Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire hat die Entwicklung in Afghanistan als einen „Weckruf für Europa“ bezeichnet, meldet Reuters. Europa müsse neben China und den USA die dritte Supermacht werden, sagte Le Maire am Samstag in Cernobbio. „Lassen Sie uns unsere Augen öffnen, wir sind Bedrohungen ausgesetzt und wir können uns nicht mehr auf den Schutz der USA verlassen“, erklärte er. Le Maire verwies auch auf die Sicherheitslage im Nahen Osten und in Afrika. Seine Regierung habe beschlossen, in diesem Jahr zusätzliche 1,7 Milliarden Euro für die Verteidigung auszugeben. Andere europäische Staaten sollten diesem Beispiel folgen.
Le Maire rief die EU-Staaten zudem auf, den gemeinsamen Markt zu vertiefen, um technologisch unabhängig von Konzernen in Übersee und Drittländern zu werden. „Man kann politisch nicht souverän sein, wenn man bei Halbleitern, Batterien und Satelliten von Ausländern abhängig ist.“ Ähnlich hatte sich zuvor Italiens Innovationsminister Vittorio Colao geäußert, der ebenfalls in Cernobbio an einer Konferenz teilnahm. Le Maire nannte eine Reihe von Bereichen, in denen Europa mit dem Ziel einer Führungsrolle investieren solle: Wasserstoff- und Cloud-Technologie, Künstliche Intelligenz, Halbleiter, die Erforschung des Weltraums, Satelliten und Bio-Technologie.
Der Aufruf der Franzosen ist ein eindeutiger Aufruf zur Gründung einer europäischen Armee unter Einbindung der Anrainer der EU. Die Regierung in Paris hatte zuvor mehrmals betont, dass sie nichts von der Nato hält. Im Jahr 2019 hatte Emmanuel Macron den Zustand der Nato scharf kritisiert und die Bündnis-Loyalität der USA infrage gestellt. Er meinte, die Nato sei hirntot. Der größte Gegner einer unabhängigen EU-Armee auf dem europäischen Kontinent ist Großbritannien.