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Bundesregierung kündigt Verträge mit Maut-Betreibern

Lesezeit: 3 min
20.06.2019 14:35
Die Bundesregierung hat zwei Verträge zur Kontrolle und Einnahme der Mautgebühren gekündigt. Unklar ist, wieviel der Bund jedoch trotzdem zahlen muss.
Bundesregierung kündigt Verträge mit Maut-Betreibern
Der Deutsche Städtetag verlangte eine Ausweitung der bisher auf Autobahnen und Bundesstraßen fälligen Lkw-Maut auf alle Straßen. (Foto: dpa)

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Nach dem Stopp der Pkw-Maut durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) hat der Bund schnell erste Konsequenzen gezogen. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) veranlasste noch am späten Dienstagabend, zwei bereits geschlossene Verträge für die Erhebung und die Kontrolle der Gebühr für die Straßennutzung zu kündigen. Das teilte sein Ministerium am Mittwoch mit. Auch weitere Verfahren und Ausgaben für den eigentlich geplanten Start der Maut im Oktober 2020 wurden gestoppt. Nach dem Aus für das bisherige Modell läuft eine neue Debatte über andere Ansätze für ein Mautsystem an - auch mit Blick auf mehr Klimaschutz.

Die Zuschläge für den eigentlich vorgesehenen Betrieb hatte das Ministerium schon im vergangenen Jahr dem Mautsystem-Anbieter Kapsch und dem Ticketverkäufer CTS Eventim erteilt. Opposition und SPD kritisieren, dass so noch vor der endgültigen Rechtssicherheit Fakten geschaffen wurden - mit Risiken. Das Ministerium argumentiert, es sei in der Pflicht gewesen, die Pkw-Maut schnell umzusetzen, um die erwarteten Einnahmen für Verkehrs-Investitionen zu sichern.

CTS Eventim erklärte, die einseitige Kündigung des Vertrags mit Wirkung zum 30. September werde nun gemeinsam mit Kapsch auf Gründe und Auswirkungen hin geprüft. Die mit dem Bund geschlossenen Verträge enthielten «Schutzbestimmungen», die Vermögensschäden für die Betreiber vorbeugen sollen. Dies gelte auch für den Fall, dass Maut nicht eingeführt werde.

Zeigen muss sich nun, inwiefern der Bund zahlen muss. Das Auftragsvolumen für die Maut-Erhebung sollte über die vorgesehene Mindest-Vertragslaufzeit von zwölf Jahren bei knapp zwei Milliarden Euro liegen, hatten die Firmen Ende 2018 mitgeteilt.

Die obersten EU-Richter hatten die Maut am Dienstag für rechtswidrig erklärt, da sie Fahrer aus dem Ausland benachteilige. Hintergrund ist, dass nur Inländer für Mautzahlungen komplett über eine Senkung der Kfz-Steuer entlastet werden sollten. Scheuer hatte unmittelbar nach dem Urteil eine Arbeitsgruppe eingerichtet, um finanzielle und organisatorische Folgen zu klären.

Die Opposition befürchtet erhebliche Kosten. Die Betreiber hätten Investitionen getätigt und Anspruch auf entgangene Gewinne, sagte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer. Fraktionschef Anton Hofreiter forderte, Scheuer müsse offenlegen, «wie viel Steuergelder genau verloren sind». FDP-Verkehrsexperte Oliver Luksic sagte der dpa, das gescheiterte «bayerische Bierzeltprojekt Pkw-Maut» bringe statt Einnahmen «nur Belastungen deutscher Steuerzahler in Millionenhöhe». Der Linke-Verkehrspolitiker Jörg Cezanne sagte: «Die umgehende Kündigung der Verträge ist zwar teuer, aber der richtige Schritt.»

Vor allem für Gutachten und Beratung hat der Bund bereits 42 Millionen Euro ausgegeben. Weitere 86 Millionen Euro waren eingeplant. Kommende Woche will Scheuer im Bundestag an der Sitzung des Verkehrsausschusses teilnehmen.

Nach dem Aus der bisherigen Maut-Pläne wird über alternative Modelle diskutiert - vor allem mit stärkerem Fokus auf den Umweltschutz. Unter anderem das Umweltbundesamt (UBA) hatte eine «fahrleistungsabhängige Pkw-Maut» empfohlen. «Wer viel fährt, zahlt viel; wer wenig fährt, zahlt weniger», hatte UBA-Präsidentin Maria Krautzberger erklärt. Das sei «gerecht und gut für Umwelt und Klima». Dabei hat sie Umweltverbände auf ihrer Seite. Für Bundesumweltministerin Svenja Schulze dagegen ist das Thema Pkw-Maut in Gänze erledigt, wie ein Sprecher der SPD-Politikerin klarstellte.

Die Grünen sind sich beim Thema Umwelt-Maut nicht einig. Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann warb für elektronische Systeme, die Gebühren differenziert und nach gefahrener Strecke erheben - mit variablen Tarifen je nach Tageszeit. Das bisherige Modell sah Tarife für bestimmte Zeiträume vor, unabhängig davon, wie oft man tatsächlich fährt. Fraktionsvize Krischer hält davon nichts: «Wir brauchen für den Klimaschutz im Verkehr schnell wirksame Maßnahmen und nicht die erneute jahrelange Blockade durch die nächste irre Mautdebatte», sagte er der dpa.

FDP-Fraktionsvize Frank Sitta sagte der dpa, eine Ausweitung der Nutzerfinanzierung - also Maut - auf Pkw könne sinnvoll sein. Dafür müsse aber etwa die Kfz-Steuer entfallen. Ein solches System müsse intelligenter sein als die bisher geplante «Flat Rate». Abrechnung und Kontrolle dürften nicht der Überwachung der Fahrer dienen können.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund forderte eine «intelligentere» Neulösung im Sinne des Umweltschutzes. «Wichtig wäre es allerdings, gerade die ländlichen Räume und die Pendler, die vielfach keine Alternative zur Nutzung eines Pkw haben, nicht zusätzlich zu belasten», sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Mittwoch).

Der Deutsche Städtetag verlangte eine Ausweitung der bisher auf Autobahnen und Bundesstraßen fälligen Lkw-Maut auf alle Straßen. Dies würde helfen, das für Stadtbewohner belastende Ausweichen von Lkw von Mautstrecken auf innerstädtische Straßen zu unterbinden, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy der «Heilbronner Stimme»

 

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