Politik

EU verordnet den totalen Kommerz im Internet

Lesezeit: 2 min
16.07.2013 02:20
Die EU-Kommission will unabhängige Anbieter im Internet an den Rand drängen. Der Entwurf für die Regulierung im Internet schreibt den Primat des Kommerzes vor. Inhalte-Anbieter können dafür bezahlen, dass ihre Inhalte schneller auf dem Bildschirm erscheinen als die von Anbietern, die nicht zahlen. Das Internet wird damit zum elektronischen Supermarkt verkommen.
EU verordnet den totalen Kommerz im Internet

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Die EU-Kommission gibt das Prinzip der Netzneutralität auf und geht zu einem in Brüssel beliebten Motto über: Wer zahlt, schafft an.

Der Entwurf für die Regulierung des europäischen Telekommunikationsmarktes ist eindeutig: Der Kommerz soll künftig das Internet dominieren.

Der neuen Regelung zufolge haben Inhalte-Anbieter und Telekom-Unternehmen künftig das Recht, Vereinbarungen zum Umgang mit Volumentarifen der Kunden und der Übertragung von Daten unterschiedlicher Qualitätsklassen zu treffen, wie die IT-Website Golem schriebt. Den nationalen Regierungen soll verboten werden, in dieses Recht einzugreifen.

Wer zahlt, schafft an.

Dies bedeutet, dass wir nun die nächste Etappe des Internet erleben werden (zum Ende der Freiheit – hier).

Es wird das Internet des totalen Kommerzes.

Das Internet der völligen Verblödung.

Das Internet der hemmungslosen Manipulation.

Das Internet, in dem nur noch eines zählt: Das Geld.

Denn praktisch kann diese Regulierung zu folgendem führen: Ein Inhalteanbieter vereinbart mit der Telekom, dass seine Inhalte mit mehr Bandbreite, also schneller zum Konsumenten kommen. Dafür zahlt der Anbieter. Anbieter, die nichts zahlen können oder wollen, werden daher langsamer ausgeliefert.

Diese „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ wird dazu führen, dass künftig jeder Hersteller eines Deodarants, eines Autos, eines Suppenwürfels, eines Laser-Druckers, einer Traumreise besser bedient wird als ein Museum, eine Universität oder ein Archiv.

Es wird bedeuten, dass die Bild-Zeitung, die ARD und das ZDF schnelle Websites sein werden; während Golem, der Perlentaucher oder der Bild-Blog elend langsam zu lesen sein werden.

Denn der Suppenwürfelhersteller oder die Öffentlich-Rechtlichen haben Geld ohne Ende. Sie sind die Feudalherren der Informationsgesellschaft und können sich die Schnelligkeit kaufen.

Die Käuflichkeit des Internet wird aber auch von der jenen genutzt werden, die Interesse an Manipulationen haben – etwas die EU selbst: Erst dieser Tage ist die Idee durchgesickert, dass die EU selbst ein „Nachrichtenportal im Internet“ aufbauen möchte. Natürlich würde sich die EU – ebenso wie Bundesregierung oder die SPD – die Möglichkeiten nicht entgehen lassen, sich die Geschwindigkeit vom Provider zu kaufen.

Die EU-Kommission agiert mit dem Vorschlag als knallharter Lobbyisten-Verein für die Telekoms. Der Deal sieht so aus: Die Telekoms verzichten künftig auf die Roaming-Gebühren, dafür holen sie sich das Geld in den Geschäftsfeldern Kommerz und Manipulation.

Denn die EU hat ein Interesse daran, dass die Bürger schnell bedient werden, wenn es um die richtigen Inhalte geht.

Dass die Bürger andere Inhalte als richtig einstufen könnten, kommt der Kommission nicht in den Sinn: Schließlich ist sie nicht gewählt und daher niemandem anders verantwortlich als jenen, deren Interessen sie vertritt.

Das Internet, wie es sich die EU-Kommission und die Telekom-Industrie vorstellen, ist keine interaktive Veranstaltung mehr. Denn von Interaktivität halten die Bürokraten nichts. Man kann dies besichtigen am „Blog“ der Kommissarin Neelie Kroes: So kommunizieren Behörden, die anordnen und beglücken wollen – schauderbar.

Der Vorschlag passt in den allgemeinen Werte-Kanon der EU: Zentralistisch, manipulativ, bürokratisch, käuflich.

Wer diesem Kanon entspricht, wird künftig eine schnelle Website bekommen.

Wer diesen totalen Krieg des Kommerzes gegen die Freiheit des Denkens nicht mitmachen kann oder will, der hat im Internet, wie es der EU vorschwebt, keinen Platz mehr.

Das Internet verabschiedet sich vom Gemeinwohl.

Es degeneriert zum virtuellen Supermarkt, inklusive Überwachungskameras von NSA und BND.

Der Slogan der Supermarkt-Kette Real lautete einmal: „Einmal hin, alles drin.“

Für die EU gilt, wie immer: „Einmal drin, alles hin.“

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  
Europa >

DWN
Politik
Politik Vor 20 Jahren: Größte Erweiterung der Nato - eine kritische Betachtung
29.03.2024

Am 29. März 2004 traten sieben osteuropäische Länder der Nato bei. Nicht bei allen sorgte dies für Begeisterung. Auch der russische...

DWN
Technologie
Technologie Viele Studierende rechnen mit KI-Erleichterungen im Joballtag
29.03.2024

Vielen Menschen macht Künstliche Intelligenz Angst, zum Beispiel weil KI Arbeitsplätze bedrohen könnte. In einer Umfrage stellte sich...

DWN
Politik
Politik Verfassungsgericht stärken: Mehrheit der Parteien auf dem Weg zur Einigung?
28.03.2024

Das Verfassungsgericht soll gestärkt werden - gegen etwaige knappe Mehrheiten im Bundestag in aller Zukunft. Eine Einigung zeichnet sich...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschlands maue Wirtschaftslage verhärtet sich
28.03.2024

Das DIW-Konjunkturbarometer enttäuscht und signalisiert dauerhafte wirtschaftliche Stagnation. Unterdessen blieb der erhoffte...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Lauterbach will RKI-Protokolle weitgehend entschwärzen
28.03.2024

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat angekündigt, dass einige der geschwärzten Stellen in den Corona-Protokollen des RKI aus der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Brückeneinsturz in Baltimore trifft Importgeschäft der deutschen Autobauer
28.03.2024

Baltimore ist eine wichtige Drehscheibe für die deutschen Autobauer. Der Brückeneinsturz in einem der wichtigsten Häfen der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft „Made in Germany“ ist wieder gefragt - deutsche Exporte steigen deutlich
28.03.2024

Der Außenhandel in Deutschland hat wider Erwarten zu Jahresbeginn deutlich Fahrt aufgenommen. Insgesamt verließen Waren im Wert von 135,6...

DWN
Finanzen
Finanzen Der Ukraine-Krieg macht's möglich: Euro-Bonds durch die Hintertür
28.03.2024

Die EU-Kommission versucht, mehr Macht an sich zu ziehen. Das Mittel der Wahl hierfür könnten gemeinsame Anleihen, sogenannte Euro-Bonds,...