Nach monatelanger Talfahrt gingen die Börsenkurse im Juli wieder aufwärts. Fast alle großen Indices verzeichneten ein Plus. Der deutsche Leitindex DAX notierte knapp 5,4 Prozent höher, der japanische Nikkei legte um 6 Prozent zu, der britische FTSE 100 lag 2,5 Prozent höher als im Vormonat und auch die amerikanischen Indices S&P500 (+6,8), Dow Jones (+4,6) und Nasdaq (+9,5) drehten ins Plus (Stand: 3. August). Für Anleger waren das gute Nachrichten, nachdem einige der Indices seit Jahresbeginn 15 Prozent und mehr an Wert verloren hatten.
Professionelle Investoren dämpfen Hoffnung auf neuen Bullenmarkt
Einige professionelle Investoren sehen darin allerdings noch kein Zeichen der Entwarnung. Vor allem die Bären an den Märkten glauben noch nicht daran, dass der Kursumschwung im Juli einen neuen Bullenmarkt einläutet. Und sie haben gute Argumente auf ihrer Seite: Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) hat bereits weitere Zinserhöhungen für dieses Jahr angekündigt, die US-Wirtschaft steuert auf eine Rezession zu und die Aktienbewertungen sind noch immer alles andere als günstig.
„Wir glauben nicht, dass der Markt die Talsohle erreicht hat“, sagt David Spika, Präsident und Chief Investment Officer bei GuideStone Capital Management, gegenüber dem Wall Street Journal. Da die Gewinnerwartungen noch nicht nennenswert gesunken sind, fügte er hinzu: „Wir haben eine Rezession eindeutig nicht eingepreist.“ Damit nimmt Spika Bezug auf die US-Wirtschaft, die gerade erst zwei negative Quartale hinter sich hat und in eine Rezession abrutscht.
Von den Konjunkturdaten unbeirrt verzeichnete der S&P500 im Juli seine stärkste Rally seit November 2020. Der Optimismus vieler Investoren scheint lediglich auf der Annahme zu beruhen, dass die Fed angesichts der beginnenden Rezession in den USA schon bald zu einem Ausstieg aus ihrer Zinswende gezwungen sein wird. Einige Investoren scheinen bereits darauf zu wetten, dass der Kampf gegen die Inflation mit Zinserhöhungen nur bis Jahresende anhält und ab dem kommenden Jahr dann drastische Zinssenkungen folgen werden.
Ob die Wette am Ende aufgeht, bleibt abzuwarten. Bisher zeigt sich die Fed unbeeindruckt von der drohenden Rezession der US-Wirtschaft. Vergangene Woche hoben die Währungshüter den Leitzins in den USA um 75 Basispunkte an und wiederholten damit ihre Zinserhöhung vom Juni. Aktuell liegt die Zinsspanne damit zwischen 2,25 und 2,5 Prozent. Dazu deutete Notenbank-Chef Jerome Powell an, im September eine weitere Zinserhöhung in derselben Größenordnung folgen zu lassen. Powell nannte den „Kampf gegen die Inflation“ als oberste Priorität und wischte Bedenken vor einer möglichen Rezession mit Verweis auf steigende Beschäftigungszahlen beiseite.
Institutionelle Anleger schätzen Finanzmarktlage weiterhin pessimistisch ein
Powell gab jedoch zu, dass die angestrebte „weiche Landung“ beim Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik der letzten Jahre schwierig wird. Das sehen auch viele Großinvestoren so, wie aus einem Bericht der Financial Times hervorgeht. Eine Umfrage der Bank of America unter 259 Investment-Chefs großer Banken und Hedgefonds brachte hervor, dass institutionelle Investoren ihre Aktienbestände reduzieren und ihre Bargeldreserven aufstocken. Die Barreserven erreichten demnach mit 6 Prozent den höchsten Stand seit 21 Jahren.
Dazu gab mehr als die Hälfte der Befragten an, weniger Risiko als üblich einzugehen und verstärkt auf defensive Aktien zu setzen. Die größte Sorge der Investment-Chefs – die zusammen ein Vermögen von mehr als 722 Milliarden Dollar verwalten – ist dabei die Geldpolitik der US-Notenbank. Vier von fünf Befragten erwarten, dass sich die konjunkturelle Lage weiter eintrübt und sich auch bei der Realwirtschaft in Form von sinkenden Gewinnerwartungen durchschlägt. Das ist der höchste bisher gemessene Wert.
Der Chefstratege der Bank of America, Michael Hartnett, bezeichnete die überwiegend pessimistische Einschätzung der Vermögensverwalter daher als „trostlos“. Jede Rally sei nur vorübergehend, so Hartnett. Eine echte Erholung sei erst dann zu erwarten, wenn die Fed ihren bisherigen Kurs der Zinserhöhungen revidiert. Er gibt jedoch zu bedenken, dass dies erst dann möglich sei, wenn nicht nur die Finanzwirtschaft, sondern auch die Realwirtschaft leide. Derzeit sei man noch zu weit entfernt von jenen Aktienkursen, bei der die Notenbank in Panik verfalle.
Erste Unternehmen müssen Gewinnerwartungen nach unten korrigieren
Bis dahin bleibt den Investoren nur übrig, die nächsten Bilanzberichte großer Unternehmen im Auge zu behalten, um davon mögliche Signale über den Zustand der US-Wirtschaft abzuleiten. Als nächstes werden die Bilanzen von PayPal, Caterpillar, Starbucks und CVS Health an der Wallstreet erwartet. Dazu stehen bald die nächsten Beschäftigungszahlen in den USA an. Diese sollten nach Erwartung einiger Analysten den schwächelnden Zustand der US-Wirtschaft widerspiegeln.
Der Einzelhandelsriese Walmart musste seine Gewinnerwartungen bereits deutlich nach unten korrigieren. Der Konzern warnte vergangene Woche davor, dass die hohen Preise für Lebensmittel und Treibstoff die Kunden abschrecken würden. Um seine Lagerbestände zu reduzieren sah sich der größte Einzelhändler der USA dazu gezwungen, die Preise zu senken. Das ging auch mit einer Senkung seiner Gewinnprognose für das gesamte Geschäftsjahr einher, wodurch die Walmart-Aktien um 7,6 Prozent an Wert verloren.
Auch die Facebook-Muttergesellschaft Meta musste Ende Juli geringere Gewinne vermelden. Das Unternehmen verzeichnete laut Wall Street Journal einen Quartalsumsatz von 28,8 Milliarden Dollar und blieb damit leicht hinter den Erwartungen der Wallstreet zurück. Zum ersten Mal in der Unternehmensgeschichte musste der Konzern einen Umsatzrückgang im Vergleich zum Vorjahresergebnis hinnehmen.
„Wir scheinen in einen wirtschaftlichen Abschwung eingetreten zu sein, der sich auf breiter Front auf das digitale Werbegeschäft auswirken wird“, sagte Chief Executive Mark Zuckerberg in einer Telefonkonferenz zum Quartalsbericht. „Es ist immer schwer vorherzusagen, wie tief oder wie lange diese Zyklen sein werden, aber ich würde sagen, dass die Situation schlimmer zu sein scheint als noch vor einem Quartal“, so Zuckerberg weiter.