Politik

Panama Papers: Politiker fürchten Enthüllungen ihrer Finanz-Geschäfte

Lesezeit: 4 min
04.04.2016 02:37
Ein Whistleblower hat einem internationalen Medien-Verbund einen umfangreichen Datensatz zugespielt. Er zeigt, wie Politiker über Panama Briefkasten-Firmen gegründet haben. Unter den Namen finden sich Bezüge zum Vater von David Cameron, den saudischen König, dem chinesischen Politbüro, dem isländischen Premier bis hin zu Vertrauten von Russlands Präsident Wladimir Putin. Es ist zu erwarten, dass die US-Finanzbehörden sich jeden einzelnen Fall genau ansehen werden.
Panama Papers: Politiker fürchten Enthüllungen ihrer Finanz-Geschäfte

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Steuern  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Durch einen Whistleblower sind sogenannte Briefkastenfirmen von Politikern und Prominenten aus aller Welt enthüllt worden. In den Unterlagen tauchen nach Angaben des International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) die Namen von Milliardären, Politikern, Sportlern, Waffenhändlern, Spionen und Kriminellen auf. Das ICIJ nennt viele prominente Namen: Russlands Präsident Wladimir Putin, das chinesische Politbüro, die Familie des Präsidenten von Aserbaidschan, die Familie des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, der Vater des britischen Premiers David Cameron, der König von Saudi-Arabien, die Premiers von Island und Pakistan, der argentinische Präsident und der ukrainische Präsident Petro Poroschenko sollen Briefkasten-Firmen über die in Panama ansässige Kanzlei Mossack Fonseca betrieben haben. Das ist eigentlich nicht illegal, wie auch Mossack Fonseca beteuert.

Doch die vom ICIJ dargestellten Fälle zeigen, dass es im Zusammenhang mit Mossack Fonseca durchaus zweifelhafte Geschäfte gegeben hat. In der Regel werden Briefkastenfirmen nämlich nicht für die ordentliche Geschäftstätigkeit benötigt, sondern dienen der Steuerflucht, der Geldwäsche und der Verschleierung von Korruption. Neue Vorwürfe gibt es auch gegen den argentinischen Fußballstar Lionel Messi. Auch ein Mitglied der FIFA-Ethik-Kommission ist betroffen und fürchtet nun die Enthüllungen: Die Ethikkommission des Fußball-Weltverbandes FIFA bestätigte der Deutschen Presse-Agentur interne Vorermittlungen gegen ihr eigenes Mitglied Juan Pedro Damiani aus Uruguay. „Ja, der Bericht ist richtig. Ich kann bestätigen, dass wir eine sogenannte Voruntersuchung in die Wege geleitet haben“, sagte der Sprecher der ermittelnden Kammer der Ethikkommission, Roman Geiser, laut dpa.

Die FIFA steht seit Monaten unter Beschuss der US-Ermittler. Der als unantastbar geltenden FIFA-Präsident Sepp Blatter wurde gestürzt, nachdem die US-Ermittler eine Razzia in der Schweiz durchführten und Kronzeugen aus der FIFA rekrutiert hatten.

Interessant: Bei der ersten Veröffentlichung finden sich keine US-Politiker in den Aufstellungen. US-Kunden bedienen sich in der Regel anderer Offshore-Plätze als Panama.

Die Süddeutsche Zeitung, die im Rahmen einer Kooperation mit über 100 Medien aus aller Welt offenbar führend bei der Auswertung der Daten tätig gewesen ist, widmet sich schwerpunktmäßig dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Enge Vertraute von Putin leiteten laut SZ den Angaben zufolge in den vergangenen Jahren unter konspirativen Umständen offenbar mehr als zwei Milliarden Dollar durch Briefkastenfirmen und schafften dabei viel Geld aus Russland heraus. Zu den Schlüsselfiguren in diesem Fall gehöre unter anderem Sergej Roldugin. Er ist ein bekannter Cellist und leitet eine Musikschule in St. Petersburg. Er gilt als einer der besten Freunde des russischen Präsidenten und steht im Mittelpunkt eines Netzwerks aus Briefkastenfirmen. Der Name von Putin selbst taucht den Angaben zufolge bei den Briefkastenfirmen nicht auf – der Name von Roldugin werde dagegen etliche Male genannt. Mehrere Dokumente wurden von ihm unterschrieben, auch eine Kopie seines Reisepasses findet sich in dem Datensatz.

Roldugin äußerte sich in einer Stellungnahme, die der Guardian zitiert, ziemlich irritiert: Die Firmen seien schon vor der Perestroika gegründet worden, das sei schon lange her. Es handle sich um eine „delikate“ Materie, weshalb er um Verständnis bitte, dass er sich nicht äußern könne.

Poroschenkos Briefkastenfirma wurde laut SZ im Jahr 2014 gegründet, nur zwei Monate nach seiner Wahl zum neuen Präsidenten der Ukraine. Auch der isländische Premierminister Sigmundur Gunnlaugsson soll bis Ende 2009 zusammen mit seiner heutigen Ehefrau eine Briefkastenfirma besessen haben, in der unter anderem Anleihen wichtiger isländischer Banken deponiert waren. Auch international sanktionierte Geschäftsleute wie ein Cousin des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad oder Monarchen wie der König von Saudi-Arabien haben den Unterlagen zufolge Offshore-Firmen genutzt.

Die Informationen über die Offshore-Geschäfte wurden der Süddeutschen Zeitung von einer anonymen Quelle zugespielt. Der Zeitung zufolge handelt es sich um 2,6 Terabyte an Daten, das sind 11,5 Millionen Dokumente zu insgesamt 214.000 Briefkastenfirmen. Es sei das größte Datenleck, das es bislang gab. Die Auswertung der Dokumente wurde zusammen mit dem Internationalen Konsortium für Investigative Journalisten (ICIJ) in Washington organisiert. An ihr wirkten etwa 400 Journalisten aus fast 80 Ländern mit. Ab sofort werden etwa hundert Medien unter dem Titel „Panama Papers“ ihre Ergebnisse veröffentlichen.

Die Kanzlei Mossack Fonseca aus Panama bietet die Gründung und Verwaltung von Offshorefirmen an. Nach eigenen Angaben beschäftigt das Unternehmen über 500 Mitarbeiter auf der ganzen Welt. Die Kanzlei ist in Belize, den Niederlanden, Costa Rica, Großbritannien, Malta, Hong Kong, Zypern, den Britischen Jungfern-Inseln, Bahamas, Panama, Anguilla, Seychellen, Samoa und den US-Bundesstaaten Nevada und Wyoming tätig.

Mossack Fonseca bietet zudem Rechtsberatung unter anderem in den Bereichen Finanzen, geistiges Eigentum und öffentliche Ausschreibungen an. Außerdem setzt die Kanzlei Treuhandfonds und private Stiftungen auf und verwaltet sie.

Gegründet wurde die Kanzlei 1977 von dem deutschstämmigen Rechtsanwalt Jürgen Mossack. Er wurde in Fürth geboren und wanderte nach Informationen der Süddeutschen Zeitung bereits als Kind mit seiner Familie nach Panama aus. 1986 tat er sich dann mit dem Panamaer Ramón Fonseca Mora zusammen. Der Anwalt, Schriftsteller und Politiker war bis vor kurzem Berater von Staatschef Juan Carlos Varela. Wegen Ermittlungen gegen Mossack Fonseca in Brasilien lässt er seine Beratertätigkeit derzeit ruhen.

Das Leck umfasst E-Mails, Urkunden, Kontoauszüge, Passkopien und weitere Dokumente zu den 214.000 Gesellschaften vor allem in Panama und auf den Britischen Jungferninseln. Die Briefkastenfirmen wurden von der Kanzlei Mossack Fonseca aus Panama gegründet. Diese gründet und verwaltet seit fast 40 Jahren Briefkastenfirmen. In Deutschland wird nach SZ-Informationen seit einiger Zeit wegen Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung gegen Verantwortliche der Kanzlei ermittelt. Auf Anfrage erklärte die Kanzlei, sie arbeite seit 40 Jahren ohne jede Beanstandung. „Nie sind wir einer Straftat beschuldigt oder angeklagt worden.“ Eine kürzlich bei der Commerzbank durchgeführte Razzia soll, so die SZ, ebenfalls auf den Datensatz des Whistleblowers zurückzuführen sein. Die Commerzbank hatte sich gegen eine Zahlung von 17 Millionen Euro mit den Behörden auf eine Einstellung des Verfahrens geeinigt.

*** Bestellen Sie den täglichen Newsletter der Deutschen Wirtschafts Nachrichten: Die wichtigsten aktuellen News und die exklusiven Stories bereits am frühen Morgen. Verschaffen Sie sich einen Informations-Vorsprung. Anmeldung zum Gratis-Newsletter hier. ***


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Technologie
Technologie Der Chefredakteur kommentiert: Kleiner Blackout - kein neuer Strom mehr in Oranienburg! Echt jetzt?
19.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Städtereisen neu entdeckt: Easyjet läutet Renaissance der Rollkoffer ein
19.04.2024

Vor genau 20 Jahren eroberte Easyjet mit seinen günstigen Flügen das Festland der EU. Der Start in Berlin-Schönefeld begann...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft G7-Außenministertreffen: Israel-Iran Konflikt überschattet Agenda
19.04.2024

Nach israelischem Angriff auf Iran: G7-Außenministertreffen auf Capri ändert Agenda. Diskussionen zu China und Cyber-Sicherheit werden...

DWN
Politik
Politik Forsa-Zahlen: Die Grünen unterliegen den Fliehkräften der Abwärtsspirale
19.04.2024

Und schon wieder eine Etage tiefer. Der Sog verstärkt sich und zieht die Partei Bündnis 90/Grüne immer weiter hinab in der Wählergunst....

DWN
Technologie
Technologie Sehnsuchtsort Mond – Wettlauf um Macht und Rohstoffe
19.04.2024

Forscher, Technologiefirmen und ganze Staaten streben nach neuen galaktischen Ufern. Der Mond lockt mit wertvollen Rohstoffen und dient...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Krieg: So ist die Lage
19.04.2024

Nach neuen Angriffen: USA und NATO erhöhen Unterstützung für Ukraine, während Russland seinen Machtanspruch verstärkt.

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Trotz Exportbeschränkungen: Deutsche Ausfuhren in den Iran gestiegen
19.04.2024

Deutsche Exporte in den Iran trotzen geopolitischen Spannungen: Anstieg trotz EU- und US-Sanktionen. Welche Kritikpunkte gibt es in diesem...

DWN
Immobilien
Immobilien Wie viel Immobilie kann ich mir 2024 leisten?
19.04.2024

Wie günstig ist die aktuelle Marktsituation für den Erwerb einer Immobilie? Auf welche Haupt-Faktoren sollten Kaufinteressenten momentan...