Politik

Der Kreml ist fassungslos: Obama beschuldigt Putin der Korruption

Lesezeit: 3 min
30.01.2016 01:29
Im Kreml herrscht Fassungslosigkeit: US-Präsident Barack Obama beschuldigt den russischen Präsidenten Wladimir Putin persönlich der Korruption. Die Russen wittern einen Destabilisierungs-Versuch. Doch selbst amerikanische Beobachter warnen davor, in Russland ein Chaos auszulösen – von dem letzten Endes die radikalen Nationalisten profitieren würden.
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Der Kreml hat US-Korruptionsvorwürfe gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin scharf zurückgewiesen. Die Äußerungen eines hohen Beamten des US-Finanzministeriums seien „empörend und beleidigend“, sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow am Freitag in Moskau. Der Kreml erwarte von der US-Regierung eine Erklärung. Peskow sagte, dass er gefeuert worden wäre, hätte er wie sein US-Kollege derartige Anschuldigungen öffentlich verkündet, berichtet die TASS. Putin wisse von den Anschuldigungen und halte sie für beispiellos und empörend. Die in der TASS referierte Reaktion des Kreml ist von auffallender Schärfe, weil die Russen darin eine Verletzung aller internationalen Gepflogenheiten sehen. Allerdings ist die Verteidigungslinie des Kreml nicht stringent, was darauf hindeutet, dass die Attacke aus Washington eine gewisse Wirkung gezeigt hat.

Der Beauftragte des US-Finanzministeriums für den Anti-Terror-Kampf und Sanktionen, Adam Szubin, hatte Putin in einer am Montag ausgestrahlten BBC-Dokumentation direkt der Korruption bezichtigt. Am Donnerstag stellte sich der Sprecher von US-Präsident Barack Obama, Joshua Earnest, hinter Szubin. Dessen Erklärung decke sich mit der Position der US-Regierung. In Ausschnitten aus einer Reportage des BBC-Programms „Panorama“ vom Montagabend wirft Szubin dem russischen Präsidenten vor, mit Bestechung zu arbeiten. Er habe seinen Freunden und engen Verbündeten mit staatlichen Mitteln zu Reichtum verholfen und diejenigen, denen er nicht zugetan sei, leer ausgehen lassen.

Zu einem von der BBC erwähnten Bericht der CIA aus dem Jahr 2007, der Putins Vermögen auf 40 Milliarden Dollar (37 Milliarden Euro) schätzte, wollte sich Szubin nicht äußern. Angeblich beziehe der russische Präsident ein jährliches Staatssalär in Höhe von etwa 110.000 Dollar. Das entspreche aber nicht Putins „wirklichem Reichtum“. Der Präsident verfüge über eine „lange Erfahrung“, seine wahre finanzielle Lage zu verschleiern.

Putins Sprecher warf der US-Regierung vor, sich mit den Korruptionsvorwürfen in die 2018 anstehende Präsidentschaftswahl einmischen zu wollen. Obwohl in Russland erst in mehr als zwei Jahren gewählt werde, habe die „Vorbereitung“ offenbar schon begonnen, sagte Peskow. Es sei „klar“, dass „negative“ Informationen über Putin gestreut würden, um „Druck auszuüben“ und den bevorstehenden Wahlkampf zu „beeinflussen“. Putin hat sich noch nicht dazu geäußert, ob er 2018 erneut kandidiert.

Allerdings sind die Anschuldigungen für Putin nicht ungefährlich: Die USA verfügen über ausgefeilte Mechanismen, um Sanktionen gegen Einzelpersonen zu verhängen. Es wäre denkbar, dass Washington Putin von den internationalen Finanz-Strömen abschneidet: Das ist wegen des Dollar über Swift in Sekundenschnelle möglich, wie Michael Maier in seinem neuen Buch im Detail erklärt. Dies würde sowohl Putin persönlich treffen, als auch seine Wahlkampf-Finanzierung beeinträchtigen - gleichgültig, ob er selbst antritt oder einen anderen Kandidaten unterstützt.

Die US-Regierung fährt offenkundig eine Doppelstrategie in ihrer Russland-Politik. Während Putin direkt attackiert wird, sendet die Nato freundliche Signale in Richtung der russischen Militär-Führung: „Wir prüfen die Möglichkeit, einen Nato-Russland-Rat zu organisieren“, bestätigte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Donnerstag. Die transatlantische Militärallianz hatte ihre praktische Zusammenarbeit im Zuge der Ukraine-Krise im März 2014 ausgesetzt. Der Nato-Russland-Rat ist seit Juni 2014 nicht mehr zusammengekommen. Im Zuge der Ukraine-Krise hatte Washington im Jahr 2014 Sanktionen gegen zahlreiche Putin-Vertraute verhängt.

Nato-Diplomaten zufolge ist das Treffen des Gremiums für Ende Februar oder Anfang März vorgesehen. Eine Entscheidung sei noch nicht getroffen, es werde aber mit der russischen Delegation bei der Nato darüber beraten, sagte Stoltenberg in Brüssel.

Stoltenberg sagte, die Wiederaufnahme des Dialogs solle helfen, „Missverständnisse und Vorfälle“ zu vermeiden - wie den Abschuss eines russischen Kampfjets durch die türkische Luftwaffe vor zwei Monaten im türkisch-syrischen Grenzgebiet.

Putin hat wiederholt davor gewarnt, die US-Regierung könne einen Putsch gegen ihn anzetteln. Die US-Geheimdienste haben erst vor wenigen Tagen eine Untersuchung gegen euro-skeptische und rechtsradikale Parteien in Europa eingeleitet. Die Dienste vermuten, dass Russland eine Spaltung der EU betreibe. Der Kreml wiederum sieht die Attacke gegen Putin als Versuch, Russland zu destabilisieren. Peskow sagte am Freitag, mit den aus russischer Sicht haltlosen Entscheidungen würden 100 Millionen Russen beleidigt, die Putin gewählt hätten.

Es ist durchaus denkbar, dass die US-Regierung mit den Anschuldigungen eine Positionierung für die Wahlen in Russland vornimmt. Allerdings warnen sogar US-Geopolitiker davor, in Russland Chaos stiften zu wollen. George Friedman, der vor einiger Zeit in Moskau Gespräche geführt hatte, kommt in einem Bericht zu der Einschätzung, dass der Westen mit Putin gut bedient sei. Friedman schreibt, dass die Alternativen zu Putin wesentlich schlechter für den Westen wären.

Kämen nämlich tatsächliche radikale Nationalisten in Moskau ans Ruder, würde die Wirtschaft vermutlich vollständig kollabieren. Der Preis für die EU wäre in diesem Fall bedeutend höher. Der EU-Observer zitiert Offizielle, die geradezu bedauernd feststellen, dass der Kreml dann nicht von Oligarchen regiert würde, die ihre wirtschaftlichen Interessen verfolgen und denen daher ein gewisses Maß an Berechenbarkeit und Rationalität im westlichen Sinn beigemessen wird.

Wenn radikale Nationalisten im Kreml das Sagen hätten, würden die Kosten für die EU erheblich steigen: Sie müsste den dauerhaften Verlust des russischen Absatzmarktes verkraften, was die ohnehin lahme Wirtschaft in Europa möglicherweise entscheidend schwächen könnte.


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