Finanzen

US-Zinswende führt zu ersten Verwerfungen auf den Märkten

Lesezeit: 3 min
08.05.2018 17:30
Die steigenden Zinsen im Dollar-Raum führen zu ersten Verwerfungen in Schwellenländern.
US-Zinswende führt zu ersten Verwerfungen auf den Märkten

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Die steigenden Leitzinsen im Dollar-Raum haben zu ersten Währungskrisen in Schwellenländern wie der Türkei und Argentinien geführt. Die geldpolitische Normalisierung durch die US-Zentralbank Federal Reserve könnte zu Staatsbankrotten auf der ganzen Welt und Verwerfungen im Finanzsystem führen.

Federal Reserve-Präsident Jerome Powell war am Dienstag Befürchtungen entgegengetreten, durch die Zinserhöhungen drohe ein Börsenbeben wie vor fünf Jahren. Die Fed werde ihre Strategie „so klar und transparent wie nur möglich“ kommunizieren, um die Erwartungen zu steuern und Turbulenzen zu vermeiden, versicherte Powell am Dienstag auf einer Veranstaltung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) in Zürich. Er sprach dabei die von seinem Vor-Vorgänger Ben Bernanke 2013 mit offenbar unbedachten Äußerungen ausgelösten Verwerfungen an den internationalen Finanzmärkten mit keinem Wort an. Doch der jüngste Verfall des argentinischen Peso und der türkischen Lira hat Erinnerungen an die damaligen Turbulenzen geweckt, in deren Folge Währungen vieler Schwellenländer unter die Räder kamen.

Die US-Notenbank (Fed) hatte die Zinsen dieses Jahr im März auf 1,5 bis 1,75 Prozent erhöht und zwei weitere Schritte nach oben signalisiert. Der nächste wird bereits für Juni erwartet. Manche Beobachter rechnen danach mit noch zwei weiteren Anhebungen in diesem Jahr, womit Geldanlagen in den USA attraktiver werden dürften und massiv Kapital aus Schwellenländern abzufließen droht.

Argentinien stemmte sich jüngst gegen den Verfall seiner Währung, indem die Notenbank den Leitzins auf mittlerweile 40,0 Prozent hievte. Damit dürfte nach Ansicht von Volkswirten die Gefahr vorerst gebannt sein, dass der Peso weiter rasant abrutscht. Doch dem Land droht bei dauerhaft hohen Zinsen eine Konjunkturkrise, warnte Ökonom Claudio Irigoyen von der Bank of America Merrill Lynch. Dann werde es womöglich gezwungen sein, beim Internationalen Währungsfonds (IWF) um Hilfe nachzusuchen, die gewöhnlich an Auflagen gekoppelt ist. „Das wäre mit hohen politischen Kosten verbunden“, sagte Irigoyen. Nach einem Zahlungsausfall im Jahr 2002 hatten potentielle Geldgeber das Land lange gemieden.

Die US-Rating-Agentur Fitch stellt Argentinien keine Anhebung der Kreditwürdigkeit mehr in Aussicht. Der Ausblick für das von Finanzmarktturbulenzen belasteten Land sei von „positiv“ auf „stabil" gesenkt worden, teilte Fitch vor einigen Tagen mit. Die Bonitätsnote wurde mit „B" bestätigt. Damit befindet sich die Kreditwürdigkeit tief im sogenannten Ramschbereich. Fitch begründete die Änderung des Ausblicks mit der hohen Inflation. Die großen Defizite im Staatshaushalt und der Leistungsbilanz erforderten zudem eine hohe Schuldenaufnahme im Ausland. Die Regierungspolitik habe sich zwar verbessert. Geringe Fortschritte bei der Rückführung der Inflation und starke Veränderungen der Geldpolitik würden allerdings die Glaubwürdigkeit der Politik untergraben, so Fitch.

Auch in der Türkei reagierte die Zentralbank mit höheren Leitzinsen auf die Schwäche der Landeswährung Lira – gegen den Wunsch von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. Die aktuelle Lira-Verkaufswelle bezeichnete er am Dienstag als Angriff auf die heimische Wirtschaft und kündigte Gegenmaßnahmen an. Während sich viele Währungen von Schwellenländern in den vergangenen Jahren erholten, fiel die türkische Lira von einem Rekordtief zum nächsten - auch weil viele Investoren wegen des anhaltend hohen Leistungsbilanzdefizits des Landes kalte Füße bekommen.

Powell geht davon aus, dass seine Politik der behutsamen Zinserhöhungen in diesem Jahr per se keine Gefahr für Schwellenländer darstellt. „Ich wische die voraussichtlichen Risiken nicht weg, die von der globalen Normalisierung der Geldpolitik ausgehen“, sagte er. Aber die Länder könnten dies bewältigen.

Die angespannte Situation und die Sorgen vor Erschütterungen im Zuge der geldpolitischen Normalisierung der Fed zeigt, wie abhängig die Stabilität des Weltfinanzsystems seit Beginn der Zentralbank-Interventionen im Jahr 2008 von niedrigen Zinsen ist. Es wird offenbar, dass die durch die expansive Geldpolitik der vergangenen zehn Jahre ermöglichte massive Schuldenaufnahme zu einer Scheinblüte in der Realwirtschaft und zu enormen Wertsteigerungen im Finanzsystem führte, welche durch die Rückkehr zu normalen Finanzierungsbedingungen gefährdet ist. Historisch betrachtet ist der gegenwärtige US-Zinssatz von etwa 1,5 Prozent als niedrig anzusehen.

Durch die steigenden Zinsen in den USA hat der Dollar einen Höhenflug, der Kapital noch rascher aus den Schwellenländern absaugt als in der Frühphase des „taper tantrum"“ im Jahr 2013, als der damalige Fed-Präsident Ben Bernanke ein schrittweises Zurückfahren der Anleihekäufe ankündigte. Investoren haben inzwischen rund 5,5 Milliarden Dollar binnen zwei Wochen aus den Anleihemärkten dieser Länder abgezogen, wie aus Zahlen des internationalen Bankenverbands IIF hervorgeht. Dieser spricht bereits von einer Wiederkehr des „Spuks des vergangenen taper tantrums“.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) sagt für südafrikanische Staaten auch mit Blick auf den anziehenden Dollar trotz eines höheren Wachstums eine steigende Staatsverschuldung voraus. Zwar dürfte die Wirtschaftsleistung in den Ländern südlich der Sahara dank steigender Rohstoffpreise im laufenden Jahr um 3,4 Prozent zulegen und damit stärker als 2017, teilte der IWF am Dienstag mit. Zugleich seien etwa zwei Fünftel der ärmeren Länder in der Region in finanziellen Schwierigkeiten oder sogar komplett pleite. „Das gegenwärtige Wachstumstempo in den Industrieländern dürfte nachlassen, und die Refinanzierungsbedingungen für die ärmeren Länder der Region werden wahrscheinlich ungünstiger werden, was mit einem steigenden Kapitalbedarf zusammentrifft,“ heißt es mit Blick auf Dollar-Kredite.

Allein im vergangenen Jahr legten afrikanische Staaten Anleihen im Volumen von 7,5 Milliarden Dollar auf, so viel wie nie zuvor und zehn Mal so viel wie im Jahr 2016. Allein für die erste Jahreshälfte 2019 sind laut IWF weitere elf Milliarden Dollar geplant. Ende 2017 galten bereits der Tschad, Eritrea, die Republik Kongo, der Südsudan und Simbabwe als zahlungsunfähig.

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