Politik

Polen bleibt eine Erfolgsgeschichte für Europa – trotz ständiger Querelen

Lesezeit: 3 min
17.09.2020 12:50
Als größtes östliches Nachbarland Deutschlands macht Polen politisch gesehen eher negative Schlagzeilen. Doch wirtschaftlich hat das Land Überraschendes zu bieten.
Polen bleibt eine Erfolgsgeschichte für Europa – trotz ständiger Querelen
Polens Staatspräsident Andrzej Duda. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Polen, das größte östliche Nachbarland Deutschlands, macht nach der Regierungsübernahme durch die nationalkonservative Partei für Recht und Gerechtigkeit (PiS) vor einem halben Jahrzehnt überwiegend mit schlechten Nachrichten auf sich aufmerksam. Zuletzt zögerte die Regierung die formale Zustimmung zum Amtsantritt des neuen deutschen Botschafters Arndt Freytag von Loringhoven in Warschau hinaus.

Dies ist in diplomatischen Kreisen sehr unüblich. Einen offiziellen Grund nannte die politische Führungsriege in Warschau nicht. Die regierungsnahe Presse deutete an, dass der familiäre Hintergrund des Diplomaten dafür ursächlich sein könnte. Denn sein Vater Berndt Freytag von Loringhoven war als Adjutant beim Generalstab der Wehrmacht in den letzten Kriegstagen ein enger Mitarbeiter Adolf Hitlers.

Angesichts der Häufung der negativen Schlagzeilen vergessen viele, dass sich das Land in den vergangenen 30 Jahren grundsätzlich sehr positiv entwickelt hat. Staatspräsident Andrzej Duda, der gerade wiedergewählt worden ist, mag zwar offiziell Deutschland gegenüber skeptisch eingestellt sein. Doch macht er dies eher aus taktischem Kalkül, ohne dabei persönliche negative Emotionen zu haben.

Doch das ist noch nicht alles: Wirtschaftlich gesehen ist die Integration Polens in die Europäische Union ein voller Erfolg. Das Land gehörte vor der Pandemie zu den wenigen weltweit, die noch nie eine Rezession haben hinnehmen müssen.

Darüber hinaus hat sich Wirtschaftskraft seitdem fast verneunfacht – eine Tatsache, mit der 1990 nicht alle Investoren, Geschäftsleute und Politiker im Westen gerechnet hatten. Viele hatten der Ukraine – dem unmittelbaren Konkurrenten in der Region – aufgrund ihres Potenzials eine wesentlich bessere Entwicklung vorhergesagt. Stattdessen hat sich deren Ökonomie seitdem kaum entwickelt. Das Land ist vom Krieg gekennzeichnet und droht immer mehr im Chaos zu versinken.

Polen hingegen zeigt sich im Großen und Ganzen solide – aller Turbulenzen zum Trotz, die es mit der Regierung immer wieder gibt. Der Außenhandel ist für Deutschland eine sehr wichtige Stütze. Das Business mit Polen wird nicht zuletzt wegen des Austritts von Großbritannien aus der EU für die deutschen Investoren immer wichtiger.

Doch hatten sich die deutsch-polnischen Geschäfte schon vor dem Referendum der Briten im Jahr 2016 immer mehr verbessert. Das Land ist ein wichtiges Zentrum für die Autoindustrie und anderer klassischer Industrien in Europa.

Für VW und andere deutsche Investoren ist das Nachbarland sogar fast eine zweite Heimat geworden. Und nun könnte es nach der Pandemie eine noch größere Bedeutung bekommen, weil die Unternehmen ihre internationalen Lieferketten neu definieren müssen. Den Großteil der Waren in China wird man nicht mehr im Reich der Mitte herstellen, weil viele jetzt Angst haben.

Polen hingegen liegt geografisch nahe an Deutschland und ist zudem relativ kostengünstig. Darüber hinaus ist das Land gerade dabei, sich von Gazprom unabhängig zu machen. Dies ist ein Ziel, das viele andere Länder im Westen auch haben.

Dem östlichen deutschen Nachbarn könnte dies nun gelingen. Der polnische Konzern für Gasleitungen, GAZ Systems, hat gerade Firmen ausgewählt, die den Bau der „Baltic Pipeline“ beaufsichtigen sollen. Dadurch wird Polen Gas aus Norwegen kaufen und nicht mehr auf den Rohstoff aus Russland zurückgreifen. Das Land hat den laufenden Vertrag mit Gazprom, der noch bis 2022 gilt, nicht verlängert.


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Politik
Politik Europaparlament billigt neue EU-Schuldenregeln nach langwierigen Debatten
23.04.2024

Monatelang wurde über Europas neue Regen für Haushaltsdefizite und Staatsschulden diskutiert. Die EU-Abgeordneten sprechen sich nun für...

DWN
Immobilien
Immobilien Bauministerin: Innenstädte brauchen vielfältigere Angebote
23.04.2024

Klara Geywitz wirbt für mehr Vielfalt in den deutschen Innenstädten, um damit stabilere Immobilienmärkte zu unterstützen. Ein Mix von...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Palantir: Wie Vorurteile die sinnvolle Anwendung von Polizei-Software behindern
23.04.2024

Palantir Technologies ist ein Software-Anbieter aus den USA, der entweder Gruseln und Unbehagen auslöst oder Begeisterung unter seinen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen 20 Jahre EU-Osterweiterung: Wie osteuropäische Arbeitskräfte Deutschland unterstützen
23.04.2024

Zwei Jahrzehnte nach der EU-Osterweiterung haben osteuropäische Arbeitskräfte wesentlich dazu beigetragen, Engpässe im deutschen...

DWN
Finanzen
Finanzen Der DWN-Marktreport: Spannung und Entspannung – Geopolitik sorgt für Bewegung bei Aktien und Rohstoffen
23.04.2024

Die hochexplosive Lage im Nahen Osten sorgte für reichlich Volatilität an den internationalen Finanz- und Rohstoffmärkten. Nun scheint...

DWN
Finanzen
Finanzen Staatsverschuldung auf Rekordhoch: Steuerzahlerbund schlägt Alarm!
23.04.2024

Der Bund Deutscher Steuerzahler warnt: Ohne Kehrtwende droht der fiskalische Abgrund, trotzdem schöpft die Bundesregierung das...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Zahl der Apotheken in Deutschland sinkt weiter - Verband alamiert
23.04.2024

Laut neuen Zahlen gibt es immer weniger Apotheken-Standorte. Der Apothekerverband spricht von „alarmierenden Zeichen“ und erklärt,...

DWN
Finanzen
Finanzen Silber im Aufschwung: Das Gold des kleinen Mannes holt auf
23.04.2024

Silber hinkt traditionell dem großen Bruder Gold etwas hinterher. In den letzten Wochen hat der Silberpreis massiv zugelegt. Was sind die...