Deutschland

Zypern-Deal: EU übernimmt Kontrolle über Bank-Guthaben in Europa

Lesezeit: 3 min
25.03.2013 03:49
Der Deal Zyperns mit der EU bedeutet die Übernahme der Kontrolle aller europäischen Bank-Guthaben durch die EU. Wer sein Geld auf die Bank getragen hat, hat ab sofort keine Sicherheit mehr, dass er es jemals wiedersieht. Ab sofort sind alle Banken in der Euro-Zone offizielle Hausbanken der Bürokraten in Brüssel.
Zypern-Deal: EU übernimmt Kontrolle über Bank-Guthaben in Europa

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Der aus Panik vor einem verfrühten Euro-Crash gezimmerte Deal zwischen Brüssel und Zypern markiert das Ende des klassischen Bank-Wesens, wie man es bisher kannte. Die Troika hat den vollen Zugriff auf jedes einzelne Bank-Konto – und macht im Krisenfall davon knallhart Gebrauch.

Nur scheinbar ist nämlich der Wegfall der Zwangs-Abgabe ein Erfolg. Die Euro-Retter haben davon vorerst die Finger gelassen, weil es sonst am Montag zu einem Bank-Run in ganz Europa gekommen wäre.

Der Schuldenschnitt ist in Wahrheit viel härter. Denn die Troika aus von niemandem gewählten Funktionären von EU, IWF und EZB hat nunmehr amtlich festgestellt: Bank-Guthaben von über 100.000 Euro sind vogelfrei. Auf sie kann nach Belieben, ohne Vorwarnung und ohne Rechtssicherheit über Nacht zugegriffen werden. Die Grenze von 100.000 Euro ist absolut willkürlich.

Nur Leute, die annehmen, dass ihr Gehalt und ihre Rente auf ewig sicher sind, werden dem schleimigen Gerechtigkeits-Gefasel von Schäuble & Co. aufsitzen, dass 100.000 Euro automatisch Reichtum bedeuten. Jede ausbezahlte Lebensversicherung, Abfertigung, angesparte Gelder, Erbschaften können diesen Betrag schnell übersteigen. Die Lehre für jeden Bürger in der Euro-Zone ist eine Umwertung aller bisherigen Werte: Nur Geld, das man nicht auf der Bank hat, ist sicher.

Die kalte Enteignung in Zypern wird vor allem die Wirtschaft treffen und muss jedem Unternehmer den kalten Schweiß auf die Stirn treiben. Die vielzitierten russischen Oligarchen sind nicht diejenigen, die es wirklich trifft. Sie haben in der Regel komplexe Firmengeflechte, mit denen sie Vermögen hin- und herschieben können, und zwar von einer Steuer-Oase zur nächsten (hier).

Für einen mittelständischen Unternehmer dagegen ist das Bank-Konto in der Regel der Ort, wo er seine Liquidität verwaltet.

Der DIHK sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten: „Die Auswirkungen werden vornehmlich die zypriotischen Unternehmen spüren. Ihnen fehlen Finanzmittel. Gerade kleine Unternehmen, die in der Regel schwächer mit Liquidität ausgestattet sind und derzeit große Probleme bei der Kreditvergabe haben, werden betroffen sein. Hierauf sollte bei der geforderten Beteiligung Zyperns geachtet werden.“

Hierauf wurde mitnichten geachtet. Man kann annehmen, dass alle die Bürokraten, die nie in der Wirtschaft gearbeitet haben, keine Ahnung haben, welche Folgen eine solche Entscheidung hat: Eine Firma mit 40 Mitarbeitern hat monatliche Lohnkosten und Sozialabgaben, die die plakativen 100.000 Euro bereits übersteigen. Von der bei den Banken liegenden Liquidität werden die Gehälter ausgezahlt.

Ein Haircut von 40 Prozent kann das Todesurteil für eine Firma bedeuten. Denn Firmen dürfen, anders als Staaten und offizielle Körperschaften (hier) nicht mit ihrer Liquidität spekulieren. Ein Geschäftsführer, der das tut, macht sich strafbar. Zugleich bekommen die meisten Unternehmen für das Geld, das sie notwendigerweise bei der Bank herumliegen lassen müssen, keine Zinsen für das Geld. Kredite sind für die meisten Unternehmen ohnehin unerreichbar.

Wenn nun also Unternehmen 40 Prozent aus der aktuellen Liquidität herausgeschnitten werden, führt dies zu akuter Insolvenz-Gefahr. Die kann sich der Unternehmer nämlich nirgendwo holen, weil er in der Regel nicht über die Möglichkeiten der großen internationalen Konzerne verfügt. Für VW ist das alles kein Problem: Der Konzern parkt sein Geld in Offshore-Paradiesen, hat Heerscharen von Mitarbeitern, die das Geld verschieben können. Der mittelständische Maschinenbauer, Tourismusbetrieb oder Transport-Unternehmer kann das nicht.

Alle Unternehmen müssen künftig überlegen, wie sie sich von den Banken unabhängig machen können. Die Zeiten, dass man der „Hausbank“ vertrauen kann, sind vorbei. Ab sofort sind alle Banken in der Euro-Zone die Hausbanken für die Bürokraten in Brüssel. Sie verfügen über das Geld, das die Wirtschaft erarbeitet hat.

Von den Implikationen für die Wirtschaft machen sich Leute wie Lagarde, Van Rompuy, Barroso, Schäuble und Draghi überhaupt keine Vorstellung: Sie können nicht zwischen Vermögen und Liquidität unterscheiden, weil sie immer nur mit dem Geld von anderen, dem der Steuerzahler, jonglieren.

Ab nun muss man davon ausgehen, dass die undemokratische Troika die Guthaben auf jeder beliebigen Bank im Euro-Raum als ihr Eigentum betrachtet. Die Entscheidung, den Haircut bei der Bank of Cyprus durchzuführen, geht offenkundig darauf zurück, dass die EU und die zypriotische Regierung sich ganz einfach mal angesehen hat, wer denn wo ein Konto hat.

Dabei kam man zu dem Ergebnis: Bei der Laiki sind die kleinen Leute, da riskieren wir einen Volksaufstand. Bei der BoC dagegen sind es, wie der Blog Zerohegde spöttisch anmerkte, viele Konto-Inhaber mit einem „-ow“ am Ende des Namens. Also langt man dort zu. Das mag politisch verständlich sein. Rechtlich und aus Datenschutz-Sicht ist es die völlige Anarchie von oben, die die Euro-Retter praktiziert haben.

Der Deal wurde als Banken-Restrukturierung aufgebaut. Damit ist die letzte demokratische Hürde aus dem Weg geräumt: Das Parlament in Nikosia hat bei einer Banken-Restrukturierung nichts zu bestellen. Die Troika holt sich das Geld direkt bei den Bank-Kunden ab: Nicht bei den Investoren, die mit ihrem Investment auch eine Risiko-Abwägung hatten treffen müssen. All jene Naiven, die im Vertrauen auf „ihre“ Bank ein Konto eröffnet haben, müssen bluten, weil die EZB weiter „Notkredite“ an längst kaputte Banken vergeben hat.

Damit ist in Zukunft auch klar: Jeder Bank-Kunde muss vorher die Bilanz der Bank studieren, bei der er sein Geld deponiert. Aber selbst bei höchster Fachkenntnis wird ihm dies nichts helfen: Die größten Risiken der Banken liegen in den Derivaten, die in keiner Bilanz aufscheinen.

Die Nacht von Brüssel hat die Euro-Zone dem Supra-Staats-Sozialismus einen entscheidenden Schritt näher gebracht. Wie man in Griechenland gesehen hat, bringen Schuldenschnitte überhaupt nichts: Sie werden am Ende immer auf dem Rücken der Bevölkerung ausgetragen.

Die Euro-Retter haben bewiesen, dass sie keinen Respekt vor dem Eigentum der anderen haben. Bundesfinanzminister Schäuble hat am Sonntag erklärt, dass auch die deutschen Sparguthaben nur solange sicher sind, solange kein Euro-Land pleitegeht.

Um das völlig aus der Bahn geratene politische Konzept einer vom Schulden-Krebs zerfressenen Euro-Zone so lange als möglich am Leben zu erhalten, gehen die Euro-Retter über Leichen.

Mit der massiven Enteignung in Zypern ist das europäische Banken-System endgültig zur Zombie-Veranstaltung degradiert.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Mercedes trotzt dem Trend: Jetzt soll sogar ein Maybach-Van die Besserverdiener locken
18.04.2024

Das Interesse an Elektro-Fahrzeugen in Deutschland ist verhalten. Während VW und Tesla das bei den Zulassungszahlen bemerken, nutzen die...

DWN
Politik
Politik Warum Kürzungen in der Flüchtlingspolitik nicht hilfreich sind
18.04.2024

Immer mehr Politiker und Wirtschaftsexperten fordern eine Neuanpassung der Asylpolitik. Aktuell finden kontroverse Maßnahmen wie...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Iran-Israel-Konflikt: Führt das Krisentreffen in Israel mit Baerbock und Cameron zur Deeskalation?
17.04.2024

Bei Gesprächen mit israelischen Politikern bemühen sich Annalena Baerbock und David Cameron, einen möglichen Vergeltungsschlag gegen den...

DWN
Politik
Politik Günstlingswirtschaft und Gefälligkeiten: Stephan Weil in Niedersachsen am Pranger
17.04.2024

In Berlin steht Kai Wegner (CDU) unter Verdacht, seine Geliebte mit einem Senatorenposten bedacht zu haben. Ursula von der Leyen (CDU)...

DWN
Technologie
Technologie Fluch oder Segen? – Was man aus Müll alles machen kann
17.04.2024

Die Welt ist voller Müll. In den Ländern des globalen Südens gibt es teilweise so viel davon, dass Menschen auf Abfallbergen ihr Dasein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Insolvenzrekorde im März: Nachwehen der Coronahilfen
17.04.2024

Deutsche Unternehmen klagen aktuell viel über die Umstände – und die Unternehmensinsolvenzen sind auch auf Rekordniveau. Ein Grund...

DWN
Politik
Politik Vor G7-Treffen: Baerbock warnt vor Eskalationsspirale im Nahen Osten
17.04.2024

Die Grünen-Politikerin hat vor einem Treffen der Gruppe sieben großer Industrienationen (G7) zu "maximaler Zurückhaltung" aufgerufen in...

DWN
Politik
Politik Die Zukunft der EU als Wirtschaftsstandort: DIHK-Befragung zeigt Stimmungstief
17.04.2024

Wie beurteilen Unternehmen die Lage der Europäischen Union? Eine Befragung der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) gibt...