Deutschland

Özdemir erlaubt deutschen Bauern, ein wenig mehr Getreide anzubauen

Lesezeit: 2 min
06.08.2022 14:28  Aktualisiert: 06.08.2022 14:28
Özdemir lenkt doch ein. Er erlaubt den deutschen Bauern nun doch, etwas mehr Flächen für den Getreideanbau zu nutzen, als dies zuletzt der Fall war.
Özdemir erlaubt deutschen Bauern, ein wenig mehr Getreide anzubauen
Eigentlich wollte Minister Özdemir den Bauern nicht erlauben, so viel von ihrer Fläche für die Landwirtschaft zu nutzen. (Foto: dpa)
Foto: Daniel Karmann

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Landwirte in Deutschland können angesichts angespannter internationaler Agrarmärkte infolge des Ukraine-Kriegs mehr Flächen zum Getreideanbau nutzen. Dazu sollen die EU-Neuregelungen zu Flächenstilllegung und Fruchtwechsel im kommenden Jahr einmalig ausgesetzt werden. Ziel ist es, die Versorgung mit Lebensmitteln zu sichern. Das sieht ein Kompromissvorschlag von Agrarminister Cem Özdemir vor.

Der Bauernverband begrüßte den Schritt und betonte am Samstag, der Vorschlag des Grünen-Politikers komme in letzter Minute. Zustimmung kam auch aus Bundesländern sowie vom Koalitionspartner FDP. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace warf Özdemir dagegen vor, dem Druck der Agrarlobby nachgegeben zu haben.

Özdemir will Bauern und Bäuerinnen ermöglichen, Agrarflächen für den Anbau bestimmter Pflanzen zur Nahrungsmittelproduktion länger zu nutzen. So sollen die eigentlich geplanten zusätzlichen Artenschutzflächen erst 2024 eingeführt werden. Bauern könnten dann im kommenden Jahr auf diesen Flächen weiter Nahrungsmittel anbauen.

Hintergrund sind ab 2023 greifende EU-Vorgaben, wonach ein Teil der Landwirtschaftsflächen dem Artenschutz dienen und zudem der Anbau derselben Ackerpflanze zwei Jahre in Folge auf derselben Fläche zum Bodenschutz grundsätzlich nicht mehr möglich sein soll. Die Umsetzung der Vorgaben hatte Brüssel aber den jeweiligen EU-Staaten überlassen.

Özdemir hat nun den Bundesländern seinen Vorschlag zur Umsetzung der Kommissionsentscheidung unterbreitet, der ein Aussetzen von Fruchtwechsel und Flächenstilllegung vorsieht. Er braucht den Angaben zufolge die Zustimmung der Länder.

Nach Ministeriumsangaben soll die erstmalige verpflichtende Flächenstilllegung im kommenden Jahr einmalig ausgesetzt werden. Stattdessen solle weiter ein landwirtschaftlicher Anbau möglich sein, «allerdings im Sinne der Ziele des Kommissionsvorschlags eingeschränkt auf die Produktion von Nahrungsmitteln, daher auf die Kulturen Getreide (ohne Mais), Sonnenblumen und Hülsenfrüchte (ohne Soja)», hieß es. Das gelte nur für die Flächen, die nicht bereits 2021 und 2022 als brachliegendes Ackerland ausgewiesen gewesen seien: «Die bestehenden Artenvielfaltsflächen werden dadurch weiterhin geschützt und können ihre Leistung für Natur- und Artenschutz sowie eine nachhaltige Landwirtschaft erbringen.»

Zudem ist die EU den Angaben zufolge Özdemirs Vorschlag gefolgt und lässt eine Ausnahme beim Fruchtfolgenwechsel zu. Die entsprechende Regelung werde 2023 einmalig ausgesetzt. Damit könnten Landwirte in Deutschland auf etwa 380 000 Hektar ausnahmsweise Weizen nach Weizen anbauen. Nach wissenschaftlichen Berechnungen könnten damit bis zu 3,4 Millionen Tonnen Weizen angebaut werden. So gelinge es am besten, «die Getreideerträge in Deutschland stabil zu halten und damit zur Stabilität der Weltmärkte beizutragen», hieß es.

Özdemir sagte, Russlands Präsident Wladimir Putin spiele mit dem Hunger, und er tue dies auf Kosten der Ärmsten in der Welt. Zugleich sei der Hunger bereits dort am größten, wo die Klimakrise schon schwere Folgen habe. «Für mich gilt daher, dass jede Maßnahme zur Lösung einer Krise darauf hin überprüft werden muss, dass sie eine andere nicht verschärft», sagte der Grünen-Politiker. Die Landwirtschaft in Deutschland habe ein Angebot gemacht, durch Beibehalten der Produktion die Getreidemärkte zu beruhigen. Agrarbetriebe wüssten nun, was sie in wenigen Wochen aussäen dürften.

Der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Joachim Rukwied, begrüßte den Vorschlag. «Diese Entscheidung war überfällig und kommt in letzter Minute.» Die Bauern hätten bereits mit der Anbauplanung für das kommende Jahr begonnen und bräuchten Planungssicherheit. Eine Aussetzung für ein Jahr ist aus Sicht Rukwieds sicher nicht ausreichend. Um weiter eine sichere Lebensmittelversorgung gewährleisten und in Krisenzeiten reagieren zu können, müssten alle Flächen genutzt werden können, auf denen es landwirtschaftlich sinnvoll sei. Die Bundesländer müssten dies jetzt zügig bestätigen.

Özdemir habe endlich eingelenkt, sagte Baden-Württembergs Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Peter Hauk (CDU), der auch Sprecher der unionsgeführten Agrarressorts der Länder ist.

Bayerns Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) nannte es «überfällig, jetzt die Spielräume, die die EU-Kommission eröffnet hat, zu nutzen und so Verantwortung für die Ernährungssicherung zu übernehmen».

Die stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Carina Konrad, forderte, die Regelungen schnell und rechtssicher umzusetzen, da die Aussaat bevorstehe.

Greenpeace-Experte Matthias Lambrecht kritisierte dagegen, die ohnehin viel zu geringen Flächen zum Schutz der Artenvielfalt in der Landwirtschaft würden so wirtschaftlichen Interessen geopfert. «Dabei ist die Ernährungssicherung in Kriegszeiten nur ein Vorwand, um wertvolle Biotope unterzupflügen», sagte er. Dort angebauter Weizen würde erst im nächsten Jahr und in nicht ausreichender Menge zur Verfügung stehen, um der akuten globalen Hungerkrise wirkungsvoll zu begegnen. Mit einem Ausstieg aus dem Biosprit könnte dagegen umgehend ein Vielfaches der Getreidemenge für den Kampf gegen den Hunger bereitgestellt werden.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lieferdienste in Deutschland: Bei Flink, Wolt und anderen Lieferando-Konkurrenten geht es um alles oder nichts
25.04.2024

Getir, Lieferando, Wolt, UberEats - es fällt schwer, in deutschen Großstädten beim Angebot der Essenskuriere den Überblick zu...

DWN
Finanzen
Finanzen Familienunternehmer in Sorge: Land verliert an Wettbewerbsfähigkeit
25.04.2024

In einer Umfrage kritisieren zahlreiche Familienunternehmer die Politik aufgrund von übermäßiger Bürokratie und Regulierung. Besonders...

DWN
Finanzen
Finanzen So wählt Warren Buffett seine Investments aus
25.04.2024

Warren Buffett, auch als „Orakel von Omaha“ bekannt, ist eine Ikone der Investment-Welt. Doch worauf basiert seine Investmentstrategie,...

DWN
Technologie
Technologie KI-Chips trotz Exportbeschränkungen: China sichert sich US-Technologie durch die Hintertür
25.04.2024

Trotz der US-Exportbeschränkungen für Hochleistungsprozessoren scheint China einen Weg gefunden zu haben, sich dennoch mit den neuesten...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Russlands Kriegswirtschaft: Putin geht das Geld nicht aus
25.04.2024

Russlands Wirtschaft wächst weiterhin, ist aber stark von der der Kriegsproduktion abhängig. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius...

DWN
Technologie
Technologie Petrochemie: Rettungsleine der Ölindustrie - und Dorn im Auge von Umweltschützern
24.04.2024

Auf den ersten Blick sieht die Zukunft des Erdölmarktes nicht rosig aus, angesichts der Abkehr von fossilen Treibstoffen wie Benzin und...

DWN
Politik
Politik Sunaks Antrittsbesuch bei Kanzler Scholz - strategische Partnerschaft in Krisenzeiten
24.04.2024

Rishi Sunak besucht erstmals Berlin. Bundeskanzler Scholz empfängt den britischen Premierminister mit militärischen Ehren. Im Fokus...

DWN
Finanzen
Finanzen Bundesbank-Präsident: Zinssenkungspfad unklar, digitaler Euro erstrebenswert
24.04.2024

Spannende Aussagen von Bundesbank-Präsident Joachim Nagel: Ihm zufolge wird die EZB nach einer ersten Zinssenkung nicht unbedingt weitere...