Finanzen

Epochaler Umbruch im Geld-Universum: Das Bargeld wird schleichend abgeschafft, das Helikoptergeld für die Massen kommt

Lesezeit: 5 min
18.10.2020 13:12  Aktualisiert: 18.10.2020 13:12
Das marode Finanzsystem steht vor dem Kollaps, den Führungsmächten droht die Kontrolle zu entgleiten. Bargeld-Abschaffung und Zentralbankgeld für die Massen sind zwei Maßnahmen auf dem Weg in eine gar nicht so „schöne neue Welt“, schreibt DWN-Kolumnist Ernst Wolff.
Epochaler Umbruch im Geld-Universum: Das Bargeld wird schleichend abgeschafft, das Helikoptergeld für die Massen kommt
Bill Gates, Vorsitzender der weltweit größten privaten Stiftung, der "Bill & Melinda Gates Foundation", aufgenommen am 11.11.2014 in Berlin während eines Interviews. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Während sich die Aufmerksamkeit der Welt zurzeit vor allem auf die immer umstritteneren Maßnahmen zur Eindämmung der Infektionszahlen und den zunehmend härteren Schlagabtausch im US-Wahlkampf richtet, findet im Hintergrund ein Prozess statt, der uns alle weit über Covid-19 oder den nächsten US-Präsidenten hinaus betreffen wird: die schrittweise Abschaffung des Bargeldes, auch Demonetisierung genannt.

Galt Deutschland bis 2019 als ausgesprochenes Bargeld-Land, so hat sich durch die Corona-krise einiges geändert. Laut einer Umfrage des Bankenverbands zahlen inzwischen mehr als 60 Prozent der Deutschen regelmäßig mit ihrer Girokarte, ihrer Kreditkarte oder mit dem Handy. Das ist rund ein Viertel mehr als vor der Krise.

Dieser Trend ist von den Profiteuren der Entwicklung kräftig gefördert worden. Zum einen wurden die Menschen im Rahmen der sogenannten Hygiene-Maßnahmen in zahlreichen Geschäften mit mehr oder weniger Nachdruck dazu animiert, bargeldlos zu bezahlen. Zum anderen hat die Senkung der Mehrwertsteuer zur Zurückdrängung des Bargeldes beigetragen, denn diverse Geschäfte (wie zum Beispiel die Bäckereikette Kamps) geben den eingesparten Betrag an ihre Kunden weiter, sofern sie auf Bargeld verzichten.

Außerdem wird digitales Bezahlen zunehmend erleichtert – nicht zuletzt durch neue und überraschende Allianzen wie der zwischen dem deutschen Sparkassenverband und dem IT-Giganten Apple. Wie aus dem Nichts kam Ende August die Ankündigung, dass 46 Millionen Besitzer von Sparkassen-Cards ihre Zahlungen ab sofort über Apple Pay mit dem Smartphone tätigen könnten – immerhin fast die Hälfte aller deutschen Girocard-Benutzer.

Zudem wird die Angst vor dem Virus noch immer zugunsten der Bargeldzurückdrängung ausgeschlachtet. So wurde erst in dieser Woche auf Grund eines Berichtes australischer Forscher weltweit davor gewarnt, dass der Erreger auf Oberflächen wie den Touchscreens von Bankautomaten und Geldscheinen aus Kunststoff bis zu 28 Tage überleben könne – zwei Wochen, nachdem die WHO offiziell festgestellt hat, dass die Zahl der Gesundheitsnotfälle bei Covid-19 mittlerweile bei 0,14 Prozent und damit unter der einer saisonalen Grippe liegt.

„Weiche“ Strategie statt hartem Schnitt

Es ist davon auszugehen, dass das Virus auch in den kommenden Wochen und Monaten als Vorwand benutzt werden wird, um das Bargeld weiter zurückzudrängen. Wie es scheint, haben sich die Verantwortlichen allerdings dazu entschlossen, diesen Prozess sanft und nicht etwa im Hauruckverfahren voranzutreiben.

Derartige Versuche hat es in der Vergangenheit ja bereits gegeben. Der extremste Fall ist der Alleingang des indischen Premierministers Modi, der am 8. November 2016 in einer Fernsehansprache völlig überraschend erklärte, dass ab dem Folgetag alle 500- und 1000-Rupien-Banknoten (im Gegenwert von damals 6,89 bzw. 13,77 Euro) nicht mehr als Zahlungsmittel gültig seien und bis Jahresende bei den Banken eingezahlt bzw. umgetauscht werden müssten. Die Geldentwertung betraf 86 Prozent der in Umlauf befindlichen indischen Geldmenge und löste wegen ihrer drastischen sozialen Folgen heftige internationale Kritik aus.

Wenig bekannt ist bis heute, dass Modis Regierung sich im September 2015 der „Better Than Cash Alliance“ (BTCA, zu deutsch: Besser-als-Bargeld-Bündnis) angeschlossen und sich bei seinem Vorgehen auch von dieser Organisation hatte beraten und unterstützen lassen.

Die BTCA ist 2012 als Unterorganisation der Vereinten Nationen gegründet worden und führt seit acht Jahren einen globalen Kreuzzug gegen das Bargeld. Zu den Gründungsmitgliedern zählen neben dem Kapitalentwicklungsfonds der Vereinten Nationen die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung, Citigroup, die Ford-Stiftung, das Omidyar-Netzwerk, zu dem unter anderem Ebay zählt, und Visa. Mittlerweile haben sich dreißig Länder und zahlreiche Großkonzerne wie Coca Cola, Mastercard, H & M und Unilever der Allianz angeschlossen.

Offiziell gibt die BTCA vor, soziale Ziele zu verfolgen. Angeblich will sie die Armut mit Hilfe der Abschaffung von Bargeld zurückdrängen und vor allem ältere Menschen durch die Einführung digitaler Zahlungsmittel schützen, da „finanzielle Ausbeutung eine der häufigsten Formen des Missbrauchs älterer Menschen ist...“ (Quelle: Gemeinsamer Bericht der BTCA und der Weltbank vom 8. Juli 2019).

Tatsächlich beweist allein das indische Beispiel das genaue Gegenteil, denn gerade alte Menschen waren neben Armen, Händlern und Kleinunternehmern die von der Maßnahme am härtesten betroffene Gruppe innerhalb der Bevölkerung.

Es ist später als die meisten denken

Nur wenigen Menschen ist klar, wie weit die Bargeldabschaffung bereits fortgeschritten ist. Ecuador (kein BTCA-Mitglied) hat 2015 neben der Landeswährung (dem US-Dollar) bereits eine digitale Währung, den Dinero Electrónico, eingeführt, in Schweden kann heute kaum noch mit Bargeld gezahlt werden, in Australien soll das Bargeld nach Aussagen der Regierung bis 2022 abgeschafft sein. In Frankreich und Italien sind Bargeld-Transaktionen über eintausend Euro verboten, Barabhebungen von über 10.000 Dollar ziehen in den USA automatisch eine Kundenüberprüfung nach sich.

Auch die Zentralbanken haben sich dem Trend angeschlossen. Mehr als zwei Drittel von ihnen arbeiten offiziell an eigenen elektronischen Währungen. Die US-Zentralbank FED entwickelt zurzeit den Fedcoin, die Europäische Zentralbank (EZB), die ja bereits im Mai 2016 beschlossen hatte, den 500-Euro-Schein abzuschaffen, beginnt in diesen Tagen mit einer dreimonatigen Testphase und plant für Mitte nächsten Jahres ein konkretes Projekt zur Einführung des digitalen Euro.

Am weitesten fortgeschritten sind die Vorbereitungen in China, wo man bereits im April 2020 damit begonnen hat, den digitalen Yuan im Rahmen der dort CBEP (Central Bank Electronic Payment) genannten Währungsumstellung zu testen.

Dass man sich auch in China für einen „weichen“ Übergang entschieden hat, ist dieser Tage in der Metropole Shenzhen (12,5 Millionen Einwohner) zu sehen. Dort ist vor wenigen Tagen eine Lotterie gestartet worden, bei der die „Gewinner“ von der People’s Bank of China je eines von 50.000 digitalen Zentralbankkonten mit einem vorinstallierten Guthaben von zweihundert Yuan (ca. 26 Euro) erhalten – mit der Vorgabe, das Geld zwischen dem 12. und dem 18. Oktober auszugeben.

Der Druck auf das System ist immens

Auch wenn es so aussieht, als versuche man zurzeit behutsam, möglichst viele Menschen zu Nutzern digitaler Währungen zu machen, darf man eines nicht vergessen: Die Verantwortlichen stehen unter enormem Druck.

Der erneute Beinahe-Zusammenbruch des globalen Finanzsystems im März/April dieses Jahres konnte nur durch die bisher größten Rettungssummen aller Zeiten und die Senkung der Leitzinsen bis in die Nähe der Null verhindert werden. Da auf Grund der bevorstehenden Welle an Firmenzusammenbrüchen mit einer gewaltigen Entlassungswelle zu rechnen ist, muss ein erheblicher Nachfrageschock erwartet werden. Beides zusammen führt in die sogenannte Stagflation, gegen die man nur noch ein Mittel hätte – das Helikoptergeld.

Mit monatlichen Zahlungen an das Heer der Arbeitslosen wird man die Nachfrage anzukurbeln versuchen, was allerdings aus der Stagflation in eine sich schnell verstärkende Inflation und anschließend in eine Hyperinflation führen wird. Diese Hyperinflation dürfte vielen großen Spielern am Markt nicht ungelegen kommen, da sie den gegenwärtig gigantischen globalen Berg an Schulden schnell dahinschmelzen lassen würde.

Wie aber könnte das Spiel anschließend weitergehen? Die Antwort lautet: mit digitalem Zentralbankgeld. Seine flächendeckende Einführung könnte angesichts rapide schwindender Kaufkraft vor allem der unteren Einkommensschichten sogar als sozialer Akt verkauft werden und würde daher vermutlich auf ähnlich hohe Akzeptanz treffen wie der vermeintliche Lottogewinn in Shenzhen.

Zugleich könnte man die Geldströme in einer Weise beeinflussen, die bisher nicht möglich war. Digitales Zentralbankgeld könnte – wie jetzt in China – nur eine begrenzte Zeit gültig, an bestimmte soziale Verhaltensformen gebunden oder auch nur zu bestimmten Zwecken einsetzbar sein.

Dem Alptraum entkommen?

Gäbe es eine Möglichkeit, sich diesem düsteren Szenario zu entziehen? Viele Bitcoin-Anhänger sind überzeugt, dass ihre Kryptowährung die Antwort auf diese Frage liefert. In der Tat funktioniert Bitcoin auf Grund seiner dezentralen Funktionsweise außerhalb des Bankenwesens und ist daher auch staatlicher Kontrolle entzogen.

Die Frage aber ist: Werden die Verantwortlichen Bitcoin und auch die anderen Kryptowährungen wie Ethereum oder Ripple weiter zulassen? In der Europäischen Union gab es vor wenigen Wochen erst einen Vorstoß, diese Währungen zu verbieten.

Das könnte sich allerdings aus rein technischen Gründen schwieriger gestalten, als es sich die Bürokraten in Brüssel vorstellen, denn dann könnte die Welt in ein weiteres Stadium der globalen Geldentwicklung eintreten – die Epoche digitaler Schwarzmärkte.

Egal, wie man es dreht und wendet: Die Welt des Geldes befindet sich momentan in einem historischen Umbruch und wenn es nach denen geht, die die Macht zurzeit in ihren Händen halten, dann wird mit der Abschaffung des Bargeldes auch ein großer Teil unserer Rechte und Freiheiten eingeschränkt und abgeschafft werden, und zwar nicht abrupt, sondern langsam und schleichend.

                                                                            ***

Ernst Wolff, 69, befasst sich mit der Wechselbeziehung zwischen internationaler Politik und globaler Finanzwirtschaft.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Immobilien
Immobilien Bauministerin: Innenstädte brauchen vielfältigere Angebote
23.04.2024

Klara Geywitz wirbt für mehr Vielfalt in den deutschen Innenstädten, um damit stabilere Immobilienmärkte zu unterstützen. Ein Mix von...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Palantir: Wie Vorurteile die sinnvolle Anwendung von Polizei-Software behindern
23.04.2024

Palantir Technologies ist ein Software-Anbieter aus den USA, der entweder Gruseln und Unbehagen auslöst oder Begeisterung unter seinen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen 20 Jahre EU-Osterweiterung: Wie osteuropäische Arbeitskräfte Deutschland unterstützen
23.04.2024

Zwei Jahrzehnte nach der EU-Osterweiterung haben osteuropäische Arbeitskräfte wesentlich dazu beigetragen, Engpässe im deutschen...

DWN
Finanzen
Finanzen Der DWN-Marktreport: Spannung und Entspannung – Geopolitik sorgt für Bewegung bei Aktien und Rohstoffen
23.04.2024

Die hochexplosive Lage im Nahen Osten sorgte für reichlich Volatilität an den internationalen Finanz- und Rohstoffmärkten. Nun scheint...

DWN
Finanzen
Finanzen Staatsverschuldung auf Rekordhoch: Steuerzahlerbund schlägt Alarm!
23.04.2024

Der Bund Deutscher Steuerzahler warnt: Ohne Kehrtwende droht der fiskalische Abgrund, trotzdem schöpft die Bundesregierung das...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Zahl der Apotheken in Deutschland sinkt weiter - Verband alamiert
23.04.2024

Laut neuen Zahlen gibt es immer weniger Apotheken-Standorte. Der Apothekerverband spricht von „alarmierenden Zeichen“ und erklärt,...

DWN
Finanzen
Finanzen Silber im Aufschwung: Das Gold des kleinen Mannes holt auf
23.04.2024

Silber hinkt traditionell dem großen Bruder Gold etwas hinterher. In den letzten Wochen hat der Silberpreis massiv zugelegt. Was sind die...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Handel warnt vor „Geisterstädten“ - tausende Geschäftsschließungen
23.04.2024

Seit Jahren sinkt die Zahl der Geschäfte in Deutschlands Innenstädten - auch weitere Filialen von Galeria Karstadt Kaufhof müssen bald...