Finanzen

Termingeschäfte eingeschränkt: Weltgrößter Pensionsfonds geht gegen Spekulanten vor

Lesezeit: 3 min
05.12.2019 11:00
Mit einer Neuregelung zu seinem Aktienportfolio macht Japans staatlicher Pensionsfonds Leerverkäufern einen Strich durch die Rechnung. Bestimmte Aktien im Portfolio werden nun nicht mehr an Spekulanten ausgeliehen.
Termingeschäfte eingeschränkt: Weltgrößter Pensionsfonds geht gegen Spekulanten vor
Yen- und Dollarscheine. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Japans staatlicher Pensionsfonds (Government Pension Investment Fund, GPIF) - mit einem verwalteten Vermögen in Höhe von etwa 161,8 Billionen Yen (etwa 1,347 Billionen Euro) der größte Pensionsfonds der Welt - hat zum Schlag gegen Leerverkäufer ausgeholt. Der Fonds wird es nicht länger zulassen, dass ausländische Aktien aus seinem globalen Portfolio ausgeliehen werden. Betroffen sind Aktien im Umfang von 370 Milliarden Dollar.

Händler, die Aktien mit Leerverkäufen verkaufen und auf einen Preisverfall wetten wollen, müssen sich diese zunächst bei ihrem Besitzer ausleihen. Dann verkaufen sie die geliehenen Aktien, streichen den Gewinn ein und hoffen, dass der Kurs der Aktie am vereinbarten Rückgabetag an den Eigentümer tiefer ist als zum Zeitpunkt des Verkaufs und sich dadurch eine Gewinnmarge bildet. Für diese auch als Short-Selling bekannten Geschäfte, die unter Umständen den Kurs einer Aktie zum Absturz bringen können, wird Japans staatlicher Pensionsfonds künftig keine ausländischen Aktien aus seinem Portfolio mehr zur Verfügung stellen.

"Der Schritt könnte sich als äußerst störend für die Aktienmärkte erweisen, wenn andere seinem Beispiel folgen", schreibt die Financial Times. Tesla-Gründer Elon Musk hingegen, der in der Vergangenheit bereits mit Leerverkäufern gestritten hatte, die gegen sein Elektroauto-Unternehmen gewettet hatten, lobte die Entscheidung des Pensionsfonds. "Bravo, richtig so! Leerverkäufe sollten illegal sein", schrieb er am Dienstag auf Twitter.

Der Fonds begründet den Schritt damit, dass das Verleihen von Aktien ihn bei der ordnungsgemäßen Verwaltung der zugrunde liegenden Investitionen behindere. Dazu gehöre mangelnde Transparenz über den Endkreditnehmer und die Verwendung von Fonds-Anteilen. Sollten diese Bedenken ausgeräumt werden, will der Fonds eine erneute Kreditvergabe in Betracht ziehen. Der Fonds wird nun zwar keine Aktien mehr ausleihen, doch Wertpapiere aus seinem Rentenportfolio sind von der neuen Regelung nicht betroffen.

Insider bei dem Fonds sagten, dass die Initiative, die von Chief Investment Officer Hiro Mizuno angeführt wurde, auf eine Reihe von internen Einwänden gestoßen und weiterhin umstritten sei. Die Entscheidung werde dem japanischen Fonds angeblich direkte finanzielle Kosten verursachen. Laut dem jüngsten Jahresbericht des Fonds wurden in den letzten drei Jahren 2016 bis 2018 netto insgesamt 300 Millionen Dollar an Gebühren für die Verleihungen von Aktien, die im ausländischen Segment ihres Portfolios liegen, eingenommen.

Nach japanischen Vorschriften, die dem Pensionsfonds das Halten von einzelnen Aktientiteln untersagen, wird die Verwaltung der Beteiligungen des Fonds einem breiten Spektrum externer Vermögensverwalter übertragen. Einige der externen Vermögensverwalter haben gesagt, dass CIO Hiro Mizuno sie unter Druck gesetzt habe, stärkeren Einfluss auf Unternehmen auszuüben, insbesondere in Fragen der Governance.

Von der FT befragte Händler in Tokio sagten, dass das unmittelbare Risiko, das die GPIF-Entscheidung für die Märkte mit sich bringt, darin bestehe, dass sich andere Vermögensverwalter verpflichtet fühlen könnten, dem Beispiel zu folgen und die Praxis des Leerverkaufs effektiv als "nicht-ESG" zu bezeichnen, was für Environmental, Social und Governance steht, also für Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Andere sagen, dass trotz der enormen Symbolik keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Marktbedingungen zu erwarten seien.

Es gibt zahlreiche Aspekte der Wertpapierleihe, die für ESG-orientierte Anleger ein Problem darstellen können. Wenn beispielsweise eine Aktie ausgeliehen wird, geht in der Regel das Stimmrecht an den Leihenden über, was bedeutet, dass der Vermögenseigentümer auf diese Weise zur Zeit der Ausleihung keinen Einfluss mehr auf die Unternehmen in seinem Portfolio nehmen kann. Viele Anleger sind auch besorgt, dass ihre verliehenen Wertpapiere im Zusammenhang mit Dividendenausschüttungen zur Steuerhinterziehung verwendet werden könnten.

Es gibt jedoch Möglichkeiten, wie Investoren diese beiden Szenarien vermeiden können, sagte Andrew Dyson, Chef der in London ansässigen International Securities Lending Association. Viele Vermögenseigentümer hätten in ihren Kreditrichtlinien Bestimmungen, die eine Rückgabe ihrer Wertpapiere für Abstimmungszwecke vorschreiben. Um Steuerhinterziehung zu vermeiden, könnten sie zudem vereinbaren, dass keine Wertpapiere in der Nähe der Veröffentlichung von Dividendenplänen ausgeliehen werden.

Dyson vertritt jedoch die Ansicht, dass die Wertpapierleihe für gut funktionierende Märkte von entscheidender Bedeutung ist. "Die Wertpapierleihe ist eines der verfügbaren Instrumente, um sicherzustellen, dass das Kapital seinen rechtmäßigen Platz im Wirtschaftsmodell findet", zitiert ihn die Financial Times. "Ich würde sagen, dass sich [Leerverkäufe] nicht von einem Fondsmanager unterscheiden, der einen Index, an dem er teilhat, über- oder untergewichtet."

Kürzlich erst hat der japanische Pensionsfonds (GPIF) mit seiner Entscheidung, künftig keine Details mehr zur Zusammensetzung seines Portfolios offenzulegen, für Aufsehen und Spekulationen gesorgt.


Mehr zum Thema:  

DWN
Finanzen
Finanzen Fundamentale Aktienanalyse - so bewertet man Wertpapiere richtig
18.03.2024

Die fundamentale Aktienanalyse ist ein unverzichtbares Instrument für jeden Investor, der Wertpapiere nicht nur verstehen, sondern auch...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Umfrage: Sehr viele Deutsche sorgen sich vor weiteren Energiepreissprüngen
18.03.2024

Die Menschen in Deutschland haben einer Umfrage zufolge Sorgen vor weiteren Energiesprüngen und allgemeinen Preissteigerungen - trotz der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Airbus-Jubiläum: 50 Jahre Linienflüge im Airbus - Boeing hat Wettkampf quasi verloren
18.03.2024

Kein Hersteller baut so gute und so viele Flugzeuge wie Airbus. Eine Erfolgsgeschichte, an die sich Frankreich und Deutschland gerade in...

DWN
Finanzen
Finanzen Bankenaufsicht: Mehrzahl der Geldinstitute kann kräftigen Gegenwind überstehen
18.03.2024

In Deutschland und Europa ist das Gros der Geldhäuser gut kapitalisiert. Die Krise an den Märkten für Büro- und Handelsimmobilien...

DWN
Technologie
Technologie Verhandelt Apple mit Google über KI-Technologie?
18.03.2024

Gibt es bald Googles KI auf Apples iPhones? Laut gut informierten Kreisen verhandelt Apple angeblich mit Google über die Integration von...

DWN
Panorama
Panorama ifo-Institut und EconPol Europe: Wirtschaftsforscher fordern mehr Energie-Zusammenarbeit in Europa
18.03.2024

Wirtschaftswissenschaftler appellieren an die EU, im Zusammenhang mit ihrer Energiepolitik aus der aktuellen Energiekrise zu lernen und mit...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Arbeiten ohne Grenzen: Was beim Homeoffice im Ausland zu beachten ist
18.03.2024

Arbeiten über Grenzen hinweg: Ein Trend, der immer beliebter wird - und große Chancen bietet, wenn Sie steuer- und...

DWN
Technologie
Technologie Patentamt: Deutsche Industrie macht Tempo bei KI-Entwicklung
18.03.2024

Vom Patentamt kommen gute Nachrichten: Industrie und Wissenschaft in Deutschland machen in Forschung und Entwicklung deutlich mehr Tempo...