Der traditionsreiche schwäbische Industriedienstleister Bertrandt gehört zu den Unternehmen, die arg von der internationalen Krise gebeutelt werden. Die Ergebnisse haben sich nach den ersten drei Quartalen des laufenden Jahres um mehr als fünf Prozent auf 30,4 Millionen Euro verringert. Darüber hinaus ist der Aktienkurs in den vergangenen zwölf Monaten um ein sattes Drittel eingekracht. Zum Vergleich: der SDax, in dem die Aktie gelistet ist, hat im selben Zeitraum sogar zugelegt – und das gleich um zwölf Prozent.
Doch jetzt versucht das Unternehmen, an dem Porsche fast 30 Prozent der Anteile hält, sich gegen den Abwärtstrend zu stemmen und in einem neuen Geschäftsfeld zu etablieren: So will Bertrandt, das weltweit 13.000 Mitarbeiter beschäftigt, Antriebslösungen für Wasserstoff entwickeln. Deshalb hat der Vorstand, der von den Managern Hans-Gerd Claus, Michael Lücke und Markus Ruf gemeinsam repräsentiert wird, für seinen Münchner Standort die offizielle Zulassung für die Arbeit mit Wasserstoff bekommen.
Das bestätigte auf Anfrage der Deutschen Wirtschaftsnachrichten (DWN) die Sprecherin des Unternehmens, Julia Nonnenmacher. „Ziel hierbei ist es, interessierten Entwicklungspartnern und Nutzern unsere Gesamtkompetenz darzustellen“, erklärte Nonnenmacher. „Unser Produkt ist hierbei die Entwicklungsleistung“, sagte sie.
Bundesregierung: "Wir werden die Nummer eins"
Hintergrund: Bertrandt, das keinen Vorstandsvorsitzenden hat, will an einem Markt mitverdienen, der derzeit von der Bundesregierung stark gefördert wird. Aufgrund des Klimawandel stehen die Regierungen aller Länder weltweit unter Druck, den klassischen Verbrennungsmotor aus den Fahrzeugen zu verbannen. Die Entwicklung von Antrieben, die auf Wasserstoff beruhen, ist dabei eine Lösung.
Deshalb will die Bundesregierung bis Jahresende „eine Wasserstoff-Strategie“ präsentieren. „Deutschland muss in diesem Bereich die Nummer eins werden“, hatte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier auf „einer Konferenz zur nationalen Wasserstoffstrategie“ Anfang November ein sehr ehrgeiziges Ziel vorgegeben. Wasserstoff kann seinen Aussagen zufolge ohne CO2-Emissionen hergestellt werden.
„Er ist ein Schlüsselrohstoff einer langfristigen erfolgreichen Energiewende“, so Altmaier. „In der Industrie kann perspektivisch bei vielen Prozessen CO2-frei erzeugter Wasserstoff zum Einsatz kommen“, erklärte das Regierungsmitglied. Im Verkehrsbereich stehen seinen Aussagen zufolge der Luftverkehr, die Schifffahrt sowie Schwerlastwagen im Mittelpunkt.
Umsätze der Hersteller 2024 weltweit wohl bei einer Milliarde Euro
Schätzungen zufolge wird dieser Markt für Brennstoffzellen in den kommenden Jahren im zweistelligen Prozentbereich wachsen. Im laufenden Jahr dürften die Umsätze, die die Hersteller damit weltweit generieren, wahrscheinlich bei 342 Millionen Dollar (rund 310 Millionen Euro) liegen. Bis 2024 sollen die Erlöse um mehr als ein Viertel auf fast 1,1 Milliarden Dollar (eine Milliarde Euro) klettern. Davon gehen internationale Analysten aus.
Da die Wachstumsraten so vielversprechend ausfallen, will sich dort auch Bertrandt etablieren. Das Unternehmen profitiert zudem davon, dass sich derzeit die Stimmung am Aktienmarkt wandelt. So bewerten immer mehr einheimische Börsendienstes die Aktie positiv. „Lohnt sich wieder ein Einstieg bei Bertrandt im Dezember?“ fragt beispielsweise www.boerse.de und analysiert die Entwicklung des Papiers.
Doch dürften die Hoffnungen, die mit dem Einstieg in den Wasserstoff-Markt verbunden sind, aber auch begrenzt sein. Denn die Größe dieses Segmentes bleibt mit einer knappen Milliarde Euro weltweit überschaubar. Zum Vergleich: Dies ist eine Summe, die Bertrandt allein in einem Jahr umsetzt. Folglich ist dieses Marktvolumen global nicht sonderlich groß.
Darüber hinaus werden die wichtigsten Geschäfte nicht in Europa und in Deutschland gemacht, sondern in Nordamerika und Asien. Davon gehen die internationalen Analysten aus. Diese Kontinente werden wohl gemeinsam weit mehr als 80 Prozent der Volumina auf sich vereinen. Deutschland spielt dabei nur eine marginale Rolle. Das wichtigste Geschäft wird wohl in den kommenden Jahren weiterhin mit der Zulieferung zum klassischen Verbrennungsmotor gemacht werden – unabhängig davon, ob die Bundesregierung die Technologie fördert oder nicht. Oder ob Bertrandt nun versucht, dort fußzufassen.