Die Juweliere fürchten um ihre Existenz. Türkische Banken, darunter die İş Bank, Denizbank, Bank Asya und die Kuveyt Türk bieten ihren Kunden derzeit Goldkonten, womit das bisher ungenutzte Gold auch noch Zinsen abwirft.
Das macht den Juwelieren zu schaffen, denn bisher verdienten diese gut an den Kunden, die ihr Gold einlösen wollten, um schnell an Bargeld zu kommen oder an jenen, die aufgrund wiederholter Rezessionserfahrungen kein Vertrauen in die Währung haben und lieber in Gold investieren.
Alaattin Kameroğlu, Vorsitzender des Juwelierverbands in Istanbul, erklärte, dass Juweliere nun mit großen Verlusten rechnen. Er wolle jedoch klarstellen, dass der Verband nicht dagegen sei, dass ungenutze Goldreserven der türkischen Wirtschaft zu Gute kommen. Was er jedoch nicht verstehe, sei, dass nun der Eindruck enstanden sei, dass sogar Schmuck in jeder Form an der Bank angelegt werden solle. „Wir verstehen das so, dass man den Juwelieren ihr Geschäft nehmen will“, so Kameroğlu.
Andere sehen wiederum auch eine türkische Tradition gefährdet. „Wo bleiben die Emotionen, wenn man zur Bank geht? Dieses Gewerbe sollte nicht nur als Gold oder Geld gesehen werden, es ist Gefühl, es ist Leben“, erklärt der 60-jährige Juwelier Turgay Ayardem der Nachrichtenagentur Reuters. Seit 45 Jahren arbeitet er im Großen Basar in Istanbul, wo ganze Gänge mit den verschiedensten Juwelieren besetzt sind.
Nicht nur die wiederholten Inflationserfahrungen haben in der Türkei zum Horten von Gold geführt. Goldschmuck wird seit langem in Familien teilweise über Jahrzehnte als Sicherheit vererbt, bei Hochzeiten oder zur Geburt werden statt Sach- oder Geldgeschenken meist Goldunzen oder auch Schmuck verschenkt. Auch heute weiß so gut wie jeder türkische Bürger, wie viel bestimmte Armreife wert sind. An jeder Ecke sind in der Türkei deshalb Juweliergeschäfte. Eine Tradition, die nun an Bedeutung verlieren könnte.
Die Banken sind erfolgreich mit ihrem neuen Konzept, wie Cem Turgut Gelgör, bei der Denizbank für das Goldbanking zuständig, berichtet. „Wir haben 650 Kilogramm Gold im vergangenen Monat erhalten und 3.200 neue Kunden im Rahmen der „DenizGold Days“ gewonnen“, so Gelgör. Die Isbank will nach eigenen Angaben bis Ende des Jahres 18-20 Tonnen Gold im Wert von einer Milliarde Dollar einsammeln. „Weltweit gelten Immobilien als bester Schutz gegen Inflation“, erklärt Burkhard von Wallenberg, Geschäftsführer der Isbank Deutschland. In der Türkei habe man sich ebenfalls über Immobilien, aber auch mit Gold abgesichert. Das sei nun aufgrund der stabileren Währung nicht mehr notwendig. „Jetzt wird das Gold aktiv in der Wirtschaft tätig“, so von Wallenberg. Auch in Deutschland wird die Tradition des Goldgeschenks weitergelebt. Doch die Isbank ist hier in diesem Bereich nicht tätig, da sie keine ausreichende Nachfrage sehe.
Bensu Ozgan, Kundin der Denizbank, erzählt, sie habe ihr Gold immer im Bankschließfach aufbewahrt. Doch die Werbung der Banken für die neue Art der Konten habe sie einfach angesprochen. Nun kaufe sie Gold in Gramm und füge dies regelmäßig zu ihrem Goldkonto hinzu.
Nach Angaben des World Gold Council befinden sich in der Türkei Goldreserven im Wert von 250 Milliarden Dollar. Demnach rangiert die Türkei bei der Goldnachfrage in Sachen Schmuck auf fünfter und bei Gold als Anlage an achter Stelle weltweit. Dabei belegen die vorderen Plätze vor allem jene Länder, die wie China, Indien oder den USA aufgrund ihrer Bevölkerungsgröße eine höhere Nachfrage haben. Und der Bedarf in der Türkei steigt trotz stabilerer Währung weiter. In den ersten fünf Monaten diesen Jahres importierte die Türkei bereits 35,18 Tonnen Gold. 2011 belief sich der gesamte Import auf 79,70 und 2010 auf 42,49 Tonnen. Hinzu kommt, dass im vergangenen Jahr 25 Tonnen Gold in der Türkei selbst produziert wurden, 2010 waren das noch 16,4 Tonnen. Die türkische Regierung erhofft sich damit auch eine langfristige Senkung des derzeit hohen Leistungsbilanzdefizits, da die Importe durch die Nutzung der Goldreserven maßgeblich gesenkt werden sollen.
Einige Juweliere glauben allerdings, dass dieser Trend ihnen nicht anhaben könne. Der Boom von Goldkonten sei nur eine vorübergehende Erscheinung. So auch Mehmet Ali Yildirimtür, der ebenfalls ein Geschäft im Großen Basar hat. Er ist sich sicher: „Es ist unmöglich, einen Jahrhunderte alten Brauch durch Werbung zu zerstören.“