Weltwirtschaft

Energie-Krise: Norwegen will keinen Strom mehr exportieren

Lesezeit: 3 min
08.08.2022 17:59
Angesichts eigener Probleme erwägt Norwegen eine Begrenzung der Strom-Exporte ins Ausland. Das könnte die Energie-Krise europaweit verstärken.
Energie-Krise: Norwegen will keinen Strom mehr exportieren
Norwegen erwägt eine Begrenzung der Exporte, hier die Verlegung des Endstück eines 516 Kilometer langen Seekabels für die Stromleitung Nordlink zwischen Deutschland und Norwegen. Das wird offenbar bald nicht mehr gebraucht. (Foto: dpa)
Foto: Carsten Rehder

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Angesichts zunehmender Herausforderungen für die heimische Stromproduktion erwägt die Regierung Norwegens, künftig den Export von Elektrizität ins europäische Ausland zu begrenzen. Eine Limitierung würde sich auch zum Nachteil Deutschlands auswirken, welches in den kommenden Herbst- und Wintermonaten angesichts der Energie-Krise auf Strom-Zuflüsse angewiesen sein könnte und welches in den vergangenen Monaten Netto-Importeur norwegischen Stroms war.

Wie das auf Rohstoffthemen spezialisierte Portal Oilprice berichtet, sind sinkende Wasserstände in den Reservoirs und Bergseen die Gründe für die möglichen Einschränkungen. Norwegen generiert rund 90 Prozent des im Land genutzten Stroms mithilfe der Wasserkraft – die restlichen zehn Prozent entfallen auf Windkraftanlagen.

Damit kommt dem reibungslosen Ablauf in den Wasserkraftwerken eine systemrelevante Bedeutung zu. Wegen andauernd hoher Temperaturen waren die Pegelstände in vielen Gebirgsseen und Reservoirs zuletzt allerdings deutlich gefallen. Dem aktuellen Bericht vom 3. August zufolge sind die Reservoirs derzeit zu rund 66 Prozent gefüllt – verglichen mit dem langjährigen Durchschnitt von rund 75 Prozent zum selben Zeitraum.

Sollte das Wasser auf „sehr niedrige Stände“ absinken, würde der Export von Strom eingeschränkt, zitiert Bloomberg den Energieminister des Landes, Terje Aasland.

In den vergangenen Wochen hatte die Regierung mehrere Betreiber von Wasserreservoirs gebeten, sparsam mit der Stromerzeugung umzugehen, um Wasser für den Winter zu sparen. An Energieversorger ging die Bitte, nicht zu viel Strom ins Ausland zu exportieren. Der größte Stromproduzent des Landes, Statkraft, folgte dem Aufruf des Netzbetreibers Statnett, die Erzeugungsleistung von Elektrizität runterzufahren.

Deutschland: Netto-Importeur von Strom aus Norwegen

Deutschland hat im vergangenen Jahr 4.323 Gigawattstunden an Strom aus Norwegen importiert, wie aus Daten des Portals Stromdaten hervorgeht. Zugleich wurden 1.163 Gigawattstunden nach Norwegen exportiert, weshalb Deutschland 2021 ein Netto-Importeur von norwegischem Strom in der Größenordnung von 3.159 Gigawattstunden war. Mit Blick auf das laufende Jahr ergibt sich bereits ein Import-Saldo von minus 2.431 Gigawattstunden.

Der Stromhandel zwischen beiden Ländern wird über ein Seekabel abgewickelt, das im April 2021 den Betrieb aufgenommen hatte. Experten weisen jedoch darauf hin, dass Norwegen nur in den warmen Monaten von Mai bis Oktober überschüssigen Strom liefern könne. In der kalten Jahreszeit, so der Ingenieur Klaus H. Richardt im Focus, brauche das Land seinen Strom selbst und müsse sogar manchmal noch welchen aus dem Ausland zukaufen.

Die Norweger benötigen in großem Umfang Strom, der Konsum läuft geradezu aus dem Ruder. Ganze 140 Terrawattstunden nutzten die etwa 5 Millionen Einwohner des Landes im Jahr 2020. Im mit 83 Millionen Einwohnern ungleich größeren Deutschland wurden im selben Jahr „nur“ 543 Terrawattstunden gebraucht.

Nicht zuletzt wegen der im weltweiten Vergleich riesigen Flotte an Elektroautos (mehr als jede zweite Neuzulassung ist ein E-Auto) benötigt Norwegen pro Kopf also rund viermal so viel Elektrizität wie Deutschland. Richardt zufolge hilft das Seekabel zwar an sich, weil damit erstmals Strom aus Norwegen nach Deutschland geliefert werden kann. Die Leitungskapazität des Kabels und die norwegischen Überschüssen in der Stromproduktion seien aber zu gering, um wirklich einen Unterschied zu machen. Zudem müsse Deutschland mit Schweden, Dänemark, Großbritannien und den Niederlanden um norwegischen Strom wetteifern. Die Niederlande sind seit 2018 über ein eigenes Seekabel an Norwegen angeschlossen.

Öl- und Gasland Norwegen

Obwohl Norwegen selbst seinen Strom vollständig aus erneuerbaren Quellen generiert, tragen fossile Energieträger wie Erdöl und Erdgas beträchtlich zum Primärenergieverbrauch des Landes bei.

Und der Verkauf von in der Nordsee gefördertem Öl und Gas bringt dem Land darüber hinaus beträchtliche Einnahmen ein, die teilweise in den riesigen Staatsfonds fließen.

Angesichts der in Europa grassierenden schweren Energiekrise hatte die Regierung in Oslo zuletzt beschlossen, die Förderung von Erdgas deutlich auszuweiten. Wie aus einer Stellungnahme des Petroleum- und Energieministeriums hervorgeht, dürfen deswegen folgende Nordsee-Gasfelder ihre Förderung steigern: Troll, Gina Krog, Duva, Oseberg, Åsgard und Mikkel. Zudem dürfen die Verantwortlichen das neue Nova-Feld bald in Betrieb nehmen.

Norwegische Felder steuern zwischen 20 und 25 Prozent der in der EU und Großbritannien jährlich verbrauchten Mengen an Öl und Gas bei. Das Ministerium erwartet für das laufenden Jahr Rekord-Exporte.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Automesse China 2024: Deutsche Autohersteller im Preiskrieg mit BYD, Xiaomi und Co.
25.04.2024

Bei der Automesse in China steht der eskalierende Preiskrieg bei Elektroautos im Vordergrund. Mit hohen Rabatten kämpfen die Hersteller...

DWN
Technologie
Technologie 3D Spark: Ein Hamburger Start-up revolutioniert die Bahnbranche
25.04.2024

Die Schienenfahrzeugindustrie befindet sich in einem grundlegenden Wandel, in dessen Verlauf manuelle Fertigungsprozesse zunehmend...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lieferdienste in Deutschland: Bei Flink, Wolt und anderen Lieferando-Konkurrenten geht es um alles oder nichts
25.04.2024

Getir, Lieferando, Wolt, UberEats - das Angebot der Essenskuriere ist kaum noch überschaubar. Wer am Markt letztlich bestehen wird,...

DWN
Politik
Politik Bericht: Habeck-Mitarbeiter sollen Kritik am Atom-Aus missachtet haben
25.04.2024

Wichtige Mitarbeiter von Bundesministern Habeck und Lemke sollen laut einem Bericht interne Zweifel am fristgerechten Atomausstieg...

DWN
Finanzen
Finanzen Feiertagszuschlag: Was Unternehmer an den Mai-Feiertagen beachten sollten
25.04.2024

Feiertagszuschläge sind ein bedeutendes Thema für Unternehmen und Arbeitnehmer gleichermaßen. Wir werfen einen genauen Blick auf die...

DWN
Finanzen
Finanzen Teurer Anlegerfehler: Wie der Blick in den Rückspiegel fehlgeht
25.04.2024

Anleger orientieren sich an den Renditen der vergangenen drei bis zehn Jahre, um Aktien oder Fonds auszuwählen. Doch laut Finanzexperten...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Kommunikation im Wandel – Was es für Unternehmen in Zukunft bedeutet
25.04.2024

In einer Ära schneller Veränderungen wird die Analyse von Trends in der Unternehmenskommunikation immer entscheidender. Die Akademische...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Familienunternehmer in Sorge: Land verliert an Wettbewerbsfähigkeit
25.04.2024

In einer Umfrage kritisieren zahlreiche Familienunternehmer die Politik aufgrund von übermäßiger Bürokratie und Regulierung. Besonders...