Deutschland

Zerschlagung von Thyssenkrupp abgewendet

Lesezeit: 2 min
10.05.2019 11:59
Viele Jahrzehnte lang war ThyssenKrupp das mit weitem Abstand größte und mächtigste Unternehmen Deutschlands. Nach dem Zweiten Weltkrieg ließ die Bedeutung des Stahl-Herstellers zwar nach, aber dennoch blieb er einer der größten Konzerne der Bundesrepublik. Bis vor kurzem deutete alles darauf hin, dass seine Zerschlagung unausweichlich sei - jetzt ist jedoch klar, dass der Industrie-Riese weiter existieren wird.
Zerschlagung von Thyssenkrupp abgewendet

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Thyssenkrupp-Chef Guido Kerkhoff zieht die Notbremse: Weder das Stahl-Joint-Venture mit Tata Steel Europe noch die Konzernaufspaltung in zwei Teile wird es geben, wie mehrere Insider der Nachrichtenagentur Reuters am Freitag sagten. Zu groß war zuletzt der Widerstand in Brüssel und auch in der eigenen Belegschaft, zu drastisch der Kursverfall der Thyssen-Aktie, zu scharf die Kritik von Investoren. Deshalb legte Kerkhoff, der noch nicht einmal ein Jahr im Amt ist, seine beiden wichtigsten Projekte zu den Akten. Stattdessen denke der Manager nun über eine Holdingstruktur nach, bei der die lukrative Aufzugssparte abgespalten oder teilweise an die Börse gebracht werden könnte, sagten die Insider. Ob ihm das am Ende den Job rettet, ist allerdings offen.

Der Konzern selbst wollte sich zu den Informationen zunächst nicht äußern. An der Börse machte sich Erleichterung breit: Die Aktie des Mischkonzerns schoss nach der Reuters-Meldung zeitweise zehn Prozent in die Höhe und war mit Abstand größter Dax-Gewinner. Trotzdem ist das gesamte Unternehmen mit seinen 160.000 Mitarbeitern, das seit Jahren im Krisenmodus operiert, aktuell gerade noch rund sieben Milliarden Euro wert.

[newsletter-signup-telegram]

Die Anzeichen, dass die bestehenden Pläne nicht aufgehen, hatten sich seit Wochen verdichtet. Nun war der Druck auf Kerkhoff offenbar zu groß geworden. Schon zu Beginn seiner Amtszeit im vergangenen Sommer, als Kerkhoff Heinrich Hiesinger an der Spitze ablöste, kritisierten einige Investoren seine langjährige Rolle als Finanzchef im Konzern. "Kerkhoff gehört zur alten Garde. Es muss einen Neuanfang geben", hieß es damals von einem mächtigen Aktionär.

DIE HOFFNUNG LIEGT NUN AUF DER AUFZUGSSPARTE

Die Gemengelage im Unternehmen macht durchgreifende Veränderungen nicht leicht. Neben den mächtigen Arbeitnehmervertretern und der IG Metall sind der Finanzinvestor Cevian mit einem Anteil von rund 18 Prozent und die Krupp-Stiftung mit gut 20 Prozent wichtige Player, die in Fragen der Strategie nicht immer einer Meinung sind.

Die bislang geplante Konzernaufspaltung in einen Industriegüter- und einen Werkstoffkonzern war Kerkhoffs Idee gewesen. Doch wegen des Kursverfalls der Thyssen-Aktie - am Mittwoch hatte sie den tiefsten Stand seit 15 Jahren markiert - mache die Aufspaltung keinen Sinn mehr, sagten die Insider nun. Denn das konjunkturanfällige Werkstoffgeschäft sollte finanziell abgesichert werden, indem es an dem profitableren Industriegüterkonzern eine Beteiligung hält. Je weniger Thyssenkrupp jedoch wert ist, desto höher müsste die Beteiligung des Werkstoffkonzerns sein. Zudem wurden die Kosten der Aufspaltung im Konzern auf rund eine Milliarde Euro geschätzt. Auch deshalb stellte die neue Aufsichtsratschefin Martina Merz das Vorhaben nochmal auf den Prüfstand.

Die noch von Kerkhoffs Vorgänger Hiesinger geplante Fusion des Stahlgeschäfts mit dem Rivalen Tata Steel traf bei den europäischen Wettbewerbsbehörden auf Widerstand, die zahlreiche Bedenken anmeldeten. Inzwischen gehe man bei ThyssenKrupp nicht mehr davon aus, dass dieser Plan umgesetzt werden könne, sagten die Insider. Damit sind die seit drei Jahren laufenden Bemühungen umsonst gewesen. Der Stahlbranche machen Überkapazitäten, Importe aus Fernost und zunehmende Klimaschutzauflagen zu schaffen. An der Thyssen-Aufzugssparte hatte der finnische Konkurrent Kone Interesse angemeldet. Die Sparte ist seit Jahren der größte Gewinnbringer von Thyssenkrupp.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Politik
Politik Europaparlament billigt neue EU-Schuldenregeln nach langwierigen Debatten
23.04.2024

Monatelang wurde über Europas neue Regen für Haushaltsdefizite und Staatsschulden diskutiert. Die EU-Abgeordneten sprechen sich nun für...

DWN
Immobilien
Immobilien Bauministerin: Innenstädte brauchen vielfältigere Angebote
23.04.2024

Klara Geywitz wirbt für mehr Vielfalt in den deutschen Innenstädten, um damit stabilere Immobilienmärkte zu unterstützen. Ein Mix von...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Palantir: Wie Vorurteile die sinnvolle Anwendung von Polizei-Software behindern
23.04.2024

Palantir Technologies ist ein Software-Anbieter aus den USA, der entweder Gruseln und Unbehagen auslöst oder Begeisterung unter seinen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen 20 Jahre EU-Osterweiterung: Wie osteuropäische Arbeitskräfte Deutschland unterstützen
23.04.2024

Zwei Jahrzehnte nach der EU-Osterweiterung haben osteuropäische Arbeitskräfte wesentlich dazu beigetragen, Engpässe im deutschen...

DWN
Finanzen
Finanzen Der DWN-Marktreport: Spannung und Entspannung – Geopolitik sorgt für Bewegung bei Aktien und Rohstoffen
23.04.2024

Die hochexplosive Lage im Nahen Osten sorgte für reichlich Volatilität an den internationalen Finanz- und Rohstoffmärkten. Nun scheint...

DWN
Finanzen
Finanzen Staatsverschuldung auf Rekordhoch: Steuerzahlerbund schlägt Alarm!
23.04.2024

Der Bund Deutscher Steuerzahler warnt: Ohne Kehrtwende droht der fiskalische Abgrund, trotzdem schöpft die Bundesregierung das...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Zahl der Apotheken in Deutschland sinkt weiter - Verband alamiert
23.04.2024

Laut neuen Zahlen gibt es immer weniger Apotheken-Standorte. Der Apothekerverband spricht von „alarmierenden Zeichen“ und erklärt,...

DWN
Finanzen
Finanzen Silber im Aufschwung: Das Gold des kleinen Mannes holt auf
23.04.2024

Silber hinkt traditionell dem großen Bruder Gold etwas hinterher. In den letzten Wochen hat der Silberpreis massiv zugelegt. Was sind die...