Die britische Wirtschaft ist im Frühjahr wegen der Corona-Pandemie in Rekordtempo abgestürzt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) brach von April bis Juni um 20,4 Prozent zum Vorquartal ein, wie das Statistikamt am Mittwoch in London mitteilte. Kein anderes großes Industrieland hat ein so großes Minus gemeldet. Zum Vergleich: Die deutsche Wirtschaft schrumpfte im zweiten Quartal mit 10,1 Prozent nur etwa halb so stark. Da die britische Wirtschaft bereits im vorangegangenen Vierteljahr schrumpfte, befindet sie sich nun auch offiziell in der Rezession.
Die Pandemie hat Großbritannien besonders stark zugesetzt: Bislang wurden der Johns Hopkins University zufolge 313.394 Infektionen festgestellt, 46.611 starben an Covid-19. Die Regierung von Premierminister Boris Johnson hatte nach anfänglichem Zögern einen harten Lockdown durchgesetzt, der weite Teile der Wirtschaft zum Erliegen brachte.
Inzwischen gibt es aber auch Signale, dass die sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt mit der Aufhebung vieler Beschränkungen wieder wächst. Im Juni allein legte sie um 8,7 Prozent zum Mai zu, wie das Statistikamt betonte. "Die Wirtschaft begann sich im Juni zu erholen", sagte Jonathan Athow vom Office for National Statistics. "Trotzdem liegt das BIP immer noch ein Sechstel unter dem Niveau vom Februar, bevor das Virus zuschlug."
Nach Prognose der britischen Notenbank wird das Bruttoinlandsprodukt dieses Jahr insgesamt um 9,5 Prozent fallen - ein Konjunktureinbruch, wie ihn Großbritannien seit rund 100 Jahren nicht mehr erlebt hat. Nächstes Jahr soll dann ein Wachstum von neun Prozent folgen.
Zahl der Beschäftigten bricht ein, Arbeitslosenrate bleibt dieselbe
Die Corona-Rezession hat im Frühjahr so viele Jobs in Großbritannien ausradiert wie seit der Finanzkrise 2009 nicht mehr. Die Zahl der Beschäftigten fiel von April bis Juni um 220.000, wie das Statistikamt am Dienstag in London mitteilte. Dabei gaben so viele Selbstständige auf wie nie zuvor, während die Zahl der Angestellten zunahm. Die Arbeitslosenquote blieb mit 3,9 Prozent unverändert. Allerdings haben viele Briten die Jobsuche aufgegeben und wurden deshalb nicht als arbeitslos registriert. Zudem gaben etwa 300.000 Personen an, dass sie beschäftigt waren, obwohl sie nicht arbeiteten und keinen Lohn erhielten - was bedeutet, dass die offizielle Arbeitslosenrate zu niedrig angesetzt ist.
"Mir war immer klar, dass wir nicht jeden Arbeitsplatz schützen können", sagte Finanzminister Rihsi Sunak. Die Hilfsprogramme der Regierung würden aber wirken. Dadurch werde sichergestellt, "dass niemand ohne Hoffnung bleibt". Die Notenbank geht davon aus, dass sich die Arbeitslosenquote bis Jahresende auf 7,5 Prozent in etwa verdoppeln könnte.
Die Notenbank kündigte eine noch stärkere Unterstützung der Wirtschaft für den Fall an, dass sich die Konjunktur weiter abschwächt. Sollte es Anzeichen für eine "Dysfunktion" der Märkte geben, werde man handeln, sagte der stellvertretende Gouverneur Dave Ramsden der "Times". Die BoE habe noch deutlichen Spielraum. Die sei darauf vorbereitet, dann mehr als die bislang veranschlagten 745 Milliarden Pfund (830 Milliarden Euro) in die Wirtschaft zu pumpen. Wichtig sei, wie sich der Arbeitsmarkt entwickele. Einige Unternehmen würden die Krise nicht überstehen, und es würden Jobs verloren gehen.