Politik

Erste Group: „Es gibt viele Beweise für die Manipulation beim Goldpreis“

Lesezeit: 7 min
31.07.2012 22:27
Für Viele ist Gold die einzig wahre Anlageform im Umfeld der Eurokrise. Die Angst, die Eurorettung könnte zu einem starken Wertverlust der Gemeinschaftswährung führen, könnte die Nachfrage und damit den Goldpreis erheblich steigen lassen. Ronald Stöferle ist Rohstoffexperte bei der Erste Group. Er hat im Goldreport der Bankengruppe die aktuellen Entwicklungen und Aussichten am Goldmarkt untersucht. Im Interview mit den Deutschen Wirtschafts Nachrichten erklärt er, warum Gold zu unrecht als Anlageform für absolute Pessimisten gilt.
Erste Group: „Es gibt viele Beweise für die Manipulation beim Goldpreis“

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Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Steht der große Run auf Gold noch bevor, warum legen nicht mehr Menschen ihre Ersparnisse in Gold an?

Ronald Stöferle: Der große Run auf Gold steht definitiv noch bevor. In Deutschland sind insgesamt 3,6 Prozent aller Vermögenswerte in Gold angelegt, dabei ist Schmuck schon inkludiert. Das ist noch nicht wahnsinnig viel. Ich denke, das hat zwei Gründe: Zum einen ist der Goldpreis in den 80er und 90er-Jahren nur gefallen. Die steigenden Preise der 70er-Jahre hat niemand wirklich in Erinnerung.

Ein weiterer wichtiger Punkt sind zwei psychologische Komponenten. Einerseits ist da die kognitive Dissonanz: Ein unangenehmer Gefühlszustand, alles was die Vorstellung von Gegenwart und Zukunft trübt, wird eher ausgeblendet. Und das andere ist das Normalitätsbias: man glaubt, was nicht sein darf, kann auch nicht sein. Die Vergangenheit wird fortgeschrieben, das heißt die Dinge werden so bleiben, weil sie immer schon so waren. Daher kann sich der Mensch große Umbrüche eigentlich nicht vorstellen. Es werden hier in erster Linie Nachrichten und Meinungen eingeholt, die das eigene Bild bestätigen. Daher sehen viele Gold als Investment für absolute Pessimisten, die den Untergang herbeisehnen. Aber so ist es nicht.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Das Zerbrechen des Euro wäre so ein Gefühl, das die Menschen verdrängen und sich deshalb nicht mehr mit den Möglichkeiten von Gold auseinandersetzen?

Ronald Stöferle: Genau. Ein Zerbrechen des Euro ist nicht unbedingt lustig und stört das Wohlbefinden und deshalb werden solche Dinge oft ausgeblendet. Das zeigt sich auch in Alltagserlebnissen. Die Leute sagen „das interessiert mich alles nicht mehr“. Und eine Fußball-EM oder Eurovision Songcontest ist viel wichtiger.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Sie erwarten langfristig einen Goldpreis von 2.300 Dollar pro Unze. Von welchen Faktoren hängt der Goldpreis neben der Nachfrage noch ab?

Ronald Stöferle: Der mit Abstand wichtigste Faktor sind die Realzinsen. Die Frage ist: Wie hoch sind die Realzinsen abzüglich der Inflationsrate? Und wenn sie negativ sind, ist das perfekt für Gold. Gold zahlt keine Zinsen. Von dem her sind Zinsen bei Gold dann Opportunitätskosten. Dass die Realzinsen in Europa, den USA und vielen anderen Ländern negativ sind, ist der wichtigste Grund dafür, dass Gold momentan so stark ist. Stehen die Zinsen bei vier, fünf Prozent, verliere ich bereits etwas, wenn ich in Gold investiere. Hier ist ein wichtiges Stichwort die Finanzielle Repression: In einem Szenario wo man sich entschulden will, sind negative Realzinsen ein sehr wichtiger Faktor.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Das bedeutet, herkömmliche Finanzprodukte bieten einfach zu wenig Rendite?

Ronald Stöferle: Genau. Inzwischen ist ja sogar die absurde Situation eingetreten, dass für österreichische, zweijährige Staatsanleihen negative Renditen in Kauf genommen werden. Das ist schwer nachzuvollziehen und hat eigentlich nichts mehr mit gesundem Menschenverstand zu tun hat. Aber die Risikoaversion nimmt immer stärker zu. Davon profitiert Gold natürlich auch.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie lange wird dieser Trend anhalten?

Ronald Stöferle: Ich glaube, dass uns das Thema Überschuldung weiterhin begleiten wird. Es einige Möglichkeiten, wie man diesem Problem Herr werden kann. Auf der einen Seite indem man die Schulden zurückzahlt. Dann, indem das Wirtschaftswachstum wesentlich gesteigert wird, durch Inflation oder durch negative Realzinsen. Nachdem drastische Sparmaßnahmen politisch nicht unbedingt gewollt werden, weil das vielen Menschen einfach weh tut, wird man den Weg über negative Realzinsen wählen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Bei Menschen die sich mit dem Thema Gold beschäftigen, herrscht teilweise die Ansicht, der Goldpreis würde künstlich niedrig gehalten. Es ist die Rede von einer Goldpreisdrückung. Wie schätzen sie diesen Verdacht ein?

Ronald Stöferle: Ich sehe das relativ nüchtern: Auf allen Märkten wird interveniert. Warum sollte nicht am Goldmarkt auch interveniert werden? Noch dazu, wo der Goldpreis das Fieberthermometer des Finanzwesens ist. Wir sehen das auch beim Libor-Skandal: Es wird überall manipuliert oder interveniert, wie man das auch immer nennen mag. Daher glaube ich, dass das beim Goldpreis sicherlich auch passiert. Noch dazu gibt es viele Beweise dafür. Aber vielleicht kann man das ja auch als Chance sehen, noch zu relativ günstigen Preisen Gold zu kaufen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Welche konkreten Beweise gibt es für die Manipulation am Goldmarkt?

Ronald Stöferle: Dass am Goldmarkt interveniert wird, lässt sich auch quantitativ anhand der Intraday-Bewegungen von Gold innerhalb der letzten 4 Jahre belegen. Die ca. 1000 inkludierten Handelstage zeigen einen klaren Intraday-Kursverlauf. Während der Goldpreis im frühen (asiatischen) Handel tendenziell steigt, bricht er nach dem 1. und dem 2. Fixing in London (zeitgleich mit Handelsbeginn in New York) dramatisch ein, um sich im weiteren Verlauf langsam wieder zu erholen.

Dies belegen auch zahlreiche Zitate von wichtigen Akteuren der Notenbanken oder der Politik.

Nachdem ein stark steigender Goldpreis nachlassendes Vertrauen in das Finanz- und Währungssystem signalisiert, wäre es unserer Meinung nach naiv zu glauben, dass Interventionen bei Gold nicht stattfinden würden. Der Primärtrend von Gold und Silber ist jedoch ganz klar nach oben gerichtet. Laut Dow-Theorie kann der Primärtrend nicht manipuliert werden, da die inhärenten Marktkräfte zu stark sind.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Warum wird in diesen Fällen nicht wie nun beim Libor-Skandal von den Aufsichts-Behörden ermittelt?

Ronald Stöferle: Es gibt im Silber-Bereich bereits erste Ermittlungen. So ein Verfahren wird aber vermutlich viele viele Jahre dauern. Generell wird weniger ermittelt, weil die Interventionen gar nicht als kriminelle Handlungen eingestuft werden und die Staaten selbst ein Interesse an einem niedrigen Goldpreis haben.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie kann man am Goldmarkt intervenieren?

Ronald Stöferle: Das passiert über die Futures-Märkte. Auf der anderen Seite ist nach der Dow-Theorie – das ist quasi die Bibel der technischen Analyse – Gold ein Primärtrend, der so stark ist, dass diese inhärenten Kräfte, die dem zugrunde liegen so stark sind, dass man den Goldpreis nicht manipulieren kann. So kann man das auch am Gold- und Silbermarkt sehen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Sie sagen Gold ist sparen, Goldaktien sind ein Investment. Kann man das vergleichen mit Sparbuch und Aktien?

Ronald Stöferle: Es ist interessant, wie sich die Motive ändern, in physisches Gold zu investieren. Man sieht im Moment, dass die Remonetisierung des Goldes richtig losgeht. Man besinnt sich zurück auf diesen Jahrtausende alten Status von Gold. Gold ist eine Währung, die noch nie wertlos wurde und die Kaufkraft langfristig behalten hat. Ich denke, dass das sehr langsam geht, aber die Leute sehen Gold gar nicht mehr so als Rohstoff sondern als Währung. Da gibt es einen sehr großen Paradigmenwechsel.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Sie haben kürzlich Ihre Studie auch in der Türkei vorgestellt. Dort wird Goldbesitzern nun angeboten, ihr Gold und ihren Schmuck zur Bank zu bringen. Sie erhalten dann Wertpapiere dafür. Nimmt die Bevölkerung dieses Angebot auch an?

Ronald Stöferle: Das ist alles erst am Anfang. Gemäß Deniz Bank werden mittlerweile Goldbestände im Ausmaß von 8,6 Milliarden US-Dollar innerhalb des türkischen Bankensystems gelagert, dies entspricht einem Wachstum von 270 Prozent in 2011. Zudem hat die türkische Notenbank den Anteil, den Kreditinstitute in Form von Gold als Rücklage halten können, von 10 auf 20 Prozent erhöht. Das sind schon wichtige Maßnahmen. Die Türkei ist darüber hinaus, was die Nachfrage nach Schmuck betrifft, der fünftgrößte Markt der Welt. Die türkische Bevölkerung hält zirka 5.000 Tonnen Gold.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Sind die Goldbesitzer nicht misstrauisch, wenn sie ihr physischen Gold hergeben sollen?

Ronald Stöferle: Eine gewisse Grundskepsis besteht schon. Die Türkei war ja doch ein hochinflationäres Umfeld in den letzten Jahren, ja sogar Dekaden. Da glaube ich schon, dass das Vertrauen nicht wahnsinnig groß ist in den Finanzsektor. Angelaufen dürfte dieses Umtauschangebot ganz gut sein. Das wird aber bald auch an seine Grenzen stoßen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Die Banken nutzen bei den Beständen, die Privatleute zur Bank tragen, denselben Vorteil wie herkömmliche Goldbesitzer: Wertstabilität?

Ronald Stöferle: Man möchte natürlich den extrem hohen monetären Wert nutzen. Die Türkei hat auch ein sehr großes Handelsbilanzdefizit das könnte ein Grund für die Umtauschaktionen sein. Auf der anderen Seite können sich die Banken so Sicherheiten im Sinne von Collaterals beschaffen. Denn Gold ist eine wenig korrelierte Assetklasse, das heißt es ist recht unabhängig von Aktien oder Staatsanleihen und auch zu Rohstoffen. Insofern macht das auch Sinn aus Risikoaspekten, um sich zu diversifizieren.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie läuft Handel auf Basis von Gold zwischen Staaten ab? Werden da Rohstoffe und Leistungen einfach gegen Gold getauscht?

Ronald Stöferle: Das gibt es. Dabei ist auch die Notenbanknachfrage ein sehr wichtiger Indikator. Die wird immer wichtiger und daran erkennt man auch, wo die Dynamik zuhause ist. Das sind in erster Linie Asien und die Schwellenländer. Die massiv auf der Käuferseite sind.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Durch Goldhandel kann also auch ein Finanzembargo gegen den Iran umgangen werden?

Ronald Stöferle: Genau. Dieses Thema ist auch im Zuge der Sanktionen gegen den Iran aufgekommen. Iranisches Öl wird teilweise in Gold bezahlt. Ansonsten ist das sehr schwierig und darüber gibt es auch wenige Informationen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Welchen Vorteil haben Anteile an Goldminen gegenüber Investitionen direkt in Gold?

Ronald Stöferle: Ich würde hier klar unterscheiden: Physisches Gold eher zum Kapitalerhalt, als Sparform und alternative Währung. Und auf der anderen Seite in einem Investment, wo das Ziel eine Kapitalvermehrung ist. Bei Goldminen hat man ein großes operationales Risiko, wie beispielsweise Managementrisiken. Auf der anderen Seite hat man auch einen gewissen Hebel auf den Goldpreis. Das heißt, die Margen sind bei einem steigenden Goldpreis ganz anders. Insofern ist die Chance nach oben viel größer, aber gleichzeitig ist das Risiko nach unten ebenfalls viel größer. Generell ist der Minensektor was Aktien betrifft einer der am stärksten unterbewerteten Sektoren weltweit. Die 16 wichtigsten Gold- und Silberproduzenten werden im Index mit 170 Milliarden US-Dollar bewertet. Das ist wesentlich weniger als viele große amerikanische Einzeltitel. Wenn man das mit Aktien von Exxon Mobil oder Apple vergleicht, dann sind das eigentlich Peanuts und dabei sind das die 16 größten.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie kommt es zu dieser Unterbewertung?

Ronald Stöferle: Goldminen sind ein Sektor der doch auch ziemlich enttäuscht hat aus Sicht der letzten Jahre. Man kann diesen Bereich auch nicht so leicht verstehen. Da herrschen andere Bewertungskriterien. Insofern ist es speziell für europäische Investoren Neuland. In Kanada oder Australien ist es ganz normal auch in Mining-Titel zu investieren. Die spezifischen Kennzahlen werden dort gekannt. Dieses Thema wird bei uns noch etwas stiefmütterlich behandelt.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Die Goldgewinnung hat nicht den besten Ruf was Umweltschutz oder Menschenrechte betrifft. Spielt das eine Rolle bei der Vorsicht der Investoren?

Ronald Stöferle: Nein, das glaube ich nicht. Dann dürfte auch niemand in Öl-Aktien investieren. Dann dürfte niemand in eine Bekleidungsmarke investieren, keine Lebensmittelproduzenten und so weiter. Man muss sagen, dass mittlerweile die Auflagen für die Produzenten die in Industrienationen tätig sind, enorm sind. Viel mehr Auflagen gibt es in fast keinem anderen Sektor. Hier ist das Bild der dreckigen Produktion vielleicht auch etwas übertrieben. Das gibt es natürlich auch, keine Frage. Aber das ist eigentlich nur ein geringer Teil des gesamten Bestandes.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie könnte diese Unterbewertung enden?

Ronald Stöferle: Grundsätzlich kann und wird dieser Sektor in einer Manie enden. Die parabolische Phase, die man in jedem großen Trend sieht, wird noch kommen. Man hat das beim letzten großen Bullenmarkt (Anm. Marktentwicklung mit stark steigenden Preisen) beim Gold gesehen. Da hat sich der Goldpreis innerhalb weniger Woche fast verdoppelt. Bei den Minenaktien könnte sich das ähnlich entwickeln. Das hat man auch bei Öl im Jahr 2008 gesehen, oder bei den Internetaktien.


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