Politik

USA gegen Russland: Der Energie-Krieg um Europa

Lesezeit: 5 min
10.05.2014 00:42
Die Amerikaner müssen wegen des Preisverfalls ihr Schiefergas auch nach Europa exportieren. Mit der Angst vor den Russen sollen die Europäer in die Hände der US-Industrie getrieben werden. In Niedersachsen gibt es bereits die ersten Bohrungen. Ein Ausstieg Deutschlands ist wegen verschiedener Investitionsschutzabkommen nicht mehr möglich.
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Der Fracking-Boom in den USA, der durch die Obama-Administration als Mittel zur Energie-Autarkie der USA und als Wachstumsstimulanz für die marode US-Wirtschaft bewusst initiiert worden ist, steht der sonstigen Green Growth Lyrik diametral entgegen. Insbesondere hat die Erdgasförderung mittels Fracking die Erdgaspreise in den USA purzeln lassen. Das ist auch eine der Ursachen für die vergleichsweise niedrige Inflationsrate, da eben die Energiekosten ein wichtiger Faktor für die US-Wirtschaft darstellen.

Damit kann sich die US-Wirtschaft, die insgesamt eine niedrige Energieineffizienz im Vergleich zu Europa ausweist, ihre Energieverschwendung wie bisher leisten. Allerdings geht dies wahrscheinlich auf Kosten der nachhaltigen, ökologischen Sicherheit des Landes, da Fracking mit erheblichen Problemen bei der derzeit eingesetzten Fördertechnologie verbunden ist. In den USA träumt man derzeit davon, zu einem der großen Erdgas-Exporteure weltweit aufzusteigen. Allerdings gilt auch in Erdgasmarkt nicht Says Gesetz („supply creates ist own demand“).

Der Erdgasmarkt ist nämlich durch langfristige Verträge und Verteilnetze weitgehend verteilt. Newcomer wie die USA müssen also in einen Verdrängungswettbewerb mit Incumbents wie Russland und den Ländern im Nahen Osten treten, um sich neue ausländische Absatzmärkte zu erschließen. Die derzeitige Krise in der Ukraine, die Russland zum Paria der Weltwirtschaft gestempelt hat, ist – ob von den USA gewollt oder ungewollt sei dahingestellt – ein Geschenk des Himmels, um diese Kundenbeziehungen aufzubrechen. Ein weiterer, großer neuer Anbieter im Markt ist im Nahen Osten Katar. Sollte der Iran seinen Konflikt wegen des Atomprogramms mit den USA beilegen können, käme ein zusätzlicher Anbieter von Erdgas auf den Markt. All das dürfte die Erdgaspreise in der Zukunft tendenziell zusätzlich purzeln lassen. Voraussetzung wäre allerdings, dass ein freier Markt herrscht.

Die von den USA von der EU und vor allem von Deutschland geforderten Sanktionen gegen Russland dürften ein zentraler Schlüssel im Rahmen dieser Strategie sein. Gazprom, Putin und die Blockade der Gasversorgung Europas sind jedenfalls perfekt geeignet, um einem Szenario der Substitution von russischem Erdgas durch andere Versorgungsquellen Vorschub zu leisten. Die G7 – nachdem Russland bereits aus dem bisherigen G8-Gipfel entfernt worden ist – streben jedenfalls eine Unabhängigkeit von der russischen Energieversorgung Europas an.

Ob es zu einer tragfähigen Lösung mittelfristig kommen wird, steht allerdings in den Sternen.

Fracking in Europa

Von Rumänien bis Portugal wird von den großen Energiekonzernen des Westens die Exploration von potentiellen Fördergebieten in Europa vorangetrieben.

Auch in Deutschland ist dieser Prozess in vollem Gange. Von NRW bis Niedersachen, von Mecklenburg-Vorpommern bis Brandenburg - überall werden Probebohrungen massiv vorangetrieben. Trotz gegenteiliger Äußerungen sind die Energiekonzerne intensiv darum bemüht, die wichtigen Politiker von der Ungefährlichkeit des Fracking zu überzeugen.

In Ostdeutschland ist dabei eine kanadische Explorationsfirma CEP federführend. Die CEP Central European Petroleum GmbH hat ihren Sitz in Berlin. Im Juli vergangenen Jahres teilte sie eine erste Schätzung über die vermutliche Höhe der durch Fracking in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern mittels verwertbaren Erdgasreserven mit:

„Two-thirds of the windfall would come from Mecklenburg-Western Pomerania state, where Chancellor Angela Merkel’s election district is located, and the rest from Brandenburg’s Lower Lusatia region. Both are among Germany’s poorest states.“

Es trifft sich hervorragend, dass im Wahlkreis der Bundeskanzlerin ein großer Teil der Vorkommen vermutet wird. Da wie auch in der Lausitz ist die relative Armut der Bevölkerung vergleichsweise groß und damit der Wunsch nach gut bezahlten Jobs und einem kleinen Wirtschaftswunder besonders ausgeprägt. Das Wohlwollen der Kanzlerin und der brandenburgischen Landesregierung dürfte CEP sicher sein.

In Usedom ist man dagegen weitaus weniger über das Erdgasgeschenk erfreut. Dort lebt man recht gut vom Ostsee-Tourismus und fürchtet die Umweltschäden durch Fracking.

Wer steckt aber hinter CEP? „Central European Petroleum Ltd. wurde 2006 in Alberta, Kanada, registriert. Ihre 100-prozentige Tochtergesellschaft CEP Central European Petroleum GmbH wurde 2008 in Berlin eingetragen. Gegenwärtig hält CEP 14.800 Quadratkilometer Aufsuchungserlaubnisfelder entlang bekannter Trends von Erdöl- und Erdgasvorkommen in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg.

Wer steckt aber hinter Central Petroleum Ltd in Alberta? Hier herrscht Intransparenz. Reuters meldete jedoch, dass einer der Investoren Goldman Sachs sei. So schließt sich der Kreis.

Warum wurde die Firma in den USA im Jahr 2006 gegründet?

Den Schlüssel hierzu könnte CETA liefern: Das „Comprehensive Economic and Trade Agreement“ (CETA) ist ein zwischen der EU-Kommission und Kanada ausgehandeltes Handelsabkommen. Dies beinhaltet auch ein umstrittenes Investitionsschutzabkommen. Danach können kanadische Firmen gegen die Bundesrepublik Deutschland auf Schadensersatz Klagen in Milliardenhöhe einreichen, wenn ihnen Gewinnmöglichkeiten wie beispielsweise die Ausbeutung der Erdgasvorkommen in Deutschland durch Gesetze in Deutschland verwehrt würde.

Kein Wunder also, dass Attac eine Kampagne gegen die CETA-Ratifizierung durch das EU-Parlament (EP)  initiiert hat. Der Erfolg der Kampagne ist fraglich. Angeblich soll das Parlament bereits einen analogen Entwurf für ein Investitionsschutzabkommen im Eilverfahren im Rahmen der TTIP-Verhandlungen verabschiedet haben. Der Zeitpunkt ist günstig. Im Zuge der EU-Wahlen schaut niemand genau hin, welche Entscheidungen abseits der Öffentlichkeit fallen.

Damit wären aber die Weichen für Fracking in der EU und insbesondere auch in Deutschland gestellt. Die Große Koalition wird auf die immensen Kosten verweisen, die eine politische Verweigerung einer Förderlizenz für ausländische Erdgasfördergesellschaften auf den deutschen Staat verursachen würde. CETA und TTIP machen es möglich.

Konkrete Gefahr für Niedersachsen

Das Thema ist mitnichten theoretischer Art: In Niedersachsen hat sich ExxonMobil bereits weitgehende Rechte gesichert. Unter CETA könnte Fracking für den Konzern zum Milliardengeschäft werden - auch wenn eine Bürgerinitiative die Bohrarbeiten noch verhindert. Der NDR berichtete im Herbst 2013:

ExxonMobil will ein altes Erdgasfeld bei Bötersen im Landkreis Rotenburg (Wümme) ausschöpfen. Da die Förderung dort zuletzt nur noch mäßigen Erfolg brachte, kündigte der Energieriese vor zwei Jahren an, durch Fracking noch tiefer unter der Oberfläche neue Vorkommen erschließen zu wollen. Eine Bürgerinitiative will das aus Angst vor giftigen Chemikalien im Grundwasser verhindern. Doch die Aussichten sind schlecht. Exxon hat die Unterlagen für das Genehmigungsverfahren fast vollständig. Die Zusage des Landesbergamts gilt als sicher und könnte bereits 2014 erfolgen.

Warum haben die Deutschen Anteile an Gazprom verkauft?

Da überrascht es schon, dass er in diesem Jahr Winterhall seine Erdgasspeicher und Gasnetze an Gazprom verkauft hat. Auch bei North Stream ist Winterhall zusammen mit BASF und E.ON Ruhrgas beteiligt gewesen. Der Hauptanteilseigner ist der russische Gazprom-Konzern.

Bei den Erdgasspeichern gibt es eine einleuchtende Erklärung. Die Erdgasspeicher sind undicht oder drohen undicht zu werden. Das wissen natürlich die Betreiber wie Wintershall besser als Gazprom. Sie planten bereits 2007, einen gigantischen Erdgasspeicher in Mecklenburg-Vorpommern zu errichten. Wenn aber diese Speicher unsicher sind, dann kommen gewaltige Sanierungskosten auf die Firmen zu. Das Problem ist von Asse bekannt.

Auch für den Ausstieg aus North Stream und der Beteiligungen aus russischen Erdgasfeldern hätte man in diesem Fall eine plausible Erklärung. Wenn man zukünftig von dort kein Erdgas mehr beziehen will, sind alle diese Investitionen wertlos. Dem bestehenden Erdgasnetz in Deutschland droht das gleiche Schicksal, denn aufgrund der zahllosen Förderstätten – siehe USA – wird das Erdgas dort per Lkw und Schiene transportiert. Die Mengen sind zu gering, um teure Pipelines zu errichten. Dass das nicht immer ohne Kollateralschäden abgeht, zeigen die Unfälle in den USA und Kanada. Warren Buffett hat wohl rechtzeitig davon Wind bekommen und entsprechend in eine große Eisenbahngesellschaft investiert. Die Reparatur der Verkehrswege in Deutschland erscheint plötzlich auch in einem ganz anderen Licht. Neben Megalinern müssen wohl zukünftig auch große Mengen von Tanklastern von und zu den einzelnen Förderstellen fahren können.

Während also Gazprom unter tätiger Mithilfe von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder versucht, den Erdgasmarkt in Deutschland unter seine Kontrolle via Northstream zu bekommen, sind die bisherigen deutschen Partner aus den Partnerschaften ausgestiegen und planen neue Koalitionen mit westlichen und nahöstlichen Partnern. Die hoffen auf die Unterstützung der jetzigen Kanzlerin Angela Merkel. CEP lässt grüßen.

Offenbar leisten die Spitzenpolitiker von SPD und CDU intensiv Schützenhilfe, damit die Energieversorgung Deutschland in ausländischen Händen bleibt. Man könnte dafür am Ende ja möglicherweise reich belohnt werden.

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