Unternehmen

IT-Firma liefert Überwachungs-Software an CIA und deutsche Behörden, macht Milliarden-Verlust

Lesezeit: 2 min
05.09.2020 16:32  Aktualisiert: 05.09.2020 16:32
Auch der US-Geheimdienst und das hessische Innenministerium verlassen sich auf die Programme der geheimnisvollen Software-Schmiede aus dem Silicon Valley. Die schreibt trotzdem rote Zahlen - will aber jetzt an die Börse.
IT-Firma liefert Überwachungs-Software an CIA und deutsche Behörden, macht Milliarden-Verlust
Die CIA ist ein besonders guter Kunde des Software-Unternehmens. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Über das operative Geschäft und die Kundenbeziehungen des amerikanischen IT-Unternehmens ist nur wenig bekannt. Jetzt plant "Palantir Technologies" allerdings, an die Börse zu gehen – und muss dafür den üblichen Börsenprospekt liefern. Damit wurden der Allgemeinheit zum ersten Mal die Geschäftszahlen des umstrittenen Unternehmens bekannt.

2019 fiel bei einem Umsatz von 740 Millionen Dollar ein Verlust von 580 Millionen an. Wenn relativ junge Firmen Verluste schreiben, ist dies kein Anlass zur Sorge, aber Palantir gibt es nun schon seit fast 17 Jahren und das Verhältnis des Fehlbetrags zum Umsatz ist äußerst ungesund. Die Kosten sind zu hoch, die Erlöse zu niedrig. Schon 2018 war ein hoher Verlust in ähnlicher Höhe angefallen. Und 2020 beträgt das Defizit bisher 165 Millionen Dollar; immerhin will man beim Umsatz in diesem Jahr die Milliardenmarke knacken (Einnahmen im ersten Halbjahr: 480 Millionen).

20 Milliarden Dollar Börsenwert?

Nach einer privaten Finanzierungsrunde im Jahr 2015 wurde der Unternehmenswert auf 20 Milliarden Dollar geschätzt. Laut Angaben der Financial Times soll der Wert Stand 2019 auf 12 Milliarden Dollar gesunken sein. Nach dem Börsengang wird man Genaueres wissen, denn Palantir strebt eine Direktplatzierung an. Im Gegensatz zum herkömmlichen Börsengang werden dabei keine neuen Aktien ausgegeben, sondern in den Handel kommen die bisher nur privat gehaltenen Anteilsscheine. Mitarbeiter und andere Insider besitzen etwa die Hälfte davon.

Ein eher negatives Zeichen für den zukünftigen Börsenwert ist der Verkauf von 320 Millionen Dollar an Anteilen durch Tiger Global Management, offenbar sieht die Investment-Firma kein großes Kurspotential mehr.

Mitgründer und Vorstandsmitglied von Palantir ist der deutschstämmige Paypal-Gründer Peter Thiel. Palantir erhielt bei seiner Gründung im Jahr 2004 eine Starthilfefinanzierung von zwei Millionen Dollar durch „In-Q-Tel“, eine Risikokapitalfirma, die wesentlich durch die CIA finanziert wird. Auch anderweitig ist die Software-Firma eng mit Sicherheitsbehörden und Geheimdiensten – vor allem amerikanischen– verbunden, das Sicherheits- und Überwachungsgewerbe zählt zu seinen wichtigsten Kunden. Geschäftsbeziehungen mit der chinesischen Regierung schließt man aber gemäß einem Bericht der New York Times komplett aus. Etwa die Hälfte der Erlöse Palantirs entstammen Geschäften mit staatlichen Trägern.

Palantir hat zwei Haupt-Produkte im Angebot: „Gotham“ und „Foundry“. Die beiden Programme ermöglichen die Verarbeitung von riesigen Datenmengen, um Muster darin zu identifizieren und zu analysieren. Dadurch können frühzeitig Entwicklungen und Trends vorhergesagt werden.

Osama Bin Laden und Frankfurt

Unter anderem das US-Verteidigungsministerium, die US-Armee, die CIA, das FBI, die israelische Regierung und Europol nutzen Palantir-Produkte zur Datenanalyse, -aufbereitung und Verbrechensbekämpfung. Gerüchten zufolge kam Palantir-Software auch bei der Aufspürung von Osama bin Laden zum Einsatz. Sogar bei deutschen Behörden nutzt man die Dienste des umstrittenen IT-Unternehmens. Das hessische Innenministerium kaufte sich 2017 Software von Palantir mit dem Ziel, damit Bedrohungslagen und Gefährder frühzeitig zu erkennen – die US-Firma konnte sich bei der Ausschreibung gegen renommierte Konkurrenten wie SAP und IBM durchsetzen. Darüber hinaus zählen zum Beispiel der Finanzsektor und die Pharmaindustrie zum Palantir-Kundenkreis.

Palantir-Chef Alex Karp beklagte sich in dem Börsenprospekt über einen Kulturverfall im Silicon Valley. Während andere Software-Unternehmen Daten nur sammeln würden, um sie für Werbezwecke zu verkaufen, würden die Analyse-Tools von Palantir unter anderem in der Terrorismusbekämpfung eingesetzt und hätten dadurch einen echten gesellschaftlichen Nutzen. Aber, so Karp weiter: „Software-Projekte mit Militär und Geheimdiensten, die für unsere Sicherheit sorgen sollen, sind in unserem Land kontrovers geworden.“

Nach eigenen Angaben will Palantir mit seiner Software die ganze Welt verbessern und sicherer machen. Für humanitäre Zwecke – zum Beispiel im Zusammenhang mit der Coronakrise – bietet die Firme ihre Dienste deshalb zum Teil kostenlos an.

 


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Technologie
Technologie Der Chefredakteur kommentiert: Kleiner Blackout - kein neuer Strom mehr in Oranienburg! Echt jetzt?
19.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Städtereisen neu entdeckt: Easyjet läutet Renaissance der Rollkoffer ein
19.04.2024

Vor genau 20 Jahren eroberte Easyjet mit seinen günstigen Flügen das Festland der EU. Der Start in Berlin-Schönefeld begann...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft G7-Außenministertreffen: Israel-Iran Konflikt überschattet Agenda
19.04.2024

Nach israelischem Angriff auf Iran: G7-Außenministertreffen auf Capri ändert Agenda. Diskussionen zu China und Cyber-Sicherheit werden...

DWN
Politik
Politik Forsa-Zahlen: Die Grünen unterliegen den Fliehkräften der Abwärtsspirale
19.04.2024

Und schon wieder eine Etage tiefer. Der Sog verstärkt sich und zieht die Partei Bündnis 90/Grüne immer weiter hinab in der Wählergunst....

DWN
Technologie
Technologie Sehnsuchtsort Mond – Wettlauf um Macht und Rohstoffe
19.04.2024

Forscher, Technologiefirmen und ganze Staaten streben nach neuen galaktischen Ufern. Der Mond lockt mit wertvollen Rohstoffen und dient...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Trotz Exportbeschränkungen: Deutsche Ausfuhren in den Iran gestiegen
19.04.2024

Deutsche Exporte in den Iran trotzen geopolitischen Spannungen: Anstieg trotz EU- und US-Sanktionen. Welche Kritikpunkte gibt es in diesem...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Krieg: So ist die Lage
19.04.2024

Nach neuen Angriffen: USA und NATO erhöhen Unterstützung für Ukraine, während Russland seinen Machtanspruch verstärkt.

DWN
Immobilien
Immobilien Wie viel Immobilie kann ich mir 2024 leisten?
19.04.2024

Wie günstig ist die aktuelle Marktsituation für den Erwerb einer Immobilie? Auf welche Haupt-Faktoren sollten Kaufinteressenten momentan...