Deutschland

Topunternehmer: „Deutschlands Kraft liegt nicht in den Metropolen“

Lesezeit: 2 min
24.03.2019 17:34
Deutschlands wirtschaftliche Stärke wurzelt nicht in den Metropolen, sondern in der Fläche, argumentiert Mario Ohoven, der Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft.
Topunternehmer: „Deutschlands Kraft liegt nicht in den Metropolen“

Benachrichtigung über neue Artikel:  

Man stelle sich einmal Großbritannien ohne London, Frankreich ohne Paris oder Österreich ohne Wien vor. Auch wenn Staaten natürlich nicht auf ihre Hauptstädte reduziert werden sollten, feststeht, dass sie in vielen Ländern Europas nicht nur das politische, sondern auch das wirtschaftliche Zentrum bilden. Daneben gibt es in der Regel keine weiteren Metropolen, die in puncto Prosperität und Power mit den Kapitalen mithalten könnten.

Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln hat in einer Studie den Wert zentralistischer Wirtschaftsstrukturen ermittelt. Die Ökonomen stellten die Frage, um wieviel Prozent das Pro-Kopf-Einkommen im jeweiligen Land sinken würde, wenn man die Hauptstadt und somit das wirtschaftliche Zentrum bei der Berechnung außen vorließe. Das Ergebnis: Österreichs Pro-Kopf-Einkommen fiele sechs Prozent niedriger aus, Großbritannien ohne die Finanzmetropole London hätte ein Minus von elf Prozent zu verzeichnen, und der Wohlstand in Frankreich würde ohne Paris, wo sich zahlreiche Großkonzerne konzentrieren, um 15 Prozent abnehmen.

Eine der wenigen Ausnahmen stellt Deutschland dar. Würde man Berlin bei der Berechnung des Bruttoinlandsprodukts je Einwohner ausklammern, wäre unser BIP sogar um 0,2 Prozent höher. Das hängt zum Teil mit der Historie der Hauptstadt zusammen. Vor allem aber zeigt es, dass die wirtschaftliche Stärke unseres Landes nicht auf einer einzigen Region beruht. Denn Berlin ist nur ein Ballungsraum unter vielen – und ökonomisch betrachtet nicht einmal der bedeutendste. Dezentralisierung heißt das Zauberwort. Dass Deutschland die wichtigste Wirtschaftsmacht in der EU ist, verdanken wir nicht zuletzt seinen starken Regionen.

Niemand wird ernsthaft bestreiten, dass boomende Exporte, eine im internationalen Vergleich hohe Beschäftigungsquote und insbesondere unser innovativer Mittelstand Garanten des Wohlstands sind. Doch auch die scheinbare „Zersplitterung“ trägt wesentlich zum Erfolg bei. Denn die dezentrale Wirtschaftsweise verhindert, dass es zu einem Wohlstandsgefälle innerhalb des Landes kommt.

Schaut man sich die unternehmerische Landkarte Deutschlands an, so stellt man fest, dass es in nahezu jeder Region Standorte gibt, die sich durch eine hohe wirtschaftliche Produktivität auszeichnen. So schlägt in Norddeutschland das Herz der maritimen Industrie, im Süden der Republik haben sich im Münchner „Isar Valley“ bedeutende IT- und Hightech-Unternehmen niedergelassen, und in Berlin boomt eine dynamische Startup-Szene. Auch in den neuen Bundesländern hat sich seit der Einheit ein hoch innovativer Mittelstand entwickelt.

Unser Wohlstand wird vor allem durch den Mittelstand erwirtschaftet – und dieser ist in zwei von drei Fällen nicht in den pulsierenden Metropolen beheimatet, sondern auf dem Land. Hier findet man auch die Mehrzahl der „Hidden Champions“, die mit ihren Produkten internationale Marktführer sind. Von den weltweit 2.700 dieser Topunternehmen kommt die Hälfte aus dem deutschen Mittelstand abseits der Ballungszentren. Nur zwei Beispiele: Im oberpfälzischen Weiherhammer, einer Gemeinde mit nicht einmal 4.000 Einwohnern, sitzt mit BHS Corrugated Maschinen- und Anlagenbau der weltgrößte Anbieter für Lösungen in der Wellpappenindustrie. Und die Steigtechnik Günzburg aus der gleichnamigen Kleinstadt in Schwaben ist weltweit eine der ersten Adressen in Sachen Leitern, Rollgerüste und Rettungstechnik.

In Zeiten der Digitalisierung hat der Standort nicht mehr die Bedeutung wie noch vor 20 Jahren. Voraussetzung dafür ist allerdings eine optimale Infrastruktur, angefangen bei der Verkehrsanbindung bis hin zum leistungsfähigen Breitbandanschluss. Und daran hapert es in Deutschland gewaltig. Umso mehr ist die Politik gefordert. Sie muss die mittelständischen Betriebe durch investitionsfreundliche Rahmenbedingungen fördern, damit der Erfolg weiterhin dezentral erwirtschaftet werden kann. Denn ein starker Mittelstand vor Ort ist das beste Mittel, um die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland zu sichern.

Mario Ohoven ist Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW) und des Mittelstandsdachverbandes European Entrepreneurs (CEA-PME), Brüssel.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..



Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutsch-chinesische Beziehung: So reagiert China auf Scholz’ Besuch
16.04.2024

Die Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz nach China hat in den vergangenen Tagen die chinesischen Medien beschäftigt. Zum Abschluss seiner...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft IWF-Wachstumsprognose 2024: Deutschland bleibt weltweites Schlusslicht
16.04.2024

Für Deutschland hat der IWF in seiner neuen Prognose keine guten Nachrichten: Sie dürfte auch 2024 unter allen Industriestaaten am...

DWN
Politik
Politik Modernste Raketenabwehrsysteme: So schützt sich Israel gegen Luftangriffe
16.04.2024

Hunderte Raketen und Kampfdrohnen hatte der Iran am Wochenende nach Israel gefeuert. Dass dieser Angriff vergleichsweise glimpflich...

DWN
Politik
Politik Engpass bei Stromversorgung: Oranienburg zeigt Deutschland die Grenzen auf
16.04.2024

Noch ist es ein Einzelfall: Die Kleinstadt Oranienburg, nördlich von Berlin, kommt dem Bedarf ihrer Kunden nicht mehr umfänglich nach....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Stellenabbau wegen KI: Jetzt trifft es auch die Hochqualifizierten
16.04.2024

Der zunehmende Einsatz von KI verändert viele Branchen grundlegend und wird in Zukunft eine Reihe von Berufen überflüssig machen. Davon...

DWN
Politik
Politik 365 Tage Schwarz-Rot in Berlin - weder arm noch sexy!
16.04.2024

Niemand war wohl mehr überrascht als Kai Wegner (CDU), dass er vor genau einem Jahr wie „Kai aus der Kiste" Regierender Bürgermeister...

DWN
Politik
Politik Scholz in China: Deutliche Worte bei Xi zum Ukraine-Krieg und Klimaschutz
16.04.2024

Auf der letzten Etappe seiner China-Reise traf Bundeskanzler Scholz seinen Amtskollegen Präsident Xi Jinping. Bei ihrem Treffen in Peking...

DWN
Finanzen
Finanzen Börsenrückgang: DAX im Korrekturmodus - Was Anleger wissen müssen
16.04.2024

Der DAX hat die Woche mit einer Erholung gestartet, doch diese wurde schnell zunichte gemacht. Die Unsicherheit an den Börsen erreicht ein...