Politik

Russland: UN blockieren Wiederaufbau in Syrien

Lesezeit: 4 min
21.08.2018 02:55
Russland kritisiert eine politische Anordnung der UN, die den Wiederaufbau des vom Krieg zerstörten Landes blockiert.
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Russlands Außenminister Sergej Lawrow hat den Vereinten Nationen (UNO) vorgeworfen, den Wiederaufbau in Syrien zu behindern. Die UNO habe im vergangenen Jahr "eine geheime Richtlinie" verschickt, die ihren Organisationen verbiete, sich "an Projekten zur Wiederherstellung der syrischen Wirtschaft" zu beteiligen, sagte Lawrow am Montag in Moskau laut AFP. Laut Lawrow soll das Verbot so lange gelten, bis es Fortschritte beim "politischen Umbau" des Landes gibt.

Der Außenminister kritisierte mangelnde Transparenz im Entscheidungsprozess und forderte eine Erklärung von UN-Generalsekretär Antonio Guterres, warum der Sicherheitsrat nicht über die Richtlinie informiert wurde.

Russland hat 2015 auf Bitte der syrischen Regierung in den Krieg eingegriffen.

Rückkehr der Flüchtlinge

Russland und Syrien arbeiten derzeit daran, die Rückkehr von rund 5,6 Millionen syrischer Flüchtlinge zu beschleunigen. Im letzten Monat seien bereits etwa 7000 Flüchtlinge aus aus dem Libanon nach Syrien zurückgekehrt, sagte Lawrow. Russland wirbt zudem im Ausland um Finanzzusagen für den Wiederaufbau Syriens.

Seit Kriegsbeginn 2011 sind mehr als die Hälfte der Syrer entweder zu Flüchtlingen im eigenen Land geworden oder ins Ausland geflohen. Mehr als 350.000 Menschen wurden getötet.

Libanon und Russland wollen die Rückkehr der ins Ausland geflüchteten Syrer beschleunigen. Es gebe keinen Grund mehr, dass die Flüchtlinge im Libanon blieben, sagte Libanons Außenminister Gebran Bassil am Montag nach Gesprächen mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow in Moskau. In Syrien gebe es friedliche und stabile Gebiete. Lawrow sagte russische Hilfe zu.

Deutschland ist gegen eine Rückkehr der Flüchtlinge: "Die Forderung Russlands - und auch der AfD - dass die syrischen Flüchtlinge am besten morgen schon zurückkehren sollen, ist zum jetzigen Zeitpunkt völlig illusorisch", sagte Außen-Staatsminister Niels Annen (SPD) der Nachrichtenagentur Reuters. CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer äußerte sich ähnlich.

Zunächst müsse eine "humanitäre Katastrophe" in Idlib im Nordwesten vermieden und ein Frieden erreicht werden, wies Regierungssprecher Steffen Seibert russische Forderungen nach finanziellen Hilfen zurück. "Derzeit fehlt es an den Voraussetzungen, um uns mit der Frage eines danach notwendigen Wiederaufbaus zu befassen", sagte auch Annen. Die Provinz Idlib ist der letzte Rückzugsort der internationalen und islamistischen Söldner. Die Syrische Armee hat den Kampf um die Region eröffnet.

Am Samstag hatte Russlands Präsident Wladimir Putin bei einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel die Europäer aufgefordert, sich am Wiederaufbau Syriens zu beteiligen. In erster Linie sei dies in Gebieten nötig, in denen Flüchtlinge aus dem Ausland in ihre Heimat zurückkehren könnten. Dabei gehe es etwa um den Wiederaufbau der oft durch den Krieg zerstörten Wasserversorgung und Heizungen.

"Deutschland sollte prinzipiell zum Wiederaufbau beitragen. Das ist unsere humanitäre Verpflichtung", sagte der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Johann Wadephul zu Reuters. "Nur bei einem Wiederaufbau werden Flüchtlinge zurückkehren beziehungsweise nicht weiter hierher wandern wollen." Allerdings forderte auch Wadephul einen UN-geleiteten Versöhnungsprozess als Voraussetzung. Zunächst müsse darüber gesprochen werden, wie eine Nachkriegsordnung überhaupt aussehen solle, sagte auch CDU-Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer.

Rund sechs Millionen Syrer waren im Krieg ins Ausland geflüchtet. Die meisten wurden in den Nachbarländern Libanon, Jordanien und Türkei aufgenommen. Etwa eine Million Syrer flohen in die EU, die meisten davon nach Deutschland.

Nachkriegsordnung

Putin nahm während seines Treffens mit Merkel Bezug auf die vom türkischen Präsidenten Erdogan vorgeschlagene Syrien-Konferenz zwischen der Türkei, Russland, Deutschland und Frankreich. "Dieses Format wurde erwähnt (...) Es wurde vereinbart, dass der Dialog in diesem Format auf der Expertenebene und auf der Ebene der Berater fortgeführt wird", zitiert die Tass Peskow.

In Bezug auf das mögliche Gipfeltreffen Russlands, Deutschlands, Frankreichs und der Türkei zu diesem Thema sagte Peskow, dass ein solches Ereignis "noch zu vereinbaren" sei. "Bisher wurden keine Zeitrahmen vereinbart", fügte er hinzu.

Der türkische Geopolitiker Hasan Köni sagte dem Blatt Aydınlık, dass es auf dem angepeilten Vierer-Gipfel nicht nur um den Syrien-Konflikt gehen werde. Paris, Berlin, Ankara und Moskau seien allesamt gegen die Sanktionspolitik der USA gegen den Iran, da all diese Staaten wirtschaftliche und handelspolitische Interessen haben. Köni wörtlich: “Russland, Deutschland, Frankreich und die Türkei kommen aufgrund des von den USA ausgelösten Handelskriegs zusammen. Das weltweite System befindet sich im Umbruch. Die USA verzeichnen einen stetigen Rückgang und führen einen psychologischen Krieg, der auf einer Reihe von Bluffs basiert. Da die USA sich über die negativen Auswirkungen eines Kriegs bewusst sind, ziehen sie einen Handelskrieg vor. Die Europäer wollen das teurere US-Gas statt das russische Gas kaufen. Insbesondere Russland und Deutschland werden von dem Gipfel am 7. September profitieren. Das wird sich auch positiv auf die Türkei auswirken.”

Hasan Ünal, Geopolitiker aus dem eurasischen politischen Lager, meint, dass sich erstmals eine Achse aus Moskau, Berlin, Paris und Ankara herausbilden könnte. Ünal sagt wörtlich: “Russland hat zuletzt eine Annäherung an Deutschland vorangetrieben. Eine andere Annäherung, die ins Auge fällt, ist die zwischen Russland und Frankreich. Die Regierung in Paris hat verstanden, dass die USA in Syrien besiegt wurden. In den vergangenen Tagen hat Frankreich an die syrische Regierung humanitäre Hilfen versendet. Diese humanitären Hilfen wurden mit russischen Flugzeugen nach Syrien gebracht. Macron beginnt, ganz offen über eine Kooperation mit Russland zu sprechen. Russland versucht seit geraumer Zeit, eine Kooperation mit Deutschland und Frankreich voranzutreiben, und nimmt die Türkei mit dazu. Diese Einheit ist weitaus wichtiger für die Zukunft der Türkei, als die EU-Mitgliedschaft. Dieser Gipfel wird eine wichtige Antwort auf den Handelskrieg der USA sein”. Ünal hatte zuvor die Evakuierung der White Helmets aus Syrien kritisiert. Er ist der Ansicht, dass für die neuen Gastländer, unter anderem Deutschland, ein enormes Sicherheitsrisiko entstehen wird.

Allerdings bleibt unklar, ob Moskau ein wirkliches Interesse an einer Vierer-Achse hat. Der russische Vize-Außenminister Michail Bogdanow sagte der Nachrichtenagentur Tass am Montag, dass die Durchführung der Konferenz nicht von Russland abhänge. Bisher habe es während der Konsultationen Unstimmigkeiten der Türkei mit Deutschland und Frankreich gegeben. Für Russland hätten die Astana-Gespräche einen klaren Vorrang. "Die Vorbereitungen für ein weiteres Gipfeltreffen der Garantenstaaten (Russland, Türkei und Iran) in Teheran sind in vollem Gange, also bereiten wir uns auf dieses wichtige Ereignis vor", so Bogdanow.

Moskau und Ankara werden in naher Zukunft wichtige Konsultationen über Syrien führen, fügte er hinzu. "Wir haben intensive Kontakte mit unseren türkischen Partnern auf allen Ebenen gepflegt. Der türkische Verteidigungsminister hat kürzlich Moskau besucht, weitere wichtige Treffen mit den Türken werden in naher Zukunft folgen", so Bogdanow.

Am 17. August fand in Moskau ein Gespräch zwischen dem russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu und seinem türkischen Amtskollegen Hulusi Akar statt, die über Möglichkeiten zur raschen Verbesserung der humanitären Lage in Syrien und der Rückkehr von Flüchtlingen diskutierten. Außerdem haben beide Seiten auch die Zusammenarbeit zwischen den Verteidigungsministerien der beiden Länder angesprochen.

Vertreter der drei Garanten des syrischen Waffenstillstands (Russland, Iran und Türkei) werden im September in Genf mit dem Sondergesandten der UN für Syrien, Staffan de Mistura, zusammentreffen, um die Einrichtung eines syrischen Verfassungsausschusses zu diskutieren. Bogdanow wörtlich: "Es wird ein Treffen zwischen den Vertretern der drei Garanten des Astana-Prozesses - Russland, Iran und Türkei - und dem Sondergesandten der UN für Syrien, Staffan de Mistura, geben (...) Das Treffen findet vor dem Beginn der Generalversammlung der UN vom 10. bis zum 15. September statt, aber es wurde noch kein konkretes Datum festgelegt. Wir wollen de Mistura aktiv unterstützen, also werden wir über die Einrichtung eines syrischen Verfassungsausschusses diskutieren."

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