ihren Handel in ihren eigenen Währungen abzuwickeln und sich damit dem USD-System zu entziehen. Also findet auch hier eine sukzessive Emanzipation statt, die den Status des USD unterminiert.

Die Zukunft liegt im Osten und das ist nicht das originäre Terrain des US-Dollars!

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Und doch können die USA die Europäer immer wieder auf „Linie bringen", weil sie jeden „bestrafen" können, der Geschäfte in Dollar abwickelt. Ob es nun um „Iran- Sanktionen" geht oder um Nord Stream 2. Die Frage wäre, ob es eine realistische Möglichkeit gibt, sich aus diesem Würgegriff zu befreien?

Folker Hellmeyer: Es gibt immer Möglichkeiten, wenn man will. Leider ist ein großer Teil der politischen Elite der EU, aber insbesondere Deutschlands, immer noch massiv transatlantisch vorbelastet, obwohl die Politik der USA lange vor Trump nachweislich spaltende Elemente für Kontinentaleuropa lieferte.

Am Ende würde ein politisch geeintes Kontinentaleuropa, das mit 4,6% der Weltbevölkerung über 60% des innovativen Kapitalstocks der Welt stellt (Hidden Champions), Machtfragen innerhalb der westlichen Hemisphäre aufwerfen. Eine nachhaltige politische Einigung Kontinentaleuropas ist auf keinen Fall im US-Interesse. Da gilt ein unfreundliches „divide et impera“!

Der aktuelle Handelskonflikt mit den USA, die Avancen der US-Administration, die EU zu spalten (Angebot Trumps an Macron und zuletzt an Conte) und auch der Antrittsbesuch Trumps in der EU beginnend in Polen sind faktisch offene Kampfansagen an die Integrität Kontinentaleuropas, die auch den letzten transatlantischen Tagträumer zu neuen Denk- und Handlungsmustern ermuntern sollte. Sollte das nicht der Fall sein, stellte sich die Frage nach der primären Loyalität dieser Protagonisten!

Bei dem Thema North Stream 2 bin ich mehr als zuversichtlich, dass die EU am Ende nicht US-Recht und US-Interessen zu EU-Recht und EU-Interessen machen wird. Wer will sich energietechnisch von den USA abhängig machen, die internationale Verträge und Vereinbarungen nur dann akzeptieren, wenn sie zu ihren Gunsten ausfallen, während sich Russland als ein verlässlicher Partner selbst in schärfsten Krisenphasen bewies? Wer will 50 Prozent teureres US-Gas erwerben und vor allen Dingen bezahlen? Wer will die mit dieser Lieferroute verbundene Umweltbelastung (Aufbau der Infrastruktur, Transport) auf seine Fahne schreiben, wenn man im November 2017 noch eine laute Klimakonferenz in Bonn, um CO2 Ausstoß zu vermindern, abhielt?

Bei den Iran-Sanktionen ist der Fall komplexer, da die internationale Arbeitsteilung so weit gediehen ist, dass den global agierenden Unternehmen in der Tat durch die US-Sekundärsanktionen Schäden drohen, die seitens der Unternehmen, aber nicht der Politik, noch ein Beidrehen im Sinne der USA erforderlich machen.

Die Antwort Kontinentaleuropas, um sich aus dem Würgegriff der USA und des US-Dollars zu befreien, kann nur darin liegen, sich einerseits den Zukunftsmärkten - den aufstrebenden Ländern - wirtschaftlich und politisch, auf Augenhöhe zuzuwenden. Dort liegt die Zukunft. Dort wird Infrastruktur aufgebaut, dort wird Humankapital durch diese neuen Infrastrukturmaßnahmen erschlossen.

Andererseits ist die aktuelle krisenhafte Entwicklung letzte Mahnung, den europäischen Integrationsprozess voranzutreiben. Die Menschen und der Kapitalstock Kontinentaleuropas bedürfen einer potenten Vertretung ihrer Interessen. Das ist mit der nationalen Kleinteiligkeit, die heute nach wie vor vorherrscht und von manchen als Lösung feilgeboten wird, nicht zu erreichen.

„Business of scale“ erfordert eben auch „Politics of scale“. Die Eurozone politisch zu integrieren, wäre die sinnvollste und sensibelste Lösung. Das wird aber Zeit in Anspruch nehmen …

Es gibt also keine schnelle Lösung. Es gibt aber sehr wohl eine perspektivische Lösung. Sollten wir diese Lösung nicht suchen, werden wir wesentliche Teile des Kapitalstocks und auch der damit realisierten Prosperität Stück für Stück verlieren.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Damit verbunden ist die Frage nach dem Euro. Hat der Euro die Chance, eine Konkurrenz zum Dollar zu werden. Oder unterminiert die „Euro- Krise" das Vertrauen in die Gemeinschaftswährung?

Folker Hellmeyer: Der Euro belegt bei der Bedeutung der Währungen den zweiten Platz und ist damit eine veritable Konkurrenz zum USD.

Werfen wir einen Blick auf Struktur- und Konjunkturdaten. Der Kapitalstock mit den Hidden Champions, also die Qualitätsmerkmale unserer Produkte, ist herausragend. Deswegen hat die Eurozone nachhaltige Handelsüberschüsse, nachdem die Südländer durch Reformen ihre Konkurrenzfähigkeit wiedergewonnen haben.

Die Elemente selbsttragender Kräfte der Wirtschaft sind in der Eurozone ausgeprägt. Für 2,2 Prozent Wachstum bedarf es im, laufenden Jahr einer öffentlichen Neuverschuldung von voraussichtlich weniger als 0,5 Prozent des BIP, während in den USA für 2,7 Prozent Wachstum eine Neuverschuldung von voraussichtlich 6 Prozent des BIP erforderlich sein werden!

Aber es gibt einen Grund, warum der Euro auf absehbare Zeit den USD nicht ersetzen kann. Es ist der Mangel der politischen Einheit, die dem Euro fehlt. Der Euro ist vergleichbar mit einer Meerjungfrau. Man kann mit ihr flirten, aber keine Familie gründen.

Ergo ist der Euro Konkurrenz, aber er kann die Rolle des USD absehbar nicht einnehmen. Es gibt aber Überlegungen über einen Währungskorb der bedeutenden konvertiblen Währungen, der handelsgewichtet zur neuen Leitwährung erkoren wird. Da wäre der Euro dabei, übrigens nach meinem Wissenstand auch Gold!

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Könnte der Euro auch dann eine Konkurrenz zum Dollar sein, wenn er zu einer europäischen „Referenzwährung" mit verschiedenen nationalen Parallelwährungen umgebaut würde?

Folker Hellmeyer: Klare Strukturen und Transparenz sind elementar für die nachhaltige Wirkung einer Währung. Wer den seichten Wassern kosmetischer Maßnahmen, nichts anderes sind Parallelwährungen, und nicht den stringenten Wirkungen von Strukturreformen das Wort redet und die Tat spendet, der zerredet und verwüstet die Zukunft, denn Kosmetik rettet einen Abend, aber generiert nicht Zukunft.

Folker Hellmeyer begann seine Laufbahn 1984 als Devisenhändler bei der Deutschen Bank in Hamburg und London. Der gelernte Bankfachwirt wechselte 1995 zur Helaba in Frankfurt am Main. Von April 2002 bis Ende 2017 war er Chefanalyst bei der Bremer Landesbank (BLB). Im Jahr 2018 gründete Folker Hellmeyer zusammen mit ehemaligen BLB-Kollegen die Fondsboutique Solvecon Invest GmbH in Bremen, bei der er Chefanalyst und Gesellschafter ist.

Folker Hellmeyer ist darüber hinaus gern gesehener Gast in finanzorientierten Fernsehsendungen und Talkrunden, z.B. bei n-tv oder Bloomberg TV.

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