Politik

EU-Verordnung: Bei Obst und Gemüse wird es weniger Auswahl geben

Lesezeit: 2 min
08.05.2013 02:01
Die neue EU-Saatgut-Verordnung degradiert den ökologischen Landbau zu einer exotischen Form der Liebhaberei. Auf die kleinen Landwirte kommen erhebliche wirtschaftliche Belastungen. Faktisch wird die Regelung zu einer deutlichen Einschränkung der Wahlmöglichkeiten für die Konsumenten führen.
EU-Verordnung: Bei Obst und Gemüse wird es weniger Auswahl geben

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Am Montag wurde in Brüssel der Vorschlag der EU-Kommission zur Neuordnung des Saatgut-Marktes vorgestellt. Zwar sollen dadurch Tausch und Handel alter und seltener Sorten vorerst nicht völlig unterbunden werden. Trotzdem geht die Neuregelung eindeutig in Richtung Beschneidung der Artenvielfalt.

Die Kommission gibt vor, es gehe um eine Vereinfachung der bestehenden Vorschriften, Entbürokratisierung und Anpassung an neue Entwicklungen. Und Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner bezeichnet den Verordnungsentwurf in einer Mitteilung als ein „gutes Signal“ für die Biodiversität. Tatsächlich bringt der Entwurf in seinen wesentlichen Punkten jedoch deutliche Einschränkungen.

Es werden nicht nur die schon jetzt anmeldungspflichtigen Sorten, sondern auch bisher nicht regulierte Arten betroffen sein. Alte und seltene Sorten werden in Zukunft zwar keine behördliche Registrierung, sehr wohl aber eine „allgemeine Beschreibung“ ihrer wesentlichen Merkmale benötigen. Wer zum Beispiel ein paar Päckchen einer durch die Kombination verschiedener Saaten neu gezüchtete Einkorn-Sorte für eine geringe Aufwandsentschädigung verkaufen will, muss die Verpackung in Zukunft mit Herkunftsbeschreibung und anderen Merkmalen kennzeichnen.

Saatgut, dass an lokale Bedingungen angepasst und kleinmengig auf den Markt gebracht wird, soll nun ebenfalls reguliert werden. Es wird als „Nischenprodukt“ kategorisiert und auf eine zu definierende Menge beschränkt, um somit einem „Missbrauch der Ausnahme“ vorzubeugen. Damit wird den betroffenen Kleinbauern und Gärtnereien die Chance genommen, ihr Produkt auch einem größeren Kundenkreis zugängig zu machen.

Im Vergleich zu vorherigen inoffiziellen Entwürfen gab es nur geringfügige Änderungen. So sind etwa die Grenzen für Kleinunternehmen angehoben worden, die ihr Saatgut ab einer bestimmten Größe nicht nur registrieren, sondern auch Tests unterziehen müssen. Statt bei Unternehmen mit vier Mitarbeitern und 75.000 Euro Umsatz liegt diese Grenze jetzt bei zehn Mitarbeitern und 2 Millionen Umsatz.

„Unsere Kernforderung, die Aufhebung der verpflichtenden amtlichen Zulassung für alte und seltene Sorten, wurde nicht erfüllt. Damit wird die Wahlfreiheit der Konsumenten stark eingeschränkt“, sagt Heidemarie Porstner von der Umweltschutzorganisation Global 2000. Die Ausnahmeregelungen würden klein- und mittelständische Betriebe in Nischen drängen. Sie könnten sich die teuren europaweiten Zulassungsverfahren nicht leisten, so Porstner. Der Vorschlag der Kommission stärke hingegen die Konzerne, die ein Interesse an einem engen Saatgutspektrum haben.

Das gibt die Kommission sogar offen zu, schreibt sie in ihrem Entwurf doch ausdrücklich, dass das Hauptziel der Verordnung die Steigerung der Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Saatgut-Industrie ist. Wenn die europäischen Agrarkonzerne wie Bayer und Syngenta auf dem immer konzentrierteren Weltmarkt (hier) gegen die US-Riesen Monsanto und DuPont mithalten wollen, müssen sie möglichst hohe Marktanteile in der EU vorweisen können. Mit entsprechend harten Bandagen kämpfen die Multis in Brüssel um ihren Einfluss bei landwirtschaftlichen Regelungen (hier).

Kleinere Saatgut-Erzeuger haben hingegen keinen vollen Zugang zum Markt. Mit der Zuerkennung von „Ausnahmerechten“ wird der ökologische Landbau als exotische und wirtschaftlich unbedeutende Randerscheinung abgetan. Geschäfte auf dem kommerziellen Markt hingegen kann nur machen, wer sein Saatgut zuvor teuer angemeldet und behördlich testen hat lassen.

Welche zusätzlichen finanziellen und bürokratischen Hürden genau auf die kleinstrukturierte Landwirtschaft zukommen werden, steht dann in sogenannten Sekundärgesetzen, die die groben Vorgaben der Verordnung in Detailregelungen gießt. Diese werden von einem Gremium ausgearbeitet, das von der Kommission bestellt ist und wenig transparent arbeitet.

Die endgültige Entscheidung liegt nun beim Rat der Landwirtschaftsminister und dem Europäischen Parlament.


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Immobilien
Immobilien Wie viel Immobilie kann ich mir 2024 leisten?
18.04.2024

Wie günstig ist die aktuelle Marktsituation für den Erwerb einer Immobilie? Auf welche Haupt-Faktoren sollten Kaufinteressenten momentan...

DWN
Politik
Politik G7-Gipfel auf Capri: Militärische Signale für Ukraine und Nahost
18.04.2024

Inmitten eskalierender Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten kommen die G7-Außenminister auf Capri zusammen, um gemeinsam Strategien...

DWN
Politik
Politik Russische Agenten in Bayern festgenommen: Sabotagepläne aufgedeckt
18.04.2024

Zwei Russland-Deutsche sollen für einen russischen Geheimdienst spioniert haben. Einer der beiden soll sich auch zur Durchführung von...

DWN
Politik
Politik Kampf am Himmel: Ukrainische Verteidiger unter Druck
18.04.2024

Die militärische Lage der Ukraine verschlechtert sich weiter. Es fehlen Mittel, Soldaten und Luftabwehrsysteme, um sich gegen neue...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Halving: Die nächste Evolutionsstufe im digitalen Geldsystem
18.04.2024

Am 20. April 2024 ist es wieder soweit: Das nächste Halving steht vor der Tür. Doch um was geht es bei diesem Event, auf das die...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Wirtschaftsstandort Deutschland: 7 Maßnahmen, die den Wohlstand sichern
18.04.2024

Kein Wirtschaftswachstum, Fachkräftemangel, Bürokratie und hohe Energiekosten: Die deutsche Wirtschaft hat viele Baustellen. Im aktuellen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bosch verhandelt über Stellenabbau: Fokus auf Alternativen und Standortsicherung
18.04.2024

Bosch will massiv Stellen streichen, um im internationalen Wettbewerb nicht ins Hintertreffen zu geraten. Dagegen gingen zuletzt Tausende...

DWN
Finanzen
Finanzen Geldvermögen privater Haushalte hat einen neuen Höchststand erreicht
18.04.2024

Die gestiegenen Kurse an den Aktienmärkten und die erhöhten Sparzinsen haben zusammen dazu geführt, dass das Geldvermögen der deutschen...