Weltwirtschaft

Seidenstraße nach Süden: China baut Laos‘ erste Eisenbahnstrecke

Lesezeit: 3 min
06.12.2021 15:00
Zum ersten Mal in seiner Geschichte verfügt Laos über eine Bahnstrecke - möglicherweise eine ökonomische Initialzündung für das Schwellenland.
Seidenstraße nach Süden: China baut Laos‘ erste Eisenbahnstrecke
Die Eisenbahnbrücke «Ban Ladhan Mekong River Super Major Bridge», erstreckt sich über den Mekong. Die etwa 230 km nördlich von Vientiane, der Hauptstadt von Laos, gelegene Brücke wird durch die laotisch-chinesische Eisenbahngesellschaft, Ltd. (LCRC) fertig gestellt. (Foto: dpa)
Foto: CREC-8

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Das südostasiatische Laos verfügt erstmals in seiner Geschichte über eine nennenswerte Bahnverbindung. Wie die South China Morning Post berichtet, verbinden seit der Inbetriebnahme am 3.Dezember 414 Kilometer Gleise die Grenzstadt Boten im Norden mit der Hauptstadt Vientiane. Die Reisezeit, welche bislang mehr als einen Tag in Anspruch nahm, wurde dadurch drastisch reduziert. Die Bauzeit für das Projekt betrug fünf Jahre.

Durch das von chinesischen Unternehmen gebaute sowie teilweise finanzierte Großprojekt hat sich die Anzahl der Streckenkilometer im Land innerhalb weniger Jahre mehr als verhundertfacht. Bis zur Eröffnung der China-Laos-Eisenbahn verfügte Laos nur über vier Kilometer Gleise, die an einem Grenzübergang zu Thailand unweit von Vientiane ins Land ragten und eine kleine Fortsetzung einer thailändischen Strecke darstellen. Im Rahmen des Projektes - dessen Gesamtkosten mit umgerechnet etwa 5,7 Milliarden US-Dollar angegeben werden - wurden 75 Tunnel und 167 Brücken errichtet, 15 Prozent der Strecken verlaufen auf Hochtrassen. Die zugelassene Höchstgeschwindigkeit beträgt 160 Stundenkilometer für Passagierzüge und 120 Stundenkilometer für Güterzüge.

Die Verbindung ist Teil einer größeren Strecke von rund 1.000 Kilometern Länge, welche die südchinesische Metropole Kunming mit Vientiane verbindet. Dieser Abschnitt wiederum ist Teil eines in Planung befindlichen regionalen Netzwerkes aus Bahntrassen, das künftig Südchina mit Laos, Thailand, Malaysia und Singapur verbinden soll.

Ökonomische Initialzündung?

Beobachter aus der Region zufolge habe die Strecke das Potenzial, als „ökonomische Initialzündung“ für das vergleichsweise arme und landwirtschaftlich geprägte Laos zu fungieren. „Die Eisenbahn hat Laos‘ Nachteil, ein Binnenstaat zu sein, in einen Vorteil verwandelt“, wird der Vize-Präsident der laotischen Handelskammer von der South China Morning Post zitiert. „Laos zahlte in der Vergangenheit hohe Preise für Frachtgüter, aber jetzt werden wir die Fracht selbst transportieren.“

Die zwischen Vientiane und Boten verkehrenden Züge halten an insgesamt 21 Stationen, wobei neben der Hauptstadt Vientiane den Städten Vang Vieng und Luang Prabang die größte Bedeutung zufallen sollte. Insbesondere letztere gilt aufgrund seiner historischer Sehenswürdigkeiten als potenzieller Magnet für Touristen aus China und den angrenzenden Staaten Südostasiens und könnte der Stadt deshalb Einkommensquellen eröffnen, sobald die grenzüberschreitende Reisetätigkeit nach dem Ende der Corona-Pandemie wieder aufgenommen werden wird. elf der 21 Bahnhöfe dienen dem Güterverkehr, zehn dem Transport von Passagieren.

Es gibt aber auch kritische Stimmen. Beobachter verweisen insbesondere auf die Kredite, die Laos bei chinesischen Banken zur Finanzierung von rund 70 Prozent der Gesamtkosten aufgenommen hatte. Die hohen Verbindlichkeiten machten das arme Land anfällig für politischen Druck aus Peking, sagen sie. Die aus dem Bau der China-Laos-Eisenbahn resultierenden Schulden von umgerechnet 4 Milliarden US-Dollar belaufen sich auf etwa ein Fünftel der jährlichen Wirtschaftsleistung von Laos. Der Verschuldungsgrad des Landes liegt derzeit Schätzungen zufolge bei etwa 65 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung, wobei ein Großteil der Forderungen von ausländischen Investoren gehalten wird.

„Vielleicht glauben 60 Prozent der Laoten, dass die Eisenbahn Wohlstand generieren wird. Aber der Rest fürchtet, dass die guten Arbeitsplätze (in Zusammenhang mit dem Projekt - die Red.) von Chinesen in Anspruch genommen werden“, zitiert die SCMP einen Reiseführer. „Selbst wenn wir es wollten, können wir nichts sagen oder dagegen vorgehen.“

„Die Eisenbahn gehört zu 70 Prozent den Chinesen...die Technologie, die Materialien, selbst die Ingenieure - keine einzige Person kommt aus Laos. Aber auch wenn westliche Länder Laos als ein bei China verschuldetes Land ansehen, sehen es diese beiden Staaten ganz anders. Sie begreifen das Ganze als ‚gemeinsames Schicksal‘, eine strategische Partnerschaft, die beide Seiten miteinander verbindet“, sagt ein Analyst der Kasetsart Universität in Bangkok. „Laos hat begrenzte finanzielle und menschliche Ressourcen, die Eisenbahn macht es zum ersten Land der Asean-Staaten, welches über eine moderne Hochgeschwindigkeitsstrecke verfügt.“

Der von der South China Morning Post befragte Chefökonom der thailändischen Bangkok Bank glaubt indes nicht, dass sich das Projekt zum Nachteil der Laoten auswirken wird. „Ich sehe das nicht so, dass China Laos ruinieren möchte, das ist keine Strategie eines ‚Trojanischen Pferdes.‘ Ich denke, das wird eine ‚Win-Win-Situation‘ werden.“

Chinas Seidenstraße nach Süden

Bedeutsam ist die Einbettung des Bahnabschnitts in das chinesische Jahrhundertprojekt der „Neuen Seidenstraße“ („Belt & Road Initiative“). Die anvisierte Verbindung von Laos, Thailand (die Regierung Thailands beschloss im Jahr 2010 die Anbindung), Malaysia und Singapur über den Schienenverkehr soll aus Sicht der Planer in Peking Südostasien infrastrukturell erschließen und politisch näher an China binden.

Hintergrund ist der auf verschiedenen Ebenen geführte Feldzug der US-Regierung gegen China. In der amerikanischen Strategie der Einhegung Chinas spielt Südostasien eine zentrale Rolle, weil es geografisch vorteilhaft zwischen Indischem und Pazifischem Ozean liegt und als wichtigste Wachstumsregion der Weltwirtschaft gilt. Große Infrastrukturprojekte wie die Schnellbahn Boten-Vientiane stellen somit einen großen Vorteil für die Chinesen dar. Sie zeigen, dass China tatsächlich in seine Nachbarländer investiert und Strukturen aufbaut, die langfristig Arbeitsplätze schaffen und Einnahmen generieren. Amerikanische Unternehmen hingegen haben sich bislang nicht als Großinvestoren hervorgetan.

Investoren und Firmen aus China hatten in den vergangenen Jahren Schätzungen zufolge 16 Milliarden US-Dollar in Laos investiert. Rund 500 Hektar sollen von der laotischen Regierung an chinesische Firmen verpachtet und zu Sonderwiertschaftszonen umgewandelt worden sein.

Politisch betrachtet stellt die Fertigstellung des ersten Trassen-Abschnitts zwischen Kunming und Vientiane sowohl für Laos als auch für China einen bedeutsamen Prestigegewinn dar. Die Chinesen können dadurch glaubhaft ihre Stellung als wichtiger Investor untermauern, welcher fähig ist, die Länder im benachbarten Südostasien wirtschaftlich zu entwickeln. Andere infrastrukturelle Großprojekte wie die kürzlich mit chinesischer Hilfe erfolgte Fertigstellung der ersten Metro-Linie in der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi unterstützen diesen Ansatz.

Laos profitiert indes von seiner aufgewerteten Bedeutung als Transportkorridor für Waren und Reisende in Südostasien und kann seinen Bürgern mit Verweis auf das Projekt Fortschritte bei der materiellen Entwicklung vorweisen - auch wenn abzuwarten bleibt, wie sich der Verkehr auf der Strecken entwickelt und in welchem Maße Bevölkerung und Wirtschaft davon profitieren können.


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