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Schneller als WLAN: Wie eine deutsche Erfindung unsere Kommunikation revolutioniert

Lesezeit: 4 min
03.08.2023 10:44  Aktualisiert: 03.08.2023 10:44
Schneller, sicherer, umweltschonender: Die Erfindung des in Glasgow lehrenden Professor Harald Haas hat das Zeug dazu, die moderne Kommunikation zu modernisieren. Im Interview mit den DWN erklärt er, wie seine lichtbasierte drahtlose Datenübertragung funktioniert, wo sie eingesetzt werden kann – und wie sie unser Leben verändern könnte.
Schneller als WLAN: Wie eine deutsche Erfindung unsere Kommunikation revolutioniert
Seine Erfindung kann unsere Kommunikation revolutionieren: Professor Harald Haas. (Foto: EPA)

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Herr Professor Haas, erklären Sie doch bitte jemandem, der kein Fachmann ist, was es mit Ihrer Erfindung auf sich hat.

Harald Haas: Die neue lichtbasierte Funkt-Technologie verwendet Licht anstelle von Radiowellen zur mobilen Datenübertragung. LiFi (Light Fidelity) sendet dabei beispielsweise über eine LED-Leuchte spezielle Lichtimpulse, die für das menschliche Auge nicht wahrnehmbar sind. Mithilfe dieser Lichtsignale können Daten mit einer viel größeren Geschwindigkeit übertragen werden als die bisherige Funktechnologie, hierbei geht es um eine Übertragungsgeschwindigkeit von mehr als 100 Gigabit pro Sekunde, das ist etwa 100-mal schneller als heutige WLAN-Hochgeschwindigkeits-Verbindungen. Hinzu kommt noch, dass LiFi eine ungleich höhere Anzahl von Kanälen als das auf Radiowellen basierende WiFi hat. Im Vergleich zum gesamten Funkspektrum einschließlich aller Funksysteme (WLAN, Bluetooth, 2G, 3G, 4G, 5G, etc.) stehen mindestens 2600-mal mehr Kanäle zur Verfügung (man möge sich eine 2600-spurige Autobahn im Vergleich zu einem Feldweg vorstellen). Der schnelle „highway“ ist dazu frei und überall verfügbar und sicherer. Damit sind dem Einsatz von LiFi praktisch keine Grenzen gesetzt.

DWN: Tatsächlich haben Sie ja einen ersten Vertrag mit der US-Army über den Einsatz von LiFi bereits abgeschlossen. Warum ist diese Technik für eine Armee so interessant?

Haas: Weil sie ungleich sicherer ist als die bisherige, herkömmliche Funktechnik. Lichtbasierte drahtlose Datenübertragung verlässt keine Räume. Anders als Radiowellen, die bekanntermaßen durch Wände dringen. Das hat für eine Armee folgende Vorteile. Sie kann mit unglaublich viel weltweit frei verfügbaren optischen Kanälen auf ungleich schnellere Weise Daten austauschen, ohne dass beispielsweise ihre Daten abgefangen werden können. Machen wir das Beispiel ganz praktisch. Eine Kampfeinheit richtet einen Befehlsstand ein. In diesem Befehlsstand müssen erhebliche Datenmengen ausgewertet werden. Radiowellen würden den Raum oder ein Zelt, in dem der Befehlsstand eingerichtet ist, sofort verlassen. Mit moderner Drohnentechnik könnte die Gegenseite entweder die Daten absaugen und wäre folglich bestens über die gegnerischen Pläne informiert oder sie würde den Befehlsstand lokalisieren – und beispielsweise mit einem Artillerie- oder Luftangriff ausschalten. Beides keine guten Szenarien.

DWN: Ließe sich LiFi auch zivil nutzen – und wie?

Haas: Aber natürlich – und das fast unbegrenzt. Aktuell erarbeiten wir das Modul der Zukunft für Smartphones. Meine Mitarbeiter und ich standen in den vergangenen Monaten vor der nicht kleinen Herausforderung, ein Modul zu entwickeln, das klein genug für Smartphones ist. Jetzt aber sind wir so weit. Und damit sind wir beim Einstieg in den Massenmarkt.

DWN: Was würde es für den Endnutzer eines Smartphones bedeuten?

Haas: Die Möglichkeiten wären für den Nutzer unendlich gestiegen. Wie gesagt, er wäre mit seinem Smartphone 10 – 100 Mal schneller und auch sicherer unterwegs als heute, was der großen Zahlen von frei verfügbaren optischen Kanälen zu verdanken ist – das wäre ein absoluter Durchbruch. Die Zeiten der laufenden Sanduhr würden der Vergangenheit angehören.

DWN: Wäre es auch preislich eine interessante Alternative?

Haas: Auf längere Sicht ganz bestimmt. LiFi ist deutlich billiger als Glasfaser und kann beispielsweise mit den passenden Modulen auch jederzeit in bestehende Strukturen wie beispielsweise Leuchten in Privathäusern und Büros, Straßenlaternen oder auch in Front- und Rückleuchten von Fahrzeugen eingebaut werden. Die Kostenreduktion ist eine langfristige Aufgabe, da die Produktionskosten in Relation zu den Stückzahlen stehen - je höher die Stückzahlen, desto billiger das Einzelteil. Hinzu kommt natürlich auch noch der Umweltaspekt.

DWN: Wie das?

Haas: Da es das bereits vorhandene Licht nutzt, kann es viel schonender arbeiten. Hinzu kommt der Einsatz unter Wasser. Radiowellen können unter Wasser nicht eingesetzt werden, LiFi aber sehr wohl. Damit kann es beispielsweise hervorragend bei der Umweltforschung in den Ozeanen eingesetzt werden – das Gleiche gilt auch für die Raumfahrt. Ich bin mir sicher, wir stehen erst noch am Anfang, zumal die nächste Generation von Mobilfunksystemen, 6G, noch erhebliche Frequenzinnovationen erfordern.

DWN: Vor welchen Herausforderungen steht denn 6G, welche Innovationen sind dabei erforderlich und was kann LiFi dafür leisten?

Haas: 6G steht vor großen Herausforderungen. Die globalen Kommunikationsnetze benötigen etwa 1%-2% der gesamten elektrischen Energie, während das Datenvolumen jährlich um etwa 40% ansteigt. Um die globalen Klimaziele zu erreichen, sind erhebliche Anstrengungen erforderlich, um Mobilfunksysteme energieeffizienter zu gestalten. Das rapide wachsende Datenvolumen erfordert andererseits die Erschließung neuer Funkfrequenzen, die jedoch nur begrenzt verfügbar sind. Dieses Phänomen wird als "Spektrum-Knappheit" bezeichnet. Beide Herausforderungen können durch die Nutzung der riesigen Anzahl optischer Kanäle bewältigt werden. Optische Kanäle bieten außerdem den Vorteil, dass sie frei verfügbar sind und für Betreiber keine zusätzlichen Lizenzgebühren anfallen. Dadurch kann die für unser Privat- und Berufsleben so wichtige mobilen Datenversorgung auch kostengünstiger angeboten werden.

DWN: Seit wann beschäftigen Sie sich mit diesem Thema?

Haas: Seit mehr als 20 Jahren. Ich komme ja ursprünglich aus der ganz normalen Funktechnik. Nur mir ist im Zuge bei einer Forschungskooperation mit Professor Nakagawa an der Keio University in Japan ein Licht aufgegangen – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Denn es wurde mir durch meine Forschungstätigkeit bei Siemens Mobile Networks klar, dass wir mit der herkömmlichen Technik schnell an Grenzen stoßen werden.

DWN: Herr Professor Haas, wir danken für das Gespräch.

Zur Person: Professor Harald Haas wurde für den diesjährigen Europäischen Erfinderpreis nominiert. Dieser Preis ist einer der renommiertesten Preise für technische Innovation in Europa. Er wurde 2006 vom Europäischen Patentamt (EPA) ins Leben gerufen. Mit diesem Preis werden Einzelpersonen und Teams ausgezeichnet, die Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit gefunden haben. Harald Haas wurde 1968 im fränkischen Neustadt an der Aisch geboren und war mehr als zehn Jahren an der University of Edinburgh tätig, wo er derzeit eine Gastprofessur hält. Er forscht an der University of Strathclyde in Glasgow und ist dort auch Direktor des LiFi Research Centres. Davor hatte Haas eine außerordentliche Professur für Elektrotechnik an der Jacobs University in Bremen inne. Mehrfach wurde er für seine Arbeit ausgezeichnet, darunter mit dem renommierten Humboldt-Forschungspreis. Neben seiner Forschungs- und Lehrtätigkeit fungiert Haas als Gründer, Chief Scientific Officer und Mitglied des Verwaltungsrats des Start-Ups pureLiFi Ltd, das bis dato 37,9 Mio. EUR an Risikokapital eingeworben hat.

 

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