Weltwirtschaft

BASF-Chef: Europa verliert gegen Amerika, China und den Mittleren Osten

Lesezeit: 3 min
21.11.2022 09:00
Der Vorstandsvorsitzende des weltgrößten Chemiekonzerns sieht massive Verluste an Wettbewerbsfähigkeit in Europa. Gehe alles so weiter wie bisher, werde der Kontinent überholt.
BASF-Chef: Europa verliert gegen Amerika, China und den Mittleren Osten
Der Vorstandsvorsitzende von BASF, Martin Brudermüller, warnt vor dem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit Europas. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Europa verliert dem Vorstandsvorsitzenden des weltgrößten Chemiekonzerns BASF, Martin Brudermüller, zufolge als Standort kontinuierlich an Attraktivität – nicht nur gegenüber China, sondern auch im Vergleich mit den USA und dem Mittleren Osten.

Bürokratie und Energiekrise

„Europa verliert in vieler Hinsicht an Wettbewerbsfähigkeit. Bereits seit einer Dekade gibt es nur noch schwaches Wachstum. Jetzt geht es noch weiter bergab“, sagte Brudermüller vor einigen Tagen in einem Interview mit dem Handelsblatt.

Aus Sicht Brudermüllers wird gegenwärtig völlig vernachlässigt, wie die internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie signifikant verbessert werden könnte. Die Chemieindustrie etwa müsse sich in Europa auf Energiekosten einstellen, die langfristig gut dreimal so hoch sein werden wie in den USA. Hinzu komme eine „überbordende Regulierung“ im Rahmen des Green Deals der EU. „Mir macht daher Sorge, dass sich in diesem schwierigen, weil überregulierten Europa Investitionen längerfristig verlagern könnten, beispielsweise in die USA. Was spricht eigentlich noch für Investitionen in Europa?“

Lesen Sie dazu: Aluminium-Branche schlägt Alarm: Cocktail aus Covid und Green Deal führt den Mittelstand in den Ruin

Wegen verschlechterter Geschäfte und schwierigerer Rahmenbedingungen in Europa legte die BASF-Führung jüngst ein Sparprogramm auf, das 2023 bis 2024 umgesetzt werden soll. Die Kürzungen sollen die jährlichen Kosten außerhalb der Produktion um 500 Millionen Euro senken. Mehr als die Hälfte der Einsparungen will der Vorstand am Standort Ludwigshafen realisieren, wo BASF rund 39 000 seiner weltweit etwa 111 000 Mitarbeiter beschäftigt. Sowohl Unternehmens-, Service- und Forschungsbereiche als auch die Konzernzentrale sollen gestrafft werden, hieß es. Dabei schließt das Unternehmen Stellenstreichungen nicht aus.

Über das interne Sparprogramm hinaus will die Führung des Konzerns zudem prüfen, welche Produkte künftig in Europa überhaupt noch produziert werden könnten. „Hier stellt sich die Frage, ob vor allem Basisprodukte langfristig noch in Europa und Deutschland wettbewerbsfähig hergestellt werden können“, sagte Brudermüller dem Handelsblatt.

Technologievorstand Melanie Maas-Brunner betonte allerdings auf einer Forschungspressekonferenz des Unternehmens, dass es BASF nicht darum gehe, seine Aktivitäten aus Europa wegzubewegen, sondern dort wieder stark und wettbewerbsfähig zu werden. Der Stammsitz Ludwigshafen sei das Herzstück in der Forschung des Konzerns. Für Forschung und Entwicklung plane BASF weiter Investitionen von rund 2,2 Milliarden Euro im Jahr. Der Vorstand prüfe aber angesichts des Sparprogramms, wie dieses Geld effektiver eingesetzt werden könne. „Wir wollen aber nicht gefährden, was in unserer Pipeline ist und in Zukunft sein wird.“

„Müssen vom China-Bashing wegkommen“

BASF rechnet auch mit Blick auf die kommenden Jahre mir Wachstum in China und will dort weiter investieren. „Wir kommen in der Summe zum Schluss, dass es vorteilhaft ist, unser Engagement dort auszubauen“, sagte Brudermüller Ende Oktober.

In der Bundesrepublik hatte es jüngst eine Debatte um Folgen einer möglichen Abhängigkeit von China gegeben, am Einstieg der chinesischen Staatsreederei Cosco in die Betreibergesellschaft eines Container-Terminals im Hamburger Hafen gab es Kritik. Die Bundesregierung werde in der Handelspolitik künftig einen schärferen Kurs gegen China fahren, hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck angekündigt.

Brudermüller forderte dagegen eine „Resilienz-Strategie“ von der Bundesregierung. „Sie sollte hinaus in die Welt blicken, und schauen, wo ist etwas nicht so, wie es sein sollte.“ Es gebe Defizite und Risiken nicht nur mit Blick auf China. „Ich glaube, es ist dringend notwendig, dass wir vom China-Bashing wegkommen und mal etwas selbstkritisch auf uns gucken.“

BASF gehe von weiterem Wachstum in China aus. Die Volksrepublik bleibe für den Konzern ein wichtiger Markt. „Wir machen uns um die langfristige Entwicklung keine Sorgen“, betonte der BASF-Chef, der zusammen mit Bundeskanzler Olaf Scholz Anfang November Teil der Reisegruppe bei dessen Besuch in China war. BASF errichtet aktuell einen Verbundstandort in China, für den der Konzern nach früheren Angaben bis 2030 bis zu zehn Milliarden Euro investieren will.

BASF-Österreich Chef Harald Pflanzl hatte Investitionen in China zuletzt als „alternativlos“ bezeichnet. Er verteidigte die dortigen Milliardeninvestitionen des Konzerns und warnte vor der drohenden Deindustrialisierung Europas. Demnach würden 96 Prozent aller produzierenden Betriebe in der EU ihre Vormaterialien aus der chemischen Industrie erhalten: Die hohen Gaspreise seien aber gerade für die chemische Industrie in Europa eine Bedrohung, zitiert ihn das Industriemagazin.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Automesse China 2024: Deutsche Autohersteller im Preiskrieg mit BYD, Xiaomi und Co.
25.04.2024

Bei der Automesse in China steht der eskalierende Preiskrieg bei Elektroautos im Vordergrund. Mit hohen Rabatten kämpfen die Hersteller...

DWN
Technologie
Technologie 3D Spark: Ein Hamburger Start-up revolutioniert die Bahnbranche
25.04.2024

Die Schienenfahrzeugindustrie befindet sich in einem grundlegenden Wandel, in dessen Verlauf manuelle Fertigungsprozesse zunehmend...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lieferdienste in Deutschland: Bei Flink, Wolt und anderen Lieferando-Konkurrenten geht es um alles oder nichts
25.04.2024

Getir, Lieferando, Wolt, UberEats - das Angebot der Essenskuriere ist kaum noch überschaubar. Wer am Markt letztlich bestehen wird,...

DWN
Politik
Politik Bericht: Habeck-Mitarbeiter sollen Kritik am Atom-Aus missachtet haben
25.04.2024

Wichtige Mitarbeiter von Bundesministern Habeck und Lemke sollen laut einem Bericht interne Zweifel am fristgerechten Atomausstieg...

DWN
Finanzen
Finanzen Feiertagszuschlag: Was Unternehmer an den Mai-Feiertagen beachten sollten
25.04.2024

Feiertagszuschläge sind ein bedeutendes Thema für Unternehmen und Arbeitnehmer gleichermaßen. Wir werfen einen genauen Blick auf die...

DWN
Finanzen
Finanzen Teurer Anlegerfehler: Wie der Blick in den Rückspiegel fehlgeht
25.04.2024

Anleger orientieren sich an den Renditen der vergangenen drei bis zehn Jahre, um Aktien oder Fonds auszuwählen. Doch laut Finanzexperten...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Kommunikation im Wandel – Was es für Unternehmen in Zukunft bedeutet
25.04.2024

In einer Ära schneller Veränderungen wird die Analyse von Trends in der Unternehmenskommunikation immer entscheidender. Die Akademische...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Familienunternehmer in Sorge: Land verliert an Wettbewerbsfähigkeit
25.04.2024

In einer Umfrage kritisieren zahlreiche Familienunternehmer die Politik aufgrund von übermäßiger Bürokratie und Regulierung. Besonders...