Fast 420 Menschen sind nach Angaben der Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) im Jahr 2019 in Deutschland ertrunken. Die meisten davon verloren ihr Leben in Binnengewässern. Aber auch in Schwimmbädern kam es zu Unfällen mit tödlichem Ausgang. Ein Grund dafür sind die fehlenden ausgebildeten Bademeister, die die Bäder sichern – und das in ganz Deutschland. Auch bei Rettungsschwimmern mangelt es der DLRG an Nachwuchs.
Abhilfe schaffen will ein Forscherteam des Instituts für Angewandte Systemtechnik (AST) des Fraunhofer Instituts für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung. Ein weltweit einzigartiger Wasserroboter soll Bademeistern und Rettungsschwimmern zur Seite stehen und Schwimmer in Not retten. Bei der Entwicklung des autonomen Systems nutzen die Wissenschaftler ihre jahrelange Expertise im Bereich der Unterwasserrobotik. Mit DEDAVE haben sie bereits ein mehrfach prämiertes autonomes Unterwasserfahrzeug entwickelt.
„Es gibt typische Körperpositionen, an denen man erkennt, dass sich jemand in Gefahr befindet“, erklärt Informatiker Helge Renkewitz, der das abgeschlossene Projekt in enger Zusammenarbeit mit dem Wasserrettungsdienst Halle e.V. geleitet hat.
An der Hallendecke angebrachte Überwachungskameras registrieren die Bewegungsmuster und Position des Ertrinkenden im Becken und senden die Koordinaten an den Roboter. Dieser befindet sich, vor fremden Augen geschützt, in einer Dockingstation am Boden des Schwimmbeckens, die sich im Notfall öffnet. Hat der Roboter sein Ziel erreicht, ortet er mithilfe von Kameras die gefährdete Person und befördert diese an die Wasseroberfläche. Eine Fixier- und Fangvorrichtung verhindert, dass leblose Körper beim Auftauchen herunterrutschen.
Erfolgreiche Tests in Freigewässern
An Badeseen übernehmen Flugdrohnen und Zeppelinsysteme die Aufgabe der Überwachungskameras. „Diese Drohnen und Werbeballons lassen sich problemlos mit Kameras ausstatten“, so Renkewitz. Für die Rettung im Badesee, wo das Wasser trübe ist, wird der Roboter anstelle von optischen mit akustischen Sensoren ausgestattet. Mithilfe des Echos der Schallwellen werden Lage und Ausrichtung einer Person so exakt bestimmt, dass der Roboter die Zielperson autonom ansteuern und aufnehmen kann.
Erste Freiwasser-Tests im Hufeisensee bei Halle haben demonstriert, dass das innovative Rettungskonzept tatsächlich funktioniert: Ein in drei Metern Tiefe abgelassener, 80 Kilo schwerer Dummy wurde von dem Rettungsroboter aufgenommen, fixiert, innerhalb einer Sekunde an die Wasseroberfläche befördert und auf dem kürzesten Weg eine Strecke von 40 Metern zurück zum Ufer gebracht, wo bereits die Rettungskräfte warteten. Ein Signal alarmiert diese sofort, wenn der Roboter über einen Notfall informiert wird. „Die komplette Rettungsaktion dauerte gut zwei Minuten. Verunglückte müssen innerhalb von fünf Minuten reanimiert werden, um dauerhafte Schäden auszuschließen. Diese kritische Zeitspanne konnten wir problemlos einhalten.“
Zahlreiche Anwendungsbereiche des Unterwasser-Roboters
Das aktuelle System, das mit Batterien, Antrieb, Kameras, optischen und Navigations-Sensoren ausgestattet ist, misst 90 Zentimeter in der Länge sowie jeweils 50 Zentimeter in der Höhe und der Breite. Das Forscherteam will das Rettungssystem noch weiter miniaturisieren. Zukünftige Versionen sollen kleiner, leichter und kostengünstiger ausfallen als der bisherige Prototyp. Der Rettungsroboter soll vom Design her perspektivisch eher der stromlinienförmigen Form eines Rochen ähneln als der aktuelle Prototyp, der an bereits existierende Unterwasserfahrzeuge angelehnt ist.
Der Wasserroboter ist bereits zum Patent angemeldet. In modifizierten Versionen wird er weitere Aufgaben übernehmen können – so soll er etwa auch bei Inspektionen, archäologischen Expeditionen oder zur Gesundheitsüberwachung in Fischfarmen zum Einsatz kommen.