Finanzen

Deutsche Reedereien haben Einstieg in den lukrativen LNG-Markt verpasst

Lesezeit: 5 min
28.06.2019 10:49
Da Flüssiggas ausschließlich per Schiff transportiert wird, bedarf es immer mehr Tanker. Die deutschen Reedereien haben den Einstieg in den aufstrebenden Transportmarkt jedoch verpasst.
Deutsche Reedereien haben Einstieg in den lukrativen LNG-Markt verpasst
Beim Bau von LNG-Tankern ist derzeit nur eine Nation führend – Deutschland ist es nicht. (Foto: Urban Štebljaj/Finance)
Foto: Julia Jurrmann

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Rund 319 Millionen Tonnen Flüssiggas (LNG) wurden im Jahr 2018 weltweit produziert. 2019 werden es nach Berechnungen von Shell circa 354 Millionen sein (ein Plus von 11 Prozent), 2020 etwa 384 Millionen Tonnen (plus 7,8 Prozent). Schon seit Jahren wächst die Fördermenge unaufhörlich an (im Jahr 2000 betrug sie mit 100 Tonnen deutlich weniger als ein Drittel der heutigen Menge) – und sie wird das auch in den nächsten Jahren kontinuierlich tun. Und zwar so sehr, dass der LNG-Anteil laut BP am gesamten Gas-Markt Mitte der 2030-Jahre rund 50 Prozent betragen könnte, verglichen mit derzeit lediglich zehn Prozent. Vor allem China treibt das Wachstum – 2017 importierte das Reich der Mitte rund 50 Millionen Tonnen Flüssiggas, im Jahr 2030 sollen es nach Berechnungen der KfW IPEX-Bank mit circa 150 Millionen Tonnen das Dreifache sein.

Katar – das Emirat war jahrelang der größte LNG-Exporteur, wurde Ende 2018 jedoch von Australien überholtwill seine Fördermenge von derzeit 77 Millionen Tonnen in den nächsten Jahren auf 110 Millionen erhöhen (und damit wieder die weltweite Nummer eins werden). Gleichzeitig planen die USA, groß in den Export einzusteigen. Derzeit verbrauchen die Amerikaner den größten Teil des von ihnen produzierten Flüssiggases jedoch selbst und exportieren lediglich etwas mehr als vier Prozent. Tatsächlich stach der erste Tanker mit amerikanischem LNG erst 2016 von einem Hafen im Bundesstaat Louisiana aus in See. Wenn jedoch ihre Fördermenge – wie geplant – in den nächsten Jahren über 80 Millionen Tonnen pro Jahr geklettert sein wird (Analysten sprechen von 84 Millionen im Jahr 2023), werden auch die Vereinigten Staaten eine signifikante Rolle auf dem internationalen LNG-Markt spielen.

 

 

 

 

LNG wird ausschließlich mit Schiffen transportiert (ein Transport per Pipeline ist nicht möglich, wie eine Sprecherin von Shell den Deutschen Wirtschaftsnachrichten bestätigte). Derzeit besteht die weltweite LNG-Tanker-Flotte aus rund 400 Schiffen, wobei die Reedereien dreier Nationen führend sind: Japan, Griechenland und Katar. Japan nimmt mit 87 Einheiten die führende Position bei der Zahl der Schiffe ein, Griechenland steht mit 60 Einheiten an zweiter, Katar mit 59 Einheiten an dritter Stelle. Beim Wert der Flotte führt Griechenland mit 13,9 Milliarden Dollar vor Japan (13,5) und Katar (8,2). Das Emirat wiederum steht bei der Zahl der Beförderungs-Kapazität auf Rang eins (12,2 Milliarden Liter), vor Japan auf zwei (11,9) und Griechenland an drei (9,6).

In den nächsten Jahren wird die Zahl der LNG-Tanker massiv steigen. 2016 orderten die Reeder weltweit gerade einmal sechs solcher Schiffe, 2017 waren es 19. Im Jahr 2018 schnellten die Bestellungen auf 66 hoch. Experten gehen davon aus, dass die Zahl im Jahr 2019 weiter wachsen wird. Sie hat mittlerweile einen solchen Stand erreicht, dass ein jetzt bestellter Tanker nicht vor dem Jahr 2021 ausgeliefert werden kann.

Profiteure dieser Entwicklung sind natürlich die Werften, aber nicht die aller großen Schiffbau-Nationen. Im Gegenteil: Fast alle Order gehen an südkoreanische Werften, die einzigen Ausnahmen stellen ein paar wenige Spezial-Schiffe dar (beispielsweise hat die chinesische Werft „Guangzhou International Shipyard“ letztes Jahr für die griechische Reederei „Dynacom“ einen Allwetter-Tanker für den Einsatz im Eismeer gebaut). Die Koreaner haben in den letzten Jahren hohe Summen in Forschung und Entwicklung investiert. Darüber hinaus wurden sie in den schweren Krisen-Jahren am Schiffsmarkt (2015 und vor allem 2016) mit hohen Summen von der öffentlichen Hand subventioniert.

Die beiden größten Konkurrenten der Koreaner, die Chinesen und vor allem die Japaner, sind insgesamt gesehen technologisch zurückgefallen. Vor allem haben sie sich nicht rechtzeitig auf die relativ neue Membrantank-Technik eingestellt, die mittlerweile die konventionelle Kugel- und Zylindertanks – die bis vor einigen Jahren auf Gas-Schiffen noch Standard waren – fast völlig verdrängt hat. Darüber hinaus sind die Koreaner in der Lage, günstig zu produzieren: Ein durchschnittlicher LNG-Tanker von einer der Werften aus der Provinz Gyeongsangnam-do (wo sich fast die gesamte koreanische Schiffbau-Industrie angesiedelt hat) kostet rund 175 Millionen Dollar, sein Pendant aus Japan mit 200 Millionen Dollar circa ein Achtel mehr. Da wundert es nicht, dass etwa zwei Drittel aller LNG-Schiffe aus koreanischer Produktion stammen – so auch das im Oktober ausgelieferte weltgrößte LNG-Bunkerschiff „Kairos“, das vorwiegend in der Ostsee eingesetzt werden wird, wo es mit Erdgas angetriebene Schiffe versorgen soll – und ihr Anteil wird sich deutlich weiter zugunsten der Koreaner verschieben.

Anzumerken ist an dieser Stelle noch, dass die LNG-Tanker immer größer werden. Bis vor kurzem hatte ein durchschnittliches Flüssiggas-Schiff noch eine Ladefähigkeit von etwas mehr als 150 Millionen Liter, mittlerweile sind es zwischen 170 und 180 Millionen. Die höhere Ladefähigkeit ist auf verbessertes Design (auch hier sind die Koreaner führend) zurückzuführen sowie auf die 2016 fertiggestellte Erweiterung des Panama-Kanals, welche die Durchfahrt größerer Schiffe möglich macht.

Die beiden Länder, die den Bau von LNG-Tankern besonders befeuern, sind zum einen Katar, zum anderen Griechenland. Anfang des Jahres verkündete Katars Energie-Minister Saad Sherida Al-Kaabi, das Emirat werde 60 neue Flüssiggas-Schiffe in Korea bestellen. In einem Interview mit dem Handelsblatt wies Al-Kaabi darauf hin, dass die Erdöl-Vorkommen seines Landes begrenzt seien und sich das Emirat deshalb verstärkt auf den Gas-Sektor konzentrieren werde.

Besonders stark setzen die griechischen Reeder auf das Geschäft mit dem Transport von Flüssiggas. Genau die Hälfte der im Jahr 2018 getätigten 66 Bestellungen für LNG-Tanker kam von Reedern aus Hellas. Das Auftragsvolumen betrug knapp sechs Milliarden Euro. Wobei die Hellenen – die übrigens einen Anteil an der gesamten weltweiten Handelsflotte von 20 Prozent halten – nicht unbedingt damit rechnen, dass sich ihre Investitionen auf der Stelle auszahlen werden. Marktbeobachter schließen nämlich nicht aus, dass es zu Beginn der 2020er Jahre aufgrund der vielen Neubauten zu einem Nachgeben der Frachtraten kommen könnte. Aber spätestens ab 2023 sollen die Raten dann aufgrund der wachsenden LNG-Produktion wieder ansteigen – und zwar kräftig.

Was den Bedarf an Schiffen auch massiv antreiben wird, ist die große Entfernung zwischen den USA und den beiden größten Abnehmerländern China und Japan. Der „Tägliche Hafenbericht“ aus Hamburg schreibt: „Analysten haben errechnet, dass der Transport von jährlich einer Million Tonnen LNG aus den USA nach Japan einen Schiffsbedarf mit dem Faktor von 1,9 auslöst, verglichen mit nur 0,7 Ladungen aus Australien nach Japan. Grund ist die deutlich längere Transitzeit.“

Was die deutschen Reeder anbelangt: Sie sind im Geschäft mit dem LNG-Transport überhaupt nicht vertreten, wie ein Sprecher der Hamburger Reederei „Offen Group“ den Deutschen Wirtschaftsnachrichten bestätigte. Zwar verfügt die Bundesrepublik (nach Griechenland, China und Japan) über die viertgrößte Handelsflotte der Welt, LNG-Tanker tauchen im Portfolio der Schifffahrts-Unternehmen allerdings nicht auf – und werden es wahrscheinlich in absehbarer Zeit auch nicht tun. Der Marine Director vom „Verband Deutscher Reeder“, Wolfgang Hintzsche, sagte den Deutschen Wirtschaftsnachrichten: „Das ist die Folge der Finanz- und Schifffahrtskrise, die bereits seit einem Jahrzehnt anhält. Für die deutschen Reedereien ist es sehr schwer, an Finanzierungen heranzukommen. Vereinzelt geben sie Spezialtanker in Auftrag, aber das Geschäft mit LNG-Tankern läuft ohne sie ab.“

Die weltgrößten Produzenten von LNG:

  • Australien
  • Katar
  • Malaysia
  • USA
  • Nigeria
  • Indonesien
  • Algerien
  • Russland
  • Trinidad & Tobago
  • Oman
  • Papua-Neuguinea
  • Brunei

***

Wenn Sie weitere spannende Hintergrundinformationen über das Dilemma um Großbritannien erfahren wollen, bestellen Sie hier unser neues DWN-Magazin im Kombi Monatsabo für nur 12,49 Euro/Monat. Lesen Sie uns, verteilen Sie uns, empfehlen Sie uns.

Oder werten Sie Ihr Online-Abo auf das DWN Kombi Jahresabo auf. Sie erhalten unbegrenzten Zugriff auf sämtliche DWN-Artikel im Netz, den täglichen exklusiven Newsletter und das DWN-Printmagazin monatlich per Post zugeschickt.

Sie sind an älteren Ausgaben interessiert? Dann stöbern Sie doch in unserem Archiv aller erschienenden DWN-Magazin-Ausgaben.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Immobilien
Immobilien Wie viel Immobilie kann ich mir 2024 leisten?
18.04.2024

Wie günstig ist die aktuelle Marktsituation für den Erwerb einer Immobilie? Auf welche Haupt-Faktoren sollten Kaufinteressenten momentan...

DWN
Politik
Politik G7-Gipfel auf Capri: Militärische Signale für Ukraine und Nahost
18.04.2024

Inmitten eskalierender Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten kommen die G7-Außenminister auf Capri zusammen, um gemeinsam Strategien...

DWN
Politik
Politik Russische Agenten in Bayern festgenommen: Sabotagepläne aufgedeckt
18.04.2024

Zwei Russland-Deutsche sollen für einen russischen Geheimdienst spioniert haben. Einer der beiden soll sich auch zur Durchführung von...

DWN
Politik
Politik Kampf am Himmel: Ukrainische Verteidiger unter Druck
18.04.2024

Die militärische Lage der Ukraine verschlechtert sich weiter. Es fehlen Mittel, Soldaten und Luftabwehrsysteme, um sich gegen neue...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Halving: Die nächste Evolutionsstufe im digitalen Geldsystem
18.04.2024

Am 20. April 2024 ist es wieder soweit: Das nächste Halving steht vor der Tür. Doch um was geht es bei diesem Event, auf das die...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Wirtschaftsstandort Deutschland: 7 Maßnahmen, die den Wohlstand sichern
18.04.2024

Kein Wirtschaftswachstum, Fachkräftemangel, Bürokratie und hohe Energiekosten: Die deutsche Wirtschaft hat viele Baustellen. Im aktuellen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bosch verhandelt über Stellenabbau: Fokus auf Alternativen und Standortsicherung
18.04.2024

Bosch will massiv Stellen streichen, um im internationalen Wettbewerb nicht ins Hintertreffen zu geraten. Dagegen gingen zuletzt Tausende...

DWN
Finanzen
Finanzen Geldvermögen privater Haushalte hat einen neuen Höchststand erreicht
18.04.2024

Die gestiegenen Kurse an den Aktienmärkten und die erhöhten Sparzinsen haben zusammen dazu geführt, dass das Geldvermögen der deutschen...