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Unternehmen drohen in Deutschland für die Befolgung der Iran-Sanktionen hohe Geldbußen

Lesezeit: 3 min
19.01.2019 18:05
Die deutschen Unternehmen stecken in der Zwickmühle: Halten sie sich nicht an die US-Sanktionen gegen den Iran, droht ihnen der Ausschluss vom amerikanischen Markt. Halten sie die Sanktionen jedoch ein, drohen ihnen in Deutschland hohe Geldbußen.
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Die Iran-Sanktionen der USA bescheren der deutschen Wirtschaft hohe Einbußen. Betroffen sind primär Unternehmen aus den Bereichen Maschinen- und Anlagenbau, Medizintechnik, Elektrotechnik, Petrochemie sowie der Zulieferer-Branche. 2017 exportierten deutsche Unternehmen Güter im Wert von circa drei Milliarden Euro in den Iran (eine Steigerung von mehr als 50 Prozent innerhalb von vier Jahren), also im Schnitt knapp 1,5 Milliarden pro Halbjahr. Im ersten Halbjahr 2018 waren es mit 1,31 Milliarden Euro etwas weniger, die Zahlen fürs zweite Halbjahr liegen noch nicht vor. Die Entwicklung der Ereignisse legen jedoch nahe, dass die Geschäftsbeziehungen erheblich zurückgegangen sind. Vor allem die Weigerung vieler Banken, den Zahlungsverkehr mit dem Iran aufrechtzuerhalten, erschweren die Geschäfte enorm. Bereits im Oktober 2018 sagte der Präsident des „Bundesverbands Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA)“, Holger Bingmann, der Rückgang der iranischen Exportvolumina sei „nur der Beginn einer Abwärtsspirale“. Helene Rang, die Vorsitzende des „Nah- und MittelOst-Vereins“ (NUMOV/ ein 1934 gegründeter Zusammenschluss von deutschen Unternehmen, die im Nahen und Mittleren Osten aktiv sind), sagte den Deutschen Wirtschaftsnachrichten: „Die einseitige Kündigung von Abkommen seitens der USA führt dazu, dass deutsche Unternehmen, die stark in den Vereinigten Staaten vertreten sind, sich in steigendem Maße aus dem Iran zurückziehen. Und von denjenigen, die noch im Iran-Geschäft aktiv sind, halten sich viele lieber bedeckt und reden nicht darüber.“

Rückblick: Im Mai 2018 kündigten die USA das Atomabkommen mit dem Iran und US-Präsident Donald Trump gab bekannt, dass die unter seinem Vorgänger Barak Obama im Sommer 2015 ausgesetzten Sanktionen gegen den Iran wieder in Kraft getreten seien. Kurz darauf kündigte Trumps Nationaler Sicherheitsberater John Bolton Sanktionen gegen alle Unternehmen an, die mit dem Iran wirtschaftliche Beziehungen unterhielten. Anfang November verschärften die USA die Gangart und verhängten noch drastischere Sanktionen mit dem Ziel, den Iran mit einem totalen Öl-Boykott wirtschaftlich vollends in die Knie zu zwingen. US-Präsident Donald Trump sprach von den „schärfsten Sanktionen aller Zeiten“. Die deutschen Unternehmen sind im Grunde genommen gezwungen, sich für Geschäfte mit den USA oder mit dem Iran zu entscheiden, wobei sie sich angesichts des riesigen USA-Geschäfts – 2017 exportierten deutsche Unternehmen Waren im Wert von 111,5 Milliarden Euro in die Vereinigten Staaten – natürlich für erstere Option entscheiden, entscheiden müssen. Für die deutschen Unternehmen gehen damit nicht nur sichere Einnahmen, sondern auch ein gewaltiges Potential verloren. Die iranische Regierung hatte nämlich für die Jahre 2017 bis 2022 ein Aufbau-Programm im Wert von rund 50 Milliarden Dollar angekündigt.

Die Unternehmen sehen sich allerdings noch mit einem weiteren Problem konfrontiert: Halten sie sich an die Sanktions-Vorgaben aus Washington, machen sie sich strafbar. 1996 erließ die EU – im Zusammenhang mit den damaligen US-Sanktionen gegen Kuba – die sogenannte „Blocking“-Verordnung. Diese verbietet europäischen Unternehmen explizit, Sanktionen eines Nicht-EU-Staates zu befolgen und gilt bis heute. In der Verordnung Nr. 2271/96 des EU-Rates vom 22. November 1996 heißt es zur Begründung: „Eines der Ziele der Europäischen Gemeinschaft ist es, zur harmonischen Entwicklung des Welthandels und zur schrittweisen Beseitigung der Beschränkungen im internationalen Handelsverkehr beizutragen. Ein Drittland (gemeint sind die USA; Anm. d. Redaktion) hat Gesetze, Verordnungen und andere Rechtsakte erlassen, mit denen die Tätigkeit von natürlichen und juristischen Personen geregelt werden soll, die der Gerichtsbarkeit der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft unterstehen. Diese Gesetze, Verordnungen und anderen Rechtsakte verletzen durch ihre extraterritoriale Anwendung das Völkerrecht und behindern die Verwirklichung der zuvor genannten Ziele.“

Bärbel Sachs, Außenhandelsrechts-Expertin der zweitgrößten europäischen Wirtschaftskanzlei „Noerr“, sagte den Deutschen Wirtschaftsnachrichten: „Verstöße gegen die Blocking-Verordnung sind in Deutschland mit einer Geldbuße von bis zu 500.000 Euro bewehrt. Was für die Unternehmen eine Zwickmühle bedeutet. Halten sie sich an die Verordnung, riskieren sie Sanktionen und den Verlust des Zugangs zum amerikanischen Markt. Halten sie sich nicht an die Verordnung, verstoßen sie gegen das Gesetz und müssen womöglich eine Geldbuße zahlen. Wobei bisher noch kein solcher Fall bekannt geworden ist. Es scheint, als ob mögliche Verstöße gegen die Verordnung – um es diplomatisch auszudrücken – nicht unbedingt im Fokus der Ermittlungen der zuständigen Behörden, also der Hauptzollämter, liegen.“

Zivilrechtlich seien Verstöße gegen die Blocking-Verordnung aber durchaus durchsetzbar, so Sachs: „Wenn beispielsweise ein Unternehmen einem anderen Unternehmen die Geschäftsbeziehung mit Hinweis auf die US-Sanktionen kündigt, so ist diese Kündigung unwirksam und kann vor Gericht angefochten werden.“

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