Politik

Der finale Schuss: US-Notenbank am Ende ihrer Möglichkeiten

Lesezeit: 3 min
13.12.2012 01:43
Noch einmal pumpt die US-Notenbank Milliarden in die Märkte. Aber es könnte das letzte Mal sein: Denn ab jetzt muss die Arbeitslosigkeit sinken, oder die endlose Geldvermehrung endet in einer großen Inflation. Das Bernanke-Experiment steht vor dem Scheitern – und es wird viele Verlierer geben.
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Erstmals in der Geschichte der jüngsten Geldvermehrungsaktionen der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) haben die Aktienkurse nicht positiv auf die Ankündigung reagiert, dass es wieder mehr Geld für die Märkte gibt. Aktien und US-Staatsanleihen verloren, während der Goldpreis stieg (womit die Manipulationen noch aufwendiger werden dürften – mehr dazu hier).

Fed-Chef Ben Bernanke hatte am Mittwochabend angekündigt, dass die Fed noch einmal draufhalten will und einen weitere Schuss abfeuert: 85 Milliarden Dollar will die Fed monatlich in den Markt pumpen. Für 45 Milliarden Dollar monatlich werden US-Treasuries gekauft. 40 Milliarden Dollar will die Fed pro Monat in den Hypothekenmarkt stecken. Aber die als QE 4 bezeichnete erneute Geldschwemme könnte der finale Schuss sein. Offenbar dämmert nun auch dem sehr unsicher wirkenden Bernanke, dass alle bisherigen Geldvermehrungsmaßnahmen zwar dazu beigetragen haben, dass Spekulanten gute Profite machen und die Banken nicht kollabiert sind. Aber in der Realwirtschaft hat das Ganze nichts gebracht.

Daher sagte Bernanke nun, dass die Maßnahmen solange andauern werden, bis die Arbeitslosigkeit unter 6,5 Prozent fällt. Dazu ist ein Wirtschaftswachstum von 2,3 bis 3 Prozent im Jahr 2013 notwendig. Die Teuerungsrate wurde leicht angehoben, sie soll aber 2,5 Prozent nicht übersteigen.

Die negative Reaktion der Algorithmen Märkte rührt daher, dass damit klar ist: Die Ziele der US-Politik werden künftig andere sein als die von Wall Street – zumindest auf dem Papier. In dieser Annahme liegt aber auch schon der keim für das Scheitern der Strategie von Bernanke: Die Geldpolitik kann die Inflation verhindern oder beschleunigen, nicht aber die Arbeitslosigkeit senken. Dies ist mittlerweile von vielen Faktoren abhängig, auf die die Fed keinen Einfluss hat – wie etwa der Globalisierung. Eine Verlagerung der Arbeitsplätze nach Asien kann die Fed ebenso wenig beeinflussen wie nachfragebedingte Konjunkturentwicklungen. Hinzu kommt, dass Bernanke einräumen musste, die Kosten des „fiscal cliff“ nicht abschätzen zu können. Beobachter gehen davon aus, dass das Ausbleiben einer Einigung zwischen Republikanern und Demokraten konkrete Belastungen für die US-Wirtschaft bringen würde. Bernanke räumte ein, dass in diesem Fall die Fed noch „ein wenig“ werde nachlegen müssen.

Am gravierendsten ist jedoch die Folge für die Bilanzsumme der Fed: Sie wird sich, wenn die Maßnahmen wie erwartet mindestens bis 2014 laufen, im Vergleich zu vor der Finanzkrise verfünffachen. Sie wäre Ende 2013 auf 4 Billionen Dollar. Wo die Assets herkommen sollen, mit denen diese Bilanzsumme ausgeglichen wird, weiß auch Bernanke nicht. Es gibt nicht mehr genug kurzfristige Staatsanleihen, die verkauft werden können, um wie mit der Operation Twist an ihrer Stelle langfristige US-Treasuries zu kaufen. Damit ist klar: Ab jetzt wird wirklich gedruckt. Auch wenn Bernanke beteuerte, dass man an der Preisstabilität festhalten wolle: Es glaubt ihm keiner – und es liegt wohl auch nicht in seinen Händen.

Letztlich zeigt die Entwicklung, dass das Instrument einer politisch motivierten, jedoch privatwirtschaftlich agierenden Zentralbank am Ende angelangt ist. Sie kann die beiden unterschiedlichen Ziele von Preisstabilität und möglichst Vollbeschäftigung nicht mehr gewährleisten. Die Fed wird Opfer der von ihr selbst geschürten Illusion: Dass nämlich das viele Geld den Banken zugutekommen kann und gleichzeitig Arbeitsplätze geschaffen werden – ohne eine Inflation zu erzeugen. Man braucht kein Finanzexperte zu sein um zu erkennen, dass das nicht geht.

Ben Bernanke hat, wie Mario Draghi und andere Zentralbanker auch, sein Handwerk am Massachussetts Institiute for Technology (MIT) gelernt. Die Methode ist, wie Kenneth Rogoff schreibt, ein experimentelles Herangehen an die Geldpolitik. Alle Zentralbanker sind reine Theoretiker – keiner von ihnen hat jemals in einem Unternehmen gearbeitet. Jetzt, da Geldpolitik auf die Wirklichkeit trifft, steht das Bernanke-Experiment vor dem Scheitern. Den Theoretikern entgleiten die Zügel, aus dem Labor dringen die ersten Schwefeldämpfe. Der finale Schuss wird an die Schläfe gesetzt, weil niemand dabei ungeschoren davonkommen dürfte – außer jenen Zentralbankern, die die Katastrophe verursacht haben: Bernanke und seine gelddruckenden Kollegen in weiser Voraussicht Vorkehrungen für den Tag X getroffen: Ihre Meetings haben die Zentralbankchefs immer im Geheimen abgehalten. Bei den gepflegten Diners in Basel im Rahmen der Treffen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIS) gab es, wie das WSJ berichtet, keine Notizen, Protokolle oder Butler.

Auch wenn sie sonst immer nur mit theoretischen mathematischen Modellen versuchen, die Geschicke der Welt zu steuern: Für das möglicherweise sehr unerfreuliche Ende haben Bernanke & Co. sehr praktisch gedacht. Die Verlierer werden alle anderen sein. Bernanke und seine Kollegen werden keine Verantwortung übernehmen. Sie werden an Elite-Universitäten neue Experimente aushecken, die über sich ergehen zu lassen das Privileg kommender Generationen sein wird.


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