Finanzen

Mario Draghi will einen EU-Austritt Italiens mit allen Mitteln verhindern

Lesezeit: 3 min
20.04.2021 13:48  Aktualisiert: 20.04.2021 13:48
Italiens Technokraten-Premier Mario Draghi hat einen schweren Stand. In Italien werfen ihm die „Italexit“-Befürworter vor, er sei in Wirklichkeit ein Gesandter der EZB. Doch aus Zentralbanker-Kreisen wird der Vorwurf erhoben, dass er als EZB-Chef nur im Interesse Italiens gehandelt habe.
Mario Draghi will einen EU-Austritt Italiens mit allen Mitteln verhindern
Mario Draghi, Premierminister von Italien, trinkt bei einer Pressekonferenz zum Corona-Impfplan. (Foto: dpa)

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Mario Draghi wurde in Rom im Rahmen einer Technokraten-Regierung zum Premier gekürt, weil er offenbar die Aufgabe hat, mit allen Mitteln einen „Italexit“ zu verhindern.

Dem ehemaligen EZB-Chef wird bereits vorgeworfen, er habe geplant, den italienischen Bürgern Sparmaßnahmen aufzuerlegen, um die Krise zu überwinden. Der Gründer von „Generation Frexit“, Charles-Henri Gallois, forderte seine politischen „Italexit-Verbündeten“ auf, mutig zu sein. Er schrieb auf Twitter: „Die europäische Technokraten-Regierung bedeutet mehr Sparmaßnahmen, insbesondere als Gegenleistung für den Wiederaufbauplan der EU!“

Vincent Brousseau, ein ehemaliger Ökonom der EZB, hatte zuvor nach Angaben des „Daily Express“ gesagt, dass Draghi in Kreisen der „Italexit“-Befürworter als „Gesandter“ Brüssels eingestuft wird. Top-Zentralbanker werfen ihm wiederum vor, während seiner Amtszeit im Interesse Italiens gehandelt zu haben – hauptsächlich aufgrund der enormen quantitativen Lockerung. In einem offenen Brief („Memorandum zur Geldpolitik der EZB“) kritisierten im Jahr 2019 sechs Ex-Notenbanker den Kurs des damaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi. Sie machten deutlich, dass sie die Tiefzinspolitik für ein historisches Fehlerhalten halten.

„Dies bedeutet, dass die Wirtschafts- und Währungsunion, die zum Wohle aller sein soll, tatsächlich nicht zum Wohle aller, sondern zum Wohle eines (Italien) zum Nachteil aller anderen funktioniert hat (…) Heute, am 3. Februar 2021, wird Mario Draghi der italienische Premierminister. Er ist nicht mehr in der Lage, Italien als mächtiger Präsident der EZB zu helfen. Er befindet sich in der entgegengesetzten Position, der des Bettlers (…) Italien befindet sich nach wie vor in einer schwierigen Lage. Die Möglichkeit, über die Runden zu kommen, hängt von der Größe der quantitativen Lockerung der EZB ab, aber Draghi entscheidet nicht mehr“, so Brousseau.

Draghi befindet sich im Kreuzfeuer. In Italien wurde 2020 eine Partei mit dem Namen „Italexit“ aus dem Boden gestampft. „Ich habe eine neue politische Bewegung gegründet, deren erstes Ziel es ist (…) aus der Europäischen Union und dem Euro auszutreten– bevor der Euro das Leben der Italiener vollständig zerstört“, zitiert Rovigoggi.it Gianluigi Paragone. Der italienische Politiker, der einst der 5-Sterne-Bewegung angehörte, meint, dass sich Italien nicht mehr von jenen Ländern „erpressen“ lassen dürfe, die Italiens Ansehen untergraben würden.

Im Interview mit der Zeitung La Repubblica sagte Paragone, dass der Wiederaufbaufonds der EU lediglich dazu diene, die Banken zu retten. „Und Sie glauben, dass dieses Geld an die Italiener gehen wird? Das Geld wird an die Banken übergeben, die Bürger werden keinen Cent sehen“, so Paragone.

Der Wiederaufbaufonds sei ein Manöver, um die „europäische Täuschung“ am Leben zu halten. Auf Nachfrage, was er damit meint, antwortete der Politiker: „Schauen Sie, es ist so, als hätte Europa zu einem durstigen Mann gesagt: Ich gebe Ihnen eine Flasche Wasser, aber seien Sie vorsichtig beim Trinken. Legen Sie dabei Ihre Hände auf den Rücken.“

Italien läuft Insidern zufolge Gefahr, den Zeitplan für das Anzapfen des europäischen Corona-Wiederaufbaufonds nicht einhalten zu können. Eigentlich sollen alle EU-Länder bis Ende April ihre Pläne einreichen, wie sie Mittel aus dem insgesamt 750 Milliarden Euro schweren Fonds verwenden wollen. Die EU-Kommission sei mit dem bisherigen Entwurf aus Rom aber nicht zufrieden, sagte ein Insider. Draghi werde womöglich zu einer Verzögerung um mindestens zwei Wochen gezwungen. Brüssel verlange vor allem mehr Details zur Umsetzung. Ein zweiter Insider sagte, Mitte Mai sei realistisch.

Ein Draghi-Sprecher versicherte, die Frist werde eingehalten. „Der Plan wird am 30. April vorgestellt werden.“ Ein Sprecher des italienischen Wirtschaftsministeriums sagte, unser Anspruch sei, die Frist nicht zu reißen. Dem besonders stark von der Pandemie gebeutelten Italien steht der größte Teil aus dem Fonds zu - insgesamt mehr als 200 Milliarden Euro als Zuschüsse oder günstige Kredite. Das Geld soll über sechs Jahre ausbezahlt werden - und vor allem in Klimaschutz und Digitalisierung fließen.

Eine Sprecherin der EU-Kommission wollte sich nicht zu dem konkreten Fall Italien äußern. Grundsätzlich sollten alle Pläne der EU-Länder bis Ende April eingereicht werden, bei einigen Staaten werde es aber wohl einige Wochen länger dauern. Qualität gehe vor Schnelligkeit. Früheren Angaben von EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis zufolge soll der Ratifizierungsprozess bis Juni abgeschlossen sein, erste Auszahlungen dann im Juli folgen. Mit den Geldern soll die konjunkturelle Erholung von der Corona-Krise vorangetrieben werden.

Draghi hält die in Rekordhöhe ausufernden Schulden seines Landes für nicht besorgniserregend. „Aus heutiger Sicht zeigen sich die Dinge völlig anders“, sagte Draghi in der vergangenen Woche. „Die Pandemie hat dazu geführt, dass es legitim ist, hohe Schulden zu machen. Sie hat die (Europäische Zentralbank) EZB zu ihrer Strategie veranlasst und das Handeln derjenigen bestimmt, die die Regeln in Brüssel machen.“


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